„Wir können Gott nicht einfach abschreiben“

Martin Walser hat Alexander Görlach ein Interview gegeben und geht mit dem Atheismus hart ins Gericht. Gleichzeitig wendet er sich gegen die beruhigende Religion der Kirche und benennt Nietzsche, Kafka und Barth als seine Kronzeugen. Walser spricht nicht als Glaubender, sondern als Zweifler, der Gott nicht einfach abschreiben kann.

Wenn man Karl Barth liest, dann fällt sicherlich nicht nur mir auf, dass wir eingeschlafen sind und die Rechtfertigung aus allen möglichen Ersatzbefriedigungen produziert haben. Natürlich kann einem die Barth-Lektüre den Anstoß dazu geben, dass man sich verbietet, einzuschlafen und sich mit Pseudo-Rechtfertigungen durch soziale, politische und sonstige biografische Erfolge zufriedengibt. Aber das allein reicht noch nicht. Deswegen ist für mich „Der Prozess“ von Kafka so wichtig. Josef K. soll an seinem dreißigsten Geburtstag im Gericht schriftlich über sein Leben Rechenschaft ablegen. Als er merkt, dass er sein Dasein mit dem, was er vorzubringen hat, nicht rechtfertigen kann, beginnen seine vergeblichen Bemühungen. Er geht zu Anwälten, zu Künstlern und schließlich in die Kirche zum Priester. Je mehr er sich um die eigene Rechtfertigung bemüht, desto klarer wird ihm, dass er nicht gerechtfertigt ist. Ihm fehlt da etwas. Wer diesen Roman von Kafka liest und sich nicht mit diesem Thema auseinandersetzt, kann ihn eigentlich überhaupt nicht fertig lesen. Es ist ein so radikales Buch. Der Schluss ist ein inszenierter Selbstmord von diesem K. Man kann das nicht bloß als Belletristik lesen.

Mehr: theeuropean.de.

VD: TB

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