John Frame: Neue Ideen für das theologische Seminar

Das nachfolgende Plädoyer „Neue Ideen für das theologische Seminar“ entstand vor über 40 Jahren und war von Professor John Frame als nützliche Provokation gedacht. Die ebenfalls hier abgedruckten Nachbemerkungen aus dem Jahr 2001 relativieren so manche Spitzen. Dennoch sollte der Text auch im deutschsprachigen Raum Beachtung finden. Frames’ Anliegen, dass nämlich beim Studium der Theologie die Gemeinde, die Charakterbildung und die Liebe zu Gott im Fokus bleiben müssen, sind möglicherweise aktueller denn je.

Neue Ideen für das theologische Seminar

John M. Frame

 

1 Zur gegenwärtigen Lage

In den Anfängen des amerikanischen Protestantismus wurde die Ausbildung zukünftiger Pastoren generell von den Pastoren der jeweiligen Gemeinden übernommen. Wer den Ruf Gottes für den Dienst vernahm, musste sich für seine Ausbildung an seinen Pastor wenden. Er hatte einen Dienst in der Kirchgemeinde zu versehen und musste mitunter im Haus des Pastors wohnen. Woran es genau lag, weiß ich nicht, aber irgendwann war man mit dieser Situation nicht mehr zufrieden. Wahrscheinlich wurden die Pastoren, die über die ausreichende Begabung und die Bereitschaft verfügten, Studenten theologisch auszubilden, immer weniger; mit zunehmender Allgemeinbildung dürfte der Ruf nach Pastoren mit besserer Bildung laut geworden sein, nach einer „gelehrten Geistlichkeit“, wie man zu sagen pflegte. Jedenfalls wurde die theologische Ausbildung aus verschiedenen Gründen institutionalisiert und auf die Universitäten verlegt. Die Akademie schien unvermeidbar. In Deutschland übernahm die Universität die theologische Ausbildung; überhaupt war eine universitäre Laufbahn das einzige anerkannte Modell für die institutionalisierte Ausbildung welcher Fachrichtung auch immer.

1848, nach 34 Jahren Vorstandstätigkeit am Princeton Theological Seminary, schrieb Pastor Gardiner Spring ein Buch mit dem Titel „The Power of the Pulipit“ (dt. „Die Kraft der Kanzel“). Er verglich darin die Generation der Pastoren, die ihre Ausbildung in Lehranstalten genossen hatten, mit jener, die sie noch bei ihrem Pastor erhalten hatten. So sehr Spring sich dem Wirken Princetons verpflichtet wusste, war ihm keineswegs daran gelegen, die Uhr zurückzudrehen (an eine Auflösung der universitären Lehrgänge bei gleichzeitiger Rückkehr zum Althergebrachten war nicht zu denken). Dennoch gab er zögernd zu, dass die ältere Generation der jüngeren in Sachen pastoraler Wirksamkeit und geistlicher Reife in bedeutsamer Weise überlegen war. Er setzte sich deshalb stark dafür ein, dass das universitäre Kollegium die Studenten im Blick behielt, nicht nur was ihren Ausbildungserfolg anbelangte, sondern auch im Hinblick auf ihre gesellschaftliche und geistliche Entwicklung. Das Kollegium sollte sich aus Männern mit umfangreicher pastoraler Erfahrung rekrutieren; kein Student sollte zum Dienst ordiniert werden, bevor er nicht eine Zeitlang als Assistent eines erfahrenen Pastors gearbeitet hatte.

Das Jahr 1848 wird in den Geschichtsbüchern gerne als „Revolutionsjahr“ bezeichnet, doch Gardiner Springs „Revolutionsbestreben“ verlief schnell im Sande: Die Lehranstalten nahmen stattdessen an „akademischer“ Prägung noch zu.

Diese Entwicklung war freilich vonnöten, wollten die Seminare ihr akademisches Ansehen in einer Welt sichern, in der die universitäre Messlatte immer höher gesetzt wurde. Manche verteidigten diese Entwicklung sogar mit theologischen Gründen: Die Bildung des geistlichen Charakters war Aufgabe der Gemeinde, nicht der akademischen Institute; es sei also nicht rechtens, wenn die Akademien die Aufgabe der Gemeinden übernähmen, indem sie auch noch die geistliche Förderung ihrer Studenten in den Lehrplan aufnehme. Professoren mit pastoraler Erfahrung haben das immer getan und tun das noch bis heute. Mit den Jahren aber wurde es immer schwieriger, ein guter Pastor und hervorragender Gelehrter zu sein. So waren die Seminare gezwungen, sich zu entscheiden, und sie entschieden sich für letzteres. Nachdem Springs Vorschlag in Vergessenheit geraten war, ein angehender Pastor solle zunächst eine Art „Lehrzeit“ absolvieren, bevor er in den Dienst trat, ist er erst neulich wieder ins Gespräch gekommen. Die meisten Ausbildungsstätten verlangen von ihren Schülern heute mindestens ein Praktikum.

Es hat bislang noch niemand ergründet, wie man diese Erfahrungen pädagogisch umsetzt, ohne sich fürchterlich zu blamieren. Es hat auch noch niemand einen praktischen Weg entdeckt, die Wirksamkeit eines solchen Vorhabens abzuschätzen.

Die Ergebnisse dieser Art von pädagogischer Maßnahme haben mich nicht sonderlich ermutigt.

Während sich die theologischen Ausbildungsstätten weigern, die „Aufgaben der Gemeinde“ zu übernehmen, geht die Kirche davon aus, dass die Seminare voll ausgebildete Pastoren ins Feld schicken. Die angehenden Pastoren erhalten so aber in vielen wichtigen Bereichen keinerlei Ausbildung. Selbst in praxisbezogenen Lehrgängen wie Christliche Pädagogik und Missionswissenschaft werden die Studenten eher zu Akademikern ausgebildet als zu Pastoren. (Die Qualifikationen der beiden Berufe unterscheiden sich voneinander, auch wenn es Überschneidungen gibt.) Die meisten werden nicht einmal gute Theologen, denn sie füllen sich den Kopf mit Wissen, lernen aber kaum, selbständig zu denken und wissenschaftlich zu forschen. Derlei „wissenschaftliche“ Ausbildung macht Studenten zur leichten Beute jeder neuen theologischen Marotte, die sich damit brüstet, sich auf „wissenschaftliche“ Fundierung stützen zu können.

Ein weiterer Punkt: Die „wissenschaftlichen“ Studienbereiche haben keinen klaren Bezug zur praktischen Arbeit im Dienst (oft sogar nicht einmal untereinander), so dass das Wissen der Hochschulabgänger oft aus lauter unzusammenhängenden Bruchstücken besteht.

Am schlimmsten aber – so scheint mir – ist der Umstand, dass die meisten Graduierten geistlich nicht auf die Herausforderungen ihres Dienstes vorbereitet sind. Die Ausbildungsstätten wollen nicht nur nicht „die Aufgaben der Gemeinde“ übernehmen, sie tendieren sogar dazu, sie zunichtezumachen. Studenten, die ein „geistliches Treibhaus“ erhofften, sehen sich enttäuscht: Das Seminar stellt sich oft als einzige Glaubensprüfung heraus. Die erdrückende Lernlast, die oft geisttötenden und nutzlosen Einzelseminare, die finanziellen Schwierigkeiten, die überbeschäftigten Professoren, die gleichermaßen überlasteten Kommilitonen – alles trägt zur geistlichen Schwächung bei. Ich kenne viele Studenten, die in ihrer Ausbildungszeit dem Gottesdienst fernblieben, während andere auf der fruchtlosen Suche nach echter christlicher Gemeinschaft von Gemeinde zu Gemeinde stolperten, nicht gewillt (oder wie manche sagten: „außerstande“), selbst genug beizutragen, um eine solche Gemeinschaft erst zu ermöglichen.

Immer wieder tauchen neue theologische Ausbildungsmodelle auf. Sie versprechen, wenigstens einigen der obengenannten Missstände abzuhelfen. Die „Straßenlehrgänge“ in Chile stellen sicher eine interessante Entwicklung dar, doch wie C. Peter Wagner bemerkt, würden dort zwar eindrucksvolle pastorale Fähigkeiten vermittelt, aber leider um den Preis biblischer Fundierung. Meiner Meinung nach können wir von Francis Schaeffers L’Abri in der Schweiz viel über die Ausgewogenheit im Hinblick auf theoretische und praktische Anweisungen lernen, doch angehende Pastoren lernen dort nicht, Gemeinden zu gründen und zu erhalten. Das „Coral-Ridge-System“ [gemeint ist „Evangelism Explosion“, gegründet von James Kennedy, Anm. d. Redaktion] könnte die universitären Lehrpläne zur Ausbildung künftiger Evangelisten mutatis mutandis durchaus bereichern. Auch andere Ausbildungsformen, selbst unkonventionellere wie das der Jesus People, sind es wert, über sie nachzudenken. Andererseits sollten wir stärker über den ältesten „traditionellen“ Ansatz überhaupt nachdenken – über die Möglichkeit, die theologische Ausbildung im Haus eines Pastors zu absolvieren. Mein Vorschlag (siehe unten Punkt 3) hat von allem etwas. Doch bevor wir uns um einen neuen Ausbildungsansatz kümmern, müssen wir uns darüber klarwerden, was wir hier überhaupt versuchen und weshalb. Dazu müssen wir einen Blick in die Heilige Schrift werfen.

2 Einige biblische Grundsätze

2.1 Die erforderliche Eignung für den Dienst in der Gemeinde ist geistlicher Natur

(1) Charakterzüge. Es ist bemerkenswert: Die Qualifikationen für Gemeindediener haben der Heiligen Schrift nach (insbesondere 1Tim 3,1-13; 1Petr 5,1-3), fast ausnahmslos mit einem gottesfürchtigen Wesen zu tun. Es sind allerdings Charaktermerkmale, wie sie von allen Christen gefordert werden; sie bilden keine besondere Moral, der sich nur eine geistliche Elite zu unterwerfen hätte. (Beachte die Parallele 1Tim 3,1ff/Tit 2,1ff.; der Titusbrief richtet sich vielleicht an ältere Männer im allgemeinen, nicht an Gemeindeälteste). Ein Mann kann also kein Amt empfangen, es sei denn, diese Wesenszüge eignen ihm in besonderem Maß. Das NT führt diese Eigenschaften generell auf einen übernatürlichen Ursprung zurück – es sind „Früchte des Geistes“ (Gal 5,22). Ohne Gottes Geist gibt es diese Merkmale nicht, denn ohne ihn können wir Gott nicht gefallen (Röm 8,8 im Kontext). Der Charakter eines Gemeindedieners ist also eine Gabe des Geistes.

(2) Fähigkeiten. Ein Gemeindediener ist aber auch jemand, der etwas ganz bestimmtes tun kann. Die Grenze zwischen diesen beiden Kategorien ist nicht scharf, denn einen „guten Charakter“ zu besitzen bedeutet ebanfalls, „fähig sein“ zu beten, Versuchungen zu widerstehen, Christus zu bezeugen und demütig zu handeln. Gemeindediener jedoch haben besondere Verantwortung: Sie müssen die Gemeinde „hüten“ (Apg 20,28; 1Petr 5,2; vgl. Joh 21,15ff.), indem sie sie maßregeln und lehren (2Tim 4,2; 1Tim 5,17; 3,2; 4,16). Lehre und Aufsehergabe sind Fähigkeiten, über die ein Gemeindediener in hohem Maße verfügen sollte, und auch dies sind nichts weniger als Gaben des Heiligen Geistes (Röm 12,7-8).

(3) Erkenntnis. Soll ein Mann theologisch wirksam sein und eine Gemeinde im Namen Gottes beaufsichtigen, so muss er Gott und dessen Wort kennen (Tit 1,9; 2Tim 3,14-17; 1Joh 5,13-21). „Gotteserkenntnis“, „Erkenntnis des Herrn“ oder „Erkenntnis der Wahrheit“ – diese biblischen Begriffe sind niemals bloß wissenschaftliche Errungenschaften. Den Gott der Bibel zu kennen bedeutet, Gottes „Diener des Bundes“ zu sein und ihm entsprechend zu gehorchen (Jer 22,16).

Die „Erkenntnis Gottes“ stimmt also genau mit den Eigenschaften eines christlichen Charakters (wie unter Punkt 1 angegeben) überein. Doch diese „bundesgemäße Erkenntnis“ enthält selbstverständlich auch grundlegendere Kenntnisse: Wer ist Gott? Was hat er gesagt und getan? Jede unverwechselbar christliche Erkenntnis jedoch, sei sie nun informatorisch oder allgemeiner bundesmäßig, ist ebenfalls Gabe des Heiligen Geistes (1Kor 2,11; 12,8).

2.2 Die Ausbildung für den Dienst ist selbst Dienst am Wort

Wir haben gesehen: Der Geist befähigt seine Diener mit Charakter, Geschick und Erkenntnis, wie sie für ihre Arbeit vonnöten sind. Daraus dürfen wir jedoch nicht schließen, dass diese Eigenschaften nicht auch vermittelt werden können. Der Geist bedient sich vielerlei Möglichkeiten, den Menschen seine Gaben zu schenken und zu mehren, weshalb die Schrift uns anleitet, nach diesen Gaben des Geistes auch zu „streben“ (1Kor 12,31) und sie in uns zu „erwecken“ (2Tim 1,6; vgl. 1Tim 4,14).

Die Bibel geht geradezu davon aus, dass Charakter, Fähigkeiten und Erkenntnisse gelehrt werden können, aber eben nur auf unverwechselbar „geistliche“ Weise:

(1) Durch das Wort. Die Gabe des Geistes erhält, wer dem Wort Gottes gehorcht (Apg 10,44; 1Kor 2,4.12f; Eph 1,13; 6,17; 1Thess 1,5; 1Petr 4,6; 1Joh 3,24; 1Kor 14,37). Das Wort selbst wird durch den Geist ermächtigt, diese Absicht zu erfüllen (1Kor 2,4; 1Thess 1,5). Es ist das Wort Gottes, was uns „ganz zubereitet und zu jedem guten Werk völlig ausrüstet“ (2Tim 3,17). Die Bibel selbst gibt Anweisungen zur christlichen Charakterbildung, zur Erlangung bestimmter Fähigkeiten und Kenntnisse (2Tim 3,15-17). Sie führt uns zu Jesus Christus (Joh 5,46; 20,31), der Quelle all dieser Dinge (Eph 4,7-16; 1Kor 1,30; Kol 2,9-10). Gott schenkt der Gemeinde auch Lehrer, die fähig sind, den Hörern sein Wort zu vermitteln (Eph 4,11; Tit 2,3); diese Lehrer übermitteln „gesunde Lehre“, d. h. Lehre, die der geistlichen Gesundheit (gr. hygiainos) förderlich ist (Tit 1,9).

(2) Durch das Beispiel: Der Lehrer vermittelt seine Lehre nicht nur in Wort, sondern durch seinen Lebenswandel (1Kor 4,16; 11,1; Phil 3,17; 4,9; 1Thess 1,6; 2Thess 3,9; 1Tim 4,12; 2Tim 3,10ff.; Tit 2,7; 1Petr 5,3). Die Lehre durch ein beispielhaftes Leben ist dabei keine Fortsetzung der Lehrtätigkeit mit anderen Mitteln, sondern eher eine Erweiterung des Wortes: „Beispielhafte Menschen“ sind Menschen, in denen das Wort Gottes Wurzel gefasst hat, Männer, die es kraftvoll verkünden können (beachte die Verbindung zwischen 1Thess 1,5 u. 1Thess 1,6). Dem Beispiel eines Menschen zu folgen bedeutet also auch, seine Lehre anzunehmen (beachte die Verbindung zw. 1Kor 11,1 u. 1Kor 11,2).

(3) Durch Erfahrung. Wir lernen auch durchs Tun – Gehorsam wird erlernt, indem man gehorcht. Heiligung führt zu noch mehr Heiligung. Wenn wir unsere Leiber als lebendiges Opfer darbringen, „beweisen“ wir damit, was Gottes Wille ist (Röm 12,1-2 – wir erlangen Erkenntnis über den Willen Gottes und beweisen unsere Zustimmung; Eph 5,8-10.15-17; Kol 1,10; Phil 1,9-10). In der Ausübung unserer Geistesgaben erhalten wir die nötige Übung (gymnazo), um Gut und Böse zu unterscheiden (Hebr 5,14). Wir brauchen die Erfahrung des Wortes (Hebr 5,13). Diese Art des Lernens steht – ich wiederhole es – nicht im Gegensatz zur Lehre des Wortes. Es ist vielmehr die Art, in der das Wort uns belehrt. Durch den Gehorsam gegenüber dem Wort lernen wir seine Bedeutung immer besser kennen; wir lernen Stück für Stück, in Übereinstimmung mit dem Wort zu leben. Das Wort selbst darf nicht einfach als wissenschaftlicher Text studiert werden, sondern muss durch das tägliche Leben „studiert“ werden. Wir dürfen nicht erwarten, dass wir zuerst die Heilige Schrift verstanden haben müssen, bevor wir ihr gehorchen können, denn gehorchen und erkennen geschieht gleichzeitig; der Gehorsam ergänzt und stützt die Erkenntnis und umgekehrt. Sei die Lehre nun „durch das Wort“, „durch das Beispiel“ oder „durch die Erfahrung“ – immer ist sie Dienst am Wort Gottes. Durch diesen Dienst lernen wir, dem Wort im Alltag zu gehorchen.

2.3 Die Ausbildung für den Dienst ist das Werk der Gemeinde

Wir haben gesehen: Die Ausbildung für den Dienst geschieht durch die Lehre des Wortes Gottes im praktischen Leben des Menschen. Wer ist geeignet, das Wort Gottes zu lehren? Die biblische Antwort ist deutlich: Lehrer der Gemeinde. Lehrer des Wortes werden vom Geist Gottes gegeben, sie werden der Gemeinde als „Leib Christi“ gegeben (Eph 4,11, im Zusammenhang V. 4-16; vgl. Röm 12,5-7; 1Kor 12,27f.). Lehrer haben innerhalb der Gemeinde den Status eines „Ältesten“; sie haben Anspruch auf finanzielle Vergütung durch die Gemeinde (1Tim 5,17). Um einen Lehrer des Wortes auszubilden, bedarf es selbst eines Lehrers des Wortes; im Neuen Testament ist es die Gemeinde, die die Lehre des Wortes anerkennt, verwaltet und davon profitiert. Ein theologisches Seminar, das nicht „die Arbeit der Gemeinde“ tut, bildet auch keine Diener des Wortes aus.

3 Der Vorschlag

Als erstes schlage ich vor, das akademische Modell ein für alle Mal einzumotten – Abschlüsse, Beglaubigungen, Anstellungen, Werke usf. Ich will damit keineswegs den Unterricht im Klassenzimmer schmälern, was die Ausbildung für den Dienst anlangt, im Gegenteil: Für manche Bereiche wird er unabdingbar bleiben, zum Beispiel im Hinblick auf die biblischen Sprachen. Ich will auch nicht sagen, Noten, Stunden und Abschlüsse seien kein Indikator der theologischen Ausbildung. Unzweifelhaft wird jemand, der unter sonst gleichen Umständen gute Leistungen im Fach „Kirchengeschichte“ erbringt, ein besserer Diener der Gemeinde sein als einer, der die Ausbildung nicht schafft.

Das Problem liegt jedoch darin, dass ebendiese „Umstände“ niemals gleich, aber von entscheidender Bedeutung sind – sie müssen bei der Vorbereitung auf ein Lehramt besonders ins Kalkül gezogen werden. Das Räderwerk der Universitäten ist schlicht außerstande, einzuschätzen, was den Unterschied ausmacht – den Gehorsam eines Mannes gegenüber Gottes Wort, seine Beharrlichkeit im Gebet oder seine Fähigkeit zur Selbstbeherrschung. Wird er Aufseheramt ohne allen Stolz ausüben können? Wie steht es um die geistliche Kraft seiner Predigt für die Bekehrung von Menschen und zur Auferbauung der Gemeinde?

Der eigentliche Zweck wird verfehlt, wenn die Universität alle Mühe darauf verwendet, gute Professoren für ihre Fakultät zu gewinnen und „solide“ Curricula anzubieten (die sich mit denen von Harvard oder Yale messen können) oder abzuleistende „Semesterstunden“ zu ermitteln.

Was aber noch wichtiger ist: Diese Ausbildungsorte vermitteln einen falschen Eindruck (den Gemeinden, den Studenten und sich selbst!) bei der Frage, wie „Erkenntnis Gottes“ erlangt wird. Man müht sich ab, sich für den Dienst zu qualifizieren, indem man ein paar gute Arbeiten abliefert und sich genug Stoff einprägt, um die Prüfungen zu bestehen.

Theologische Fakultäten tun indes genau dies und leisten damit einem falschen Stolz Vorschub: Die vermittelten Kenntnisse „blähen auf“ (12Kor 8,1) und führen zu einer Art „Gnostizismus“, der die Kirche in der Vergangenheit weit von der Wahrheit des Wortes Gottes weggeführt hat.

Sollen wir einzig für jenes schmale Segment der theologischen Ausbildung, das im „Klassenzimmer“ unterrichtet werden muss, wie die biblischen Sprachen, die  „Akademien“ weiterführen? Wenn ja, dann sollten wir sicherstellen, dass diese Akademien um die Engführung dieser Absicht im Klaren sind. Sie dürften dann aber nicht länger behaupten, Männer für den Dienst am Evangelium auszubilden, oder zumindest dürften sie nicht beanspruchen, dass ihre Abschlüsse und Kurse eine solche Qualifikation rechtfertigen. Sie dürften nicht einmal behaupten, das Wort Gottes in dem Sinn zu vermitteln, wie er unter Punkt 2 (siehe oben) beschrieben ist. Solche „Akademien“ müssen unweigerlich zu einer fragmentierten theologischen Ausbildung führen. Die Studenten lernen ihre Kirchengeschichte im Unterricht, die geistlichen Eigenschaften müssen sie woanders erwerben. Ist das Fach Kirchengeschichte wirklich von Bedeutung für die Entwicklung eines gottesfürchtigen Charakters? Und zuletzt: Selbst wenn wir die „Akademie“ um dieser Absicht willen erhalten, stehen wir immer noch vor der wichtigen Frage: Wie sollen Männer wirklich auf ihren Dienst vorbereitet werden? Wenn die Akademie das nicht leistet, wer dann? Die eigentliche Ausbildung, die Entwicklung der für den Dienst nötigen Eigenschaften, muss in jedem Fall außerhalb der Bildungseinrichtungen stattfinden. Alles in allem ist aus meiner Sicht ein Neubeginn die bessere Option.

Wie wäre es mit einer positiven Alternative? Eine Kirche oder Glaubensgemeinschaft (vgl. Punkt 2.3) bildet eine Art Gemeinschaft von Christen, in der Lehrer und die Kandidaten für den Dienst samt deren Familien ein Leben in Gemeinschaft führen. Sie essen miteinander, arbeiten miteinander und lernen einander richtig kennen. Das Leben der einzelnen Christen: ihre Gewohnheiten, Naturelle, Talente, Vorlieben, Abneigungen, Kämpfe, ihr Streben nach Heiligung und auch ihr geistliches Versagen – all das soll kein Geheimnis bleiben. Lehrer und ältere Studenten wären ein „Beispiel“ für jüngere, die ihrerseits unter deren prüfenden Blick stünden. Die Gemeinschaft soll keine „klösterliche Weltflucht“ sein, sondern von der Absicht geleitet werden, die Gemeinschaft an ihrem Ort zu erbauen und zu pflegen. Jeder Lehrer, jeder Student, jede Ehefrau und jedes Kind ist eng in den Entwicklungsprozess der Gemeinde eingebunden, sei es durch Besuche, benachbarte Bibelstunden, öffentliche Treffen, Straßenpredigten und später dann (wenn die Gemeinde steht) durch Sonntagsschulunterricht, Jugendarbeit, Kirchenverwaltung usw.

Ein Lehrer erlangt seine Erfahrung für gewöhnlich im pastoralen und/oder evangelistischen Dienst. Die wichtigste Eigenschaft eines Lehrers ist sein Geschick, andere zu Lehrern heranzubilden (2Tim 2,2). Höhere Abschlüsse und besondere Gelehrsamkeit sind ebenso wünschenswert, doch Lehrer, die Lehrer unterrichten, beweisen – realistisch betrachtet – ohne solche Kenntnisse mehr Geschick; die meisten promovierten Akademiker sind wahrscheinlich recht ungeschickt für die Art der Unterrichtung, wie sie unter Punkt 2.2 beschrieben ist.

Der beste Anwärter für einen Lehrer in unserer Gemeinschaft ist ein Pastor, der seine Ältesten und seine Versammlung unterrichtet hat, so dass Lehre und Evangelisation innerhalb der Versammlung gut verbreitet sind. Selbstverständlich sollte jemand in der Gemeinde des Hebräischen mächtig sein! Ein Lehrer jedoch, wie ich ihn beschrieben habe, wird für gewöhnlich in der Lage sein, Studenten gerade soviel Hebräisch beizubringen, wie dieser für seinen Dienst benötigt.

Kein Student wird zugelassen, wenn er seinen Glauben an Christus nicht glaubwürdig begründen kann. Zuweilen wird es freilich von Nutzen sein, Nichtchristen einzuladen, um am Leben der Gemeinschaft teilzuhaben, doch am Ausbildungsprogramm kann ein Nichtchrist nicht teilnehmen. Anwärter müssen hinreichend Gründe anführen, einen Ruf für den Dienst vernommen zu haben (z.B. das Zeugnis eines Pastors oder der Versammlung). Zu Beginn wird ein Student hauptsächlich mit geringeren Arbeiten rund um das Gebäude und das Grundstück beschäftigt sein. Man erwartet von ihm, die Frucht des Geistes allgemein unter Beweis zu stellen, bevor er als Kandidat für den Dienst angenommen wird. Die Gemeinschaft wird die Qualität seines Glaubenslebens einschätzen, wird seinen „Laienbeitrag“ zum Werk der Kirche prüfen und ebenso sein Zeugnis gegen Außenstehende (Nichtchristen), insbesondere seine Fähigkeit, von den Ältesten im Herrn Zurechtweisung anzunehmen. Intensive Seelsorgesitzungen sollen verborgene Sünden zutage fördern und ebenso Charakterzüge, die dem Dienst hinderlich sind. Es wird sich zeigen, welcher Art die Umkehr ist, was diese Dinge anbetrifft.

Kann die Gemeinschaft die Tauglichkeit eines Mannes für den Dienst bestätigen, darf er offiziell ins Ausbildungsprogramm aufgenommen werden. Seine Ausbildung beginnt er in Sachen „Hausevangelisation“, indem er die Nachbarschaft unter Anleitung eines Lehrers oder eines fähigen älteren Studenten besucht. So durchläuft er nach und nach auch die anderen Phasen des Dienstes: Straßenpredigt, Bibelunterricht für Anfänger und Fortgeschrittene, schließlich die Sonntagspredigt und zuletzt die pastorale Tätigkeit unter den Gemeindemitgliedern und die Übernahme verschiedener Verantwortlichkeiten innerhalb der Kirchenverwaltung. Er ist mit diesen Dingen in den Gemeinden des Ausbildungsbezirks tatsächlich beschäftigt. Halten ihn die Lehrer und die Gemeinden bereit dafür, kann er auch Positionen in größeren Verantwortungsbereichen bekleiden.

Gleichzeitig beginnt er sein formales Studium der Theologie.

Für den Anfang schlage ich einen Monat „Intensivkurs“ in Griechisch vor, danach ein konzentriertes Studium zum Inhalt des Neuen Testaments, dann Auslegung, Geschichte und Theologie. Seine Predigt und Lehrtätigkeit gründet sich damit auf dem Neuen Testament. Als nächstes sind das Hebräische und das Alte Testament an der Reihe, danach das Fach „Systematische Theologie“. Alles gründet auf dem vorhergehenden Studium der Bibel. Zuletzt Kirchengeschichte und Apologetik unter dem Gesichtspunkt der Analyse der gegenwärtigen Kultur im Licht des Wortes.

Lehrer und Studenten älteren Jahrgangs sind stets mit der Beaufsichtigung der Arbeit der jüngeren Studenten betraut. Der Bibelunterricht des Studenten wird im Beisein eines Lehrers abgehalten und nach dem Unterricht mit dem Studenten besprochen. Im Verlauf ihres Fortschritts werden die Studenten immer stärker eingeladen, selbst zu lehren und Verwaltungsaufgaben zu übernehmen: Die Fähigkeit, selbst Lehrer zu unterrichten, ist für den Dienst ebenso wichtig. Die Ehefrauen und Kinder der Studenten werden ebenfalls ausgebildet und eingeschätzt: Wie viel Wirksamkeit ist nicht schon zunichte gemacht worden, weil ihre Frauen oder Kinder das Zeugnis der Männer gehindert haben!

Es gibt keine festgelegte „Anzahl an Stunden“, die jemand braucht, um seinen „Abschluss“ zu machen. Lehrer und ältere Studenten, die mit Lehrtätigkeit zu tun haben, werden die jeweiligen Kandidaten von Zeit zu Zeit einer intensiven Einschätzung unterziehen, damit sie die Fortschritte erkennen, die dein Student im Leben und im Erwerb seiner Fähigkeiten und Kenntnisse macht. Diese Treffen sollen zutage fördern, ob jemand aus dem Ausbildungsprogramm entlassen werden muss (entweder weil Grund besteht, an seinem Ruf in den Dienst zu zweifeln oder weil Zweifel bestehen, dass das Ausbildungsprogramm den persönlichen Problemen des Studenten gerecht werden kann) oder ob er in höhere Verantwortungsbereiche aufsteigen bzw. ob er „promoviert“ und den Gemeinden für den Dienst empfohlen werden kann. Niemand erhält seinen „Abschluss“, wenn die Lehrer nicht überzeugt davon sind, dass er den Charakter, die Fähigkeiten und Kenntnisse hat, die die Heilige Schrift von einem Gemeindediener verlangt.

Das ist freilich nur ein Vorschlag, eine Richtung, die wir einschlagen können.

Ich glaube aber, dass diese Richtung schriftgemäß ist.

Nachbemerkung (1979)

Ich habe diesen „Vorschlag“ 1972 geschrieben; vor einem Jahr ist er nun im Journal of Pastoral Practice (II/1, Winter 1978, S. 10-17) erschienen, nachdem er von sechs anderen christlichen Zeitschriften abgelehnt worden war. Die letzten sieben Jahre habe ich jede Menge wertvoller Anregungen erhalten und habe meinen Vorschlag immer wieder überdacht. Immer noch halte ich die Grundgedanken meines Vorschlags für sehr tragfähig, wenngleich ich heute einige Bemerkungen anfügen möchte:

  1. Ich hätte deutlicher machen sollen, dass ich diese „neue Ausbildungsmethode“ in den Kontext einer bestehenden Gemeinde eingebettet sehe und nicht als eine Institution außerhalb, denn das stünde völlig gegen das Argument, das ich im 2. Teil vorgebracht habe. Ich meine eine Gemeinde mit Vollzeitlern, Ältesten, Diakonen und Männern bzw. Frauen, Jungen und Mädchen, eine Gemeinde wie jede andere auch, mit dem Unterschied, dass besonderes Augenmerk auf die Ausbildung von Gemeindedienern gelegt wird, eine Art „Sonderprogramm“, wenn Sie so wollen. Dieses Sonderprogramm umfasst die Gründung weiterer Gemeinden (eine Sache, die freilich auch ohne dieses „Sonderprogramm“ durchgeführt werden kann). Dieses Sonderprogramm könnte durch Presbyterien und andere Gemeinden unterstützt und gefördert werden. Aber es ist und bleibt Aufgabe der Gemeinde. Die Studenten werden gleich ausgebildet wie wir alle – innerhalb der Gemeinde.

  2. Ich stehe heute der Gemeinde im Sinn einer „Kommune“ eher skeptisch gegenüber; die Privatsphäre ist zweifellos wichtig. Und ich glaube, wenn die Gemeinde (im obigen Sinn) eine wirklich gute Gemeinde ist, verbringen die Studenten ausreichend Zeit miteinander und auch mit den Ältesten, Pastoren und Diakonen, so dass die Gemeinde in der Lage ist, Leben und Lehre der Studenten im Auge zu behalten. Wahrscheinlich ist ein „Klosterleben“ weniger wünschenswert, als ich es im „Vorschlag“ beschrieben habe. Studenten und Familien sollten in Gemeinschaften leben, zu denen nicht nur Christen, sondern auch Nichtchristen Zugang haben. So „funktioniert“ schließlich die reale Welt. Aber sie sollen ausreichend miteinander arbeiten und Gemeinschaft mit ihren Glaubensgeschwistern pflegen, so dass einer des anderen Last tragen kann. Weniger sollte eine Gemeinde nicht voraussetzen.

  3. Die Frage, die mir am öftesten gestellt wurde, lautet: Was wird in diesem „System“ mit den Theologen? Wie kann eine gemeindezentrierte, dienstzentrierte Form der theologischen Ausbildung je einen Bejamin Warfield oder einen Herman Bavinck hervorbringen? Nun, als Erstes wird man im Gedächtnis behalten müssen, dass sich unser gegenwärtiges System in dieser Hinsicht wohl selbst keiner guten Arbeit rühmen dürfen wird (vgl. Punkt 2 meines „Vorschlags“). Unsere Theologen sind hauptsächlich mit Dingen beschäftigt, für die sie gar nicht ausgebildet sind – die Ausbildung von Gemeindedienern.

Das gereicht den Studenten zum Nachteil, und nicht nur ihnen, sondern auch den Theologen, denn die Gelehrten haben auf diese Weise nur wenig Zeit für Forschung. Es ist, als wenn professionelle Mathematiker nichts anderes zu tun hätten, als Buchhalter ausbilden.

Ich schlage vor, dass wir innerhalb der Gemeinde ebenfalls so etwas wie Ausbildungszentren für Theologen einrichten, ähnlich den Ausbildungszentren für angehende Pastoren (siehe „Vorschlag“). Während sich letztere um die Ausbildung der Diakone und Ältesten kümmern, wären erstere damit beschäftigt, Theologen heranzubilden (ob sie dann zu Dienern der Gemeinde werden oder nicht). Kehrten wir damit zum Gegensatz Theologie/Gemeinde bzw. Theologie und Dienst oder auch Theologie und Leben zurück? Nein. Das Bildungszentrum für theologische Forschung wird – wie das für Diener der Gemeinde – Teil der Kirchengemeinde sein. Es wird bestrebt sein, der Gemeinde zu dienen. Es wird dem Wort dienen, indem es in Dialog tritt mit nichtchristlichen Gelehrten auf der Universität. Die Theologie würde so als „praxisbezogene Anwendung“ gelehrt, als Teil des Lebens, und dennoch würden spezielle Begabungen, Anliegen und Bedürfnisse jener erkannt, die eher in Richtung Forschung tendieren.

Damit soll nicht gesagt sein, dass die Gelehrten einer Gemeinde kein universitäres Studium absolvieren sollen! Auch diese Gelegenheit sollte gegeben sein! Doch die meisten Gelehrten müssen zunächst im Wort gegründet sein, bevor sie Philosophie, Geschichte oder Semitistik studieren. Darum besuchen auch viele von ihnen zunächst ein Seminar, bevor sie auf die Universität gehen. Ich will damit nur sagen: Statt die herkömmlichen Seminare zu besuchen, könnten Gelehrte es vielleicht für profitabler halten, sich zunächst in die Art von Gemeinschaft zu begeben, wie ich sie oben beschrieben habe.

Nachbemerkung (2001)

Kaum zu glauben, es ist nun bereits fast dreißig Jahre her, seitdem ich dies geschrieben habe. Es belustigt mich, zu sehen, was ich schrieb, als ich jünger, kühner und drastischer war. Seither bin ich wahrscheinlich etwas milder geworden. Mein Herz schlägt aber immer noch für meinen damaligen „Vorschlag“.

Meine Arbeit hat nicht gerade großem Beifall geerntet, aber sie hat für ausreichend Interesse gesorgt, so dass ich gelegentlich scherzhaft von einer „Fangemeinde“ sprechen kann.

Die „Situation“, wie ich sie oben beschrieben habe, war damals sicher ein wenig überzeichnet. Heute gibt es eine ganze Reihe von Ansätzen, das gängige theologische Bildungsprogramm zu hinterfragen. Viele Gemeinden haben heute ihre eigenen Ausbildungsstätten. So gibt es in meiner eigenen Gemeinde (Presbyterian Church of America) das Knox Seminary, das eng mit der Coral Ridge Presbyterian Church verbunden ist, daneben Seminare, die mit der Spanish River Presbyterian Church in Boca Raton (Florida) und der Briarwood Presbyterian Church in Birmingham (Alabama) zusammenarbeiten. Die beiden letzteren bieten anerkannte Lehrgänge an, auf denen Professoren des Reformed Theological Seminary lesen. Hier wird der ernsthafte Versuch der Verschmelzung praktischer und theologischer Ausbildung gewagt.

Dann gibt es aber auch herkömmliche Bildungseinrichtungen, die Männer hervorragend auf ihren Dienst vorbereiten. Vielleicht habe ich 1972 die Mängel der Ausbildungsstätten zu stark betont. Heute wäre ich froh darüber, wenn meine Söhne am Reformed Theological Seminary studierten, wollte Gott sie in diese Richtung lenken. Es gibt aber durchaus Seminare, von denen ich ihnen aber aufs dringendste abraten würde. Doch wir können und sollten bessere Wege beschreiten.

Was mich selbst angeht, habe ich immer auf traditionellen, akademisch orientierten Seminaren gelehrt und werde das vermutlich für den Rest meines Lebens tun. Es entspricht meiner Begabung. Ich glaube nämlich nicht, dass ich auf einer Bildungseinrichtung, wie ich sie im „Vorschlag“ beschrieben habe, große Erfolge erzielte. Dafür mangelt es mir einfach an „sozialer Kompetenz“. Ich bin sozusagen ausschließlich für wissenschaftliche Arbeit geeignet, auch wenn meine Interessen in erster Linie praktischer Natur sind, aber gut – mit dieser Spannung muss ich leben. Ich selbst könnte kein Seminar gründen, das nach meinem „Vorschlag“ funktioniert und auch keines, für das ich Geldmittel sammeln müsste.

Die Ökonomie der theologischen Ausbildung ist ein Gegenstand, der in diesem Zusammenhang geprüft werden muss. Das ist meine Aufgabe nicht. Das Volk Gottes braucht eine Vision, eine Vision für die theologische Bildung! Hat es sich nicht auch bewegen lassen, verschiedene Missionen zu unterstützen? Wollten die Gemeinden zu Bildungseinrichtungen werden, die dem Geist meines „Vorschlags“ folgen, so dürfte man gewiss damit rechnen.

– – –

John Frame ist Professor für systematische Theologie u. Philosophie am Reformed Theological Seminary (Orlando, Florida, USA). Er hat bisher 15 Bücher veröffentlicht, zu seinen Hauptwerken zählen: The Doctrine of the Knowledge of God (1987), The Doctrine of God (2002), The Doctrine of the Christian Life (2008) und The Doctrine of the Word of God (2010).

Erschienen ist die deutsche Ausgabe zuerst in Glauben & Denken heute 1/2015, Nr. 15, S. 13–19. Wiedergabe des Textes mit freundlicher Genehmigung. Übersetzung von Ivo Carobbio.

 

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8 Jahre zuvor

Sehr interessanter Artikel! Interessant ist auch, wie John Frame 30 Jahre später dazu steht. Dennoch denke ich, dass er in seiner Analyse die grundzätzliche Problematik gut herausgearbeitet hat. Trotz neuen Ansätzen bleibt m.E. eine gewisse Spannung bestehen. Optimal ist natürlich, wenn ein guter Charakter, geistliche Reife und eine gute fundierte theologische Ausbildung zusammenkommen. Aufgrund meiner Beobachtungen machen mir v.a. folgende Dinge Sorgen: 1) Dass theologische Ausbildungsstätten bei der Auswahl / Eingnung der Bewerber falsche Kompromisse eingehen, um genügend Studenten (und damit Einnahmen) zu bekommen. 2) Dozenten an den Ausbildungsstätten oft zu sehr eingespannt sind, um eine gute persönliche Begleitung der Studenten zu gewährleisten. 3) Der Trend nach immer „höheren“ akademischen Abschlüssen. Ich habe grundsätzlich nichts gegen höhere akademische Studien, das hat durchaus seine Berechtigung und seinen Platz. Aber ich habe schon immer wieder den Eindruck, dass die Anerkennung (nicht nur der Welt) durch einen Titel oft mehr Raum einnimmt, als gut ist. Stellenweise habe ich den Eindruck, dass die Gemeinde… Weiterlesen »

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