Das komponierte „Ich“

41Il9gIBcQL SX311 BO1 204 203 200Die klassische Annahme einer stabilen und „naturgegebenen“ menschlichen Identität wird in unserer Kultur nachhaltig hinterfragt. Prozesse wie Fragmentierung, Relativierung und Durchmischung haben zur „Entbettung“ des Menschen geführt und lassen einheitliche Identitätserfahrungen kaum mehr zu. Angesagt sind kurzweilige identitätsstiftende Erlebnisse. Leute versuchen, durch den Konsum vorgefertigter Angebote, das Andocken an eine oder mehrere Subkulturen oder durch kreative Akte sich selbst einen Sinn zu geben. Allerdings erzeugt das „Regime der Kurzfristigkeit“ Bindungsarmut und Gefühle von Wurzellosigkeit, Zerrissenheit und Angst.

Diese Verlusterfahrung kann ein Anstoß dafür sein, (noch einmal) über Aspekte des christlichen Menschenbildes nachzudenken. Das bewährt sich nämlich auch unter den Herausforderungen, die die Identitätsfindung in der Spätmoderne mit sich bringt. Die christliche Lehre von Schöpfung und Erlösung hält Antworten auf Fragen bereit, die rastlose Vagabunden umtreiben.

Einige Anregungen dazu habe ich in dem kleinen Taschenbuch Das komponierte „Ich“: Identitätsfindung in der Postmoderne und das christliche Menschenbild veröffentlicht, das hier – auch als eBook – bestellt werden kann:

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13 Kommentare
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Schandor
7 Jahre zuvor

Seitdem Kant auf die alleszertrümmernde Idee kam, die Werkzeuge des Betrachtens selbst der Betrachtung auszusetzen, befindet sich der forschende Mensch in einem Selbstbezug, den er nicht mehr verlassen kann.
Typische Fragestellung: Hat das Selbstbewusstsein einen Gegenstand?
Es scheint, Bewusstmachungen sind irreversibel.

Roderich
7 Jahre zuvor

Es scheint, Bewusstmachungen sind irreversibel.

Vielleicht doch – z.B. durch das (common sense) Prinzip des Zutrauens in unsere grundsätzlichen Denk- und Wahrnehmungsfähigkeiten. Das geht natürlich einfacher unter der Annahme eines Theismus (also eines Schöpfers, der uns diese zuverlässigen Mechanismen mit einer Zweckbestimmung gegeben hat). Wie Atheisten sich selbst am Schopf aus dem epistemologischen Sumpf ziehen wollen (ohne unbegründete Zusatzannahmen), weiß ich auch nicht so recht…

Schandor
7 Jahre zuvor

Die Atheisten brauchen das nicht.
Sie haben vielleicht ein epistemologisches Problem, aber das ist sekundär.
Ich bleibe dabei: Das vorrangige Problem ist kein epistemologisches.
Man kann sich nicht aus diesem Sumpf ziehen. Es ist an sich unmöglich.

7 Jahre zuvor

@Schandor
Warum soll das epistemologische Problem nur sekundär sein?

Schandor
7 Jahre zuvor

Weil sein primäres Problem ethischer Natur ist (Röm 1,18).
Sonst stünde da:
„Es wird geoffenbart Gottes Zorn vom Himmel her über alle Gottlosigkeit und Ungerechtigkeit der Menschen, welche die Wahrheit durch Unwissenheit aufhalten.“

Heike
7 Jahre zuvor

@Schandor

„Weil sein primäres Problem ethischer Natur ist (Röm 1,18).“

Richtig! Sehe ich ganz genau so. Ich denke, dass die, die nach mehr Erkenntnis rufen auch die sind, die in Röm 7,25b eine Glosse sehen. Aber vielleicht ist der Ruf nach mehr Erkenntnis auch ein verstecktes Synonym für Pauli Ruf in Röm 7,24?

Wie kann man vermeiden, dass in Deinen Satz ein „nur“ hineingelesen wird a la „Dann ist das ja „nur“ Ethik!“?

Liebe Grüße!

P.S. Deine Kant-Kritik ist eine positive, oder? Irgendwer muss in bestimmten Konstellationen die sog. A****-Karte ziehen und den Wahnsinn des Selbstbezuges aufzeigen. Ich finde, Kant hat das sehr geschickt gemacht.

Schandor
7 Jahre zuvor

Die Erkenntnis ist der Kulminationspunkt der Wahrheit zwischen Episteme und Ethik.
Denn Erkennen heißt ja mehr als zu wissen bekommen; die echte Erkenntnis zieht unweigerlich ein Handeln nach sich.

Die Apologetik muss quasi inkognito auf das Erkennen abzielen, indem sie das Erkennen durch Wissensvermittlung anstößt. Doch das Erkennen ist die andere Seite der Wahrheitsmedaille: Wissen (hier: Erkennen) und Erneuertsein/Erneuertwerden, das sind die beiden Seiten.

Damit Erkennen geschieht, muss mehr stattfinden als Wissensvermittlung, es muss ein außerdimensionales Ereignis in die personale Wirklichkeit eines Menschen eindringen. In dem Augenblick erkennt der Mensch. Wenn es ein Augenblick ist, denn das kann sich auch über Jahre hinziehen; man kann es nicht festmachen.

Kants Verdienst ist umstritten. Indem er den Blick der Erkenntniswerkzeuge auf sie selbst gelenkt hat, hat er einen Selbstbezug geschaffen. Die einen fangen sich darin und sind verloren, die anderen sehen die Gefahr darin und lernen daraus.

Heike
7 Jahre zuvor

@Schandor

„Die Apologetik muss quasi inkognito auf das Erkennen abzielen, indem sie das Erkennen durch Wissensvermittlung anstößt.“

Inkognito? Das klingt aber nach Trickserei. Ich finde ein offenes Bekenntnis anstoßender. Vielleicht sollte man das Kind auch nicht mehr so oft „Ethik“ nennen, sondern wieder Gottes Ordnung. Das Problem ist nur, dass die meisten es inzwischen wohl wirklich nur noch für Ethik halten.

„Damit Erkennen geschieht, muss mehr stattfinden als Wissensvermittlung, es muss ein außerdimensionales Ereignis in die personale Wirklichkeit eines Menschen eindringen.“

Völlig richtig. Etwas anderes kann ein Lutheraner auch nicht behaupten. 😉 Und da finde ich Kants Ansatz gut, Verstand und Wissen anzukurbeln – und das Wissen dann aufzulösen. So wird Platz geschaffen für das „außerdimensionale Ereignis“. Dann reden wir in Kirche und Theologie womöglich nicht mehr so viel von Ethik, sondern wieder von Gottes Ordnung.

ali
7 Jahre zuvor

„Willst du das Gewissen eines Menschen erreichen, dann gehe nur über das Herz! Gehst du über das Gewissen direkt, dann erreichst du nie das Herz. Wer zieht dem Wanderer den Mantel aus? Der Wind? Die Kälte? Der Sturm? Nein, er zieht ihn fester zu. In der Sonne zieht er ihn von selbst aus.“ (Adolf Henrich)

7 Jahre zuvor

@Schandor

Weil sein primäres Problem ethischer Natur ist (Röm 1,18).
Sonst stünde da: „Es wird geoffenbart Gottes Zorn vom Himmel her über alle Gottlosigkeit und Ungerechtigkeit der Menschen, welche die Wahrheit durch Unwissenheit aufhalten.“

Argumentum ex silentio

Schandor
7 Jahre zuvor

@Adler

Da stimme ich zu. Falsch ist es deshalb nicht, im Gegenteil.

@ali
Daumen hoch!

@Heike
Ich fürchte, wir reden ein wenig aneinander vorbei …
Ich bin kein Kantianer. Im Gegenteil: Ich halte ihn für einen der gefährlichsten Denker überhaupt. Vielleicht aber ist seine Wirkung zwiespältiger, als ich dachte.

Roderich
7 Jahre zuvor

@Heike, an die Kant-Fachfrau eine Frage: woher weiß Kant von den Kategorien, die doch reine Verstandesbegriffe sind – also mit ihnen keine Anschauung verbunden ist, wenn man doch nach seiner eigenen Theorie für alle Erkenntnis Anschauung und Begriff braucht? Und woher weiß Kant überhaupt, dass man für alle Erkenntnis „Anschauung und Begriff“ braucht? Warum keine intellektuelle Anschauung? Sind das nicht reine Behauptungen? Und sind seine beiden Aussagen nicht widersprüchlich: einerseits wissen wir gar nichts von „Dingen an sich“, andererseits wissen wir darüber, dass sie außerhalb von Raum und Zeit sind? Und wenn Dinge an sich tatsächlich außerhalb von Raum und Zeit sind, wir kann man dann zu spät zur S-Bahn kommen? Denn wir „sehen“ ja laut Kant nur die „Erscheinung der S-Bahn“, nciht die „S-Bahn an sich“; wir fahren in der Erscheinung der S-Bahn, die zwar (laut Kant) wegen unser subjektiven Form der Anschauung in Raum und Zeit ist, aber das „Ding an sich“ der S-Bahn sei nicht in Raum… Weiterlesen »

Markus
7 Jahre zuvor

Wo und ggf. wie hat Kant „Verstand und Wissen angekurbelt – und das Wissen dann aufgelöst“? Was heißt das präzis und konkret? Inwiefern hat er für ein „außerdimensionales Ereignis“ Platz gemacht? Welche Dimensionen/welches Ereignis sind (konkret) gemeint?
Wie lautet ggf. Kants Argumentation hierfür? Ist sie klar? Ist sie kohärent? Ist sie schlüssig?

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