Quervain: Heiligung (Teil 2)

Alfred de Quervain: Die Heiligung: Ethik, Zollinkon-Zürich: Evangelischer Verlag, 1946, S. 97–98:

Die Siege derer, die als sittlich Begeisterte den Kampf führen, sind nie entscheidender Art. Die Rede vom Kampf gegen die Sünde und vom Sieg über sie setzt voraus eine gewisse Anerkennung ihrer Herrschaft über die Glieder Christi. Denn, wer unter diesen Begeisterten wagte zu behaupten, dass diese Herrschaft in seinem Leben zerstört ist? Wer wagte zu hoffen, dass sein Nächster, sein Bruder, die Versuchungen besiegen wird? Der Apostel ist nicht weniger als die Kämpfer für die Heiligung des Lebens vom Gedanken erfüllt, dass der Christ ein Diener Gottes, ein Diener der Gerechtigkeit ist, nicht ein Diener der Sünde. Eben um diesen Dienst geht es ihm in seiner Ablehnung jeder Werkgerechtigkeit, in der Ablehnung eines selbstherrlichen Kämpfertums. Selbstherrlich ist der Kampf, auch wenn er von Menschen geführt wird, die an der Glaubensgerechtigkeit festzuhalten behaupten, die nur daneben an die Notwendigkeit eines christlichen Kampfens erinnern wollen.

Christus stirbt nicht nur als der Erfüller aller Gerechtigkeit, als der, der an unserer Stelle den Zorn Gottes trägt, der in der Versöhnung, in diesem Tausch, den er zu unserem Heile eingeht, die Liebe des Vaters zu seinem eingeborenen Sohn uns bringt. Er stirbt — und das ist in diesem Tausch mit eingeschlossen —, um die Seinen der Herrschaft der Sünde zu entziehen. Das ist nicht eine mythologische, für unser heutiges Geschlecht überwundene Auffassung der Sünde. Mythologisch, dramatisch ist vielmehr das Verständnis derer, die gegen die Sünde zum Kampfe aufrufen und ihre Herrschaft langsam meinen abbauen zu können. Sünde ist bei Paulus, in der Lehre der Reformation der Unglaube, die Verachtung des Wortes Gottes, das Leben zur Ehre des Menschen, zur Ehre des Gottesbildes, das wir verbotenerweise uns machen. Als Christus stellvertretend für die Seinen, für viele starb, da war nicht etwa eine Schlacht, eine überaus wichtige, zur Befreiung der Menschen aus der Knechtschaft der Sünde geschlagen. Es war die gänzliche Zerstörung dieser Herrschaft. Dieser völlige Sieg wurde gewonnen nicht durch Aktionen und Reaktionen gegen allerlei Äußerungen der Sünde; es war ein Sieg durch Christi Gehorsam bis in den Tod hinein. Am Kreuz ist durch den Gehorsam dieses Einen die Ehre Gottes auf Erden wieder aufgerichtet worden, weil Jesus Christus das Haupt der Herausgerufenen, der Geheiligten ist, weil er der eine Mensch ist, auf dessen Tun es ankommt, darum ist es wahr, das die Sünde nicht mehr unter den Seinen regiert. Sie hat keine Gewalt mehr über den Leib dessen, für den Christus gehorsam gewesen ist.

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