Origenes: Aufforderung zum Martyrium

9783110205053.gifRezension zum Buch:

  • Maria-Barbara von Stritzky, Origenes: Aufforderung zum Martyrium, Origenes Werke mit deutscher Übersetzung, Band 22, Berlin: Walter De Gruyter / Freiburg: Herder, 2010, ISBN-13: 978-3451329487, 130 S., € 59,95

Weil sich die ersten Christen dem Kaiserkult verweigerten, waren sie mitunter schweren Verfolgungen ausgesetzt. Einige Kirchenväter haben das Problem der Verfolgungen literarisch verarbeitet. Die Schrift Aufforderung zum Martyrium (lat. Exhortatio ad martyrium) des alexandrinischen Kirchenvaters Origenes (185–253 o. 254) gehört zu den theologischen Traktaten, in denen Christen auf Prüfungen vorbereitet und zur Standhaftigkeit im Glauben bis hin zum Martyrium aufgefordert werden.

Die Schrift wurde von Maria-Barbara von Stritzky aus dem Griechischem neu übersetzt und erschien 2010 bei Herder und De Gruyter in der zweisprachigen Werkausgabe als Band 22. Wie alle Schriften in dieser hochwertigen Reihe enthält auch die Exhortatio eine ausführliche Einleitung und ist mit hilfreichen Erläuterungen zum Text versehen. Der Buchsatz ist sehr übersichtlich gestaltet. Im Anhang findet sich neben der Bibliographie ein Bibel- und Origenesstellenregister sowie ein Namens- und Sachverzeichnis.

Die Exhortatio bezeugt durchgehend, dass Origenes beim Schreiben von einer bevorstehenden Verfolgung ausging. Wahrscheinlicher Abfassungsort ist Caesarea Maritima in Palästina, wo sich Origenes nach seiner Exkommunikation aus der Gemeinde in Alexandria um 230 ständig aufhielt. Ob die von ihm befürchtete Verfolgung tatsächlich eintrat, ist unklar.

Maria-Barbara von Stritzky skizziert in ihrer Einleitung fünf Elemente der Martyriumstheologie des Origenes. Das Martyrium ist a) in erster Linie ein Geschenk der Gnade Gottes sowie „eine Berufung, der der Christ gehorchen muss“ (13). Origenes unterscheidet b) zwischen zwei Arten des Martyriums. Beim Martyrium in der Öffentlichkeit steht der Zeugnischarakter im Fokus, das Martyrium im Verborgenen ist dagegen nur Gott bekannt. Der Autor thematisiert c) zudem den Kampf gegen dämonische Mächte. „Origenes weiß um die Versuchungen, von denen die Märtyrer heimgesucht werden, denn der Dämon wendet alle ihm zur Vertilgung stehenden Waffen an, um den Christen zum Abfall vom Glauben zu bewegen. Dazu gehören Täuschung und List ebenso wie der Zweifel hinsichtlich der Notwendigkeit, den Forderungen der staatlichen Behörden zu widerstehen. Diese versuchen teils durch Drohung mit Folter und Schwert die Christen gefügig zu machen, sie teils auch durch Überredung, Verlockung und scheinbar überzeugende Gründe zu bewegen, zur ererbten Religion zurückzukehren“ (18). Das Martyrium ist d) ein Ausdruck der Liebe zu Gott und Nachfolge Christi. „Im Einklang mit der Frühen Kirche betrachtet Origenes das Martyrium als Vollendung des christlichen Lebens. Es ist die dankende und liebende Antwort des Christen auf die Liebe Gottes zu ihm, die in seiner besonderen Berufung besteht und ihn ganz erfüllt“ (20). Das Martyrium wird e) ferner als zweite Taufe zur Vergebung der Sünden interpretiert. Da Christen auch nach der Taufe sündigen können und die Wiedertaufe abgelehnt wird, breitete sich seit dem 3. Jh. die merkwürdige Vorstellung von sündenvergebenden Kraft des Martyriums aus. So spricht Origenes von der Taufe des Martyriums, die den Christen gegeben worden sei (vgl. Exhortatio, 30). Er schreibt der „Bluttaufe“ sühnende Wirkung zu, die denen, die darum bitten, „Vergebung der Sünden“ vermittelt (Exhortatio, 30). Schließlich beschreibt Origenes f) den Lohn, der auf diejenigen wartet, die ihr Leben für Christus hingegeben haben. Märtyrer erlangen das wahre und ewige Heil allerdings nicht aufgrund eigener Leistung, denn Heilsmittler bleibt Jesus Christus. Der „Lohn ist kein irdischer Besitz, sondern die Teilhabe an der eschatologischen Herrschaft Christi, die aus dem Trinken des Leidenskelches resultiert“ (23–24).

Origenes betont in Übereinstimmung mit der platonischen Philosophie die Kostbarkeit der Seele. Die Seele ist zu Schau Gottes geschaffen. Da der Körper die „Seele an der beseligenden Erkenntnis Gottes hindert“, kann er dem Glaubenstod durchaus etwas Gutes abgewinnen. Es gilt, durch das Martyrium die Fessel des Körpers abzulegen, „um in der Gemeinschaft mit Jesus Christus die Ruhe der Seligkeit zu genießen“ (24).

Origenes ermahnt die Gläubigen, unanstößig und friedliebend zu sein (Exhortatio, 42). Nachfolger Jesu ertragen ungerechte Verfolgungen duldsam. „Als Söhne des langmütigen Gottes und Brüder des langmütigen Christus wollen wir Langmut zeigen bei allem, was uns widerfährt“, schreibt der Kirchenvater (Exhortatio, 43). Sie wehren sich mit geistlichen Waffen der Gerechtigkeit und ertragen, was immer auf sie zukommt. Es wäre ein Perversion – bemerkt Jan-Heiner Tück in seiner Buchbesprechung (NZZ vom 22.01.11) – wollte man, wie beispielsweise Jan Assmann, die christliche Märtyrertheologie „mit einem militanten Gotteskriegertum gleichsetzen, das anderen im Namen der Wahrheit Gewalt antut“. Die christliche Antwort auf die Gewalt der Peiniger ist Gewaltlosigkeit. „Der Zeuge Christi, der sich in diesem Kampf bewährt, erduldet Gewalt, aber er übt sie nicht.“

Ron Kubsch

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4 Kommentare
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Alexander
12 Jahre zuvor

Sehr gut, dass diese Schrift nun in einer neueren deutschen Übersetzung zugänglich ist (zumindest in Bibliotheken zugänglich, denn 60 Euro wird wohl kaum jemand privat für 130 S. ausgeben). Es steht viel richtiges darin, auch wenn die Idee der ‚Bluttaufe‘ wirklich kurios ist. Ich habe nie darüber nachgedacht, aber wahrscheinlich resultiert u.a. aus dieser Idee der ‚Bluttaufe‘ der vielleicht etwas zu starke Martyriums-Enthusiasmus des 2. und 3. Jh.s.

Ich würde die historische Ursache für die Verfolgungen allerdings nicht primär in der Verweigerung des Kaiserkults sehen, wie Du einleitend schreibst. Der Kaiserkult wird m.E. als Ursache der Verfolgungen überschätzt.

Rick Nivers
12 Jahre zuvor

„Das Martyrium ist … in erster Linie ein Geschenk der Gnade Gottes“

Ohne Worte.

Alexander
12 Jahre zuvor

Die Christenverfolgungen (man muss den Plural verwenden) in der Zeit vor der Konstantinischen Wende sind eine vielschichtige Angelegenheit. Bis in die Mitte des 3. Jh.s gab es keine staatlich, zentral gesteuerten Verfolgungen, sondern ausschließlich lokale Verfolgungen, deren Hintergründe nicht immer klar sind. Wenn Verfolgungen ausbrachen, lag dies allerdings immer daran, dass sich schlicht Hass gegen die Christen Bahn brach. Mögliche, fassbare überpersönliche Gründe für diesen Hass: Man hielt die Christen für Atheisten(!), Staatsfeinde und Feinde der Tradition, und in Notzeiten erklärte man sie zu Sündenböcken (so unter Nero). Die Verweigerung des Kaiserkults spielt *auch* eine Rolle, aber wir kennen aus den Quellen nur einen einzigen Fall, wo ein Christ hingerichtet wurde, weil er die Teilnahme am Kaiserkult verweigerte, der Fall ist noch dazu etwas obskur und spät (spätes 3. Jh.). Ab dem frühen 2. Jh. ist die rechtliche Stellung der Christen allerdings prekär. Es soll nicht nach ihnen gefahndet werden, aber wenn sie des Christ-Seins angeklagt werden und dies auf… Weiterlesen »

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