Debatte um Offenen Theismus

Der ICF-Pastor Manuel Schmid hat in der Schweizer Ausgabe von ideaSpektrum kürzlich den „Offenen Theismus“ (engl. Open Theism) vorgestellt und verteidigt. So sagt er etwa:

Der OT versucht, die Freiheit der Schöpfung sehr konsequent ernst zu nehmen und landet zum Beispiel bei der Behauptung, dass Gott die Zukunft nicht als definitiven Ereignisverlauf, sondern als einen «Raum der Möglichkeiten» kennt. Er besitzt vollkommene Kenntnis der Vergangenheit und der Gegenwart und hat daher auch alle möglichen Verläufe der Zukunft im Blick, weiss aber noch nicht – vor allem dort, wo es von menschlichen Freiheitsentscheidungen abhängt –, welche Version der Zukunft tatsächlich Realität wird. Das hat in der evangelikalen Szene viele Leute verunsichert und regelrecht für Aufruhr gesorgt. Man warf den Offenen Theisten vor, dass sie behaupten würden, Gott wäre nicht allwissend und würde von der Zukunft unvorbereitet «erwischt».

Felix Aeschlimann, Leiter der sbt Beatenberg, hat den Open Theism in seinem Gegenbeitrag kritisiert:

Als Vertreter des Offenen Theismus (OT) versteht Schmid die Geschichte Gottes mit den Menschen als ein ergebnisoffenes Abenteuer. Auch wenn ich einige Anliegen des OT verstehen kann, bleibt er für mich eine Sichtweise, die der biblischen Evidenz in keiner Weise gerecht wird. «Ergebnisoffen» bedeutet in letzter Konsequenz, dass Gott die Ausgänge seiner Pläne nicht kennt und mit seinem «Unternehmen» Mensch ein hohes Risiko eingeht. Der OT behauptet zwar, Gott könnte am Schluss schon irgendwie «das gute Ende der Geschichte sicherstellen», er kenne bloss die Details der zukünftigen Geschichte nicht im Voraus und müsse darum immer wieder seine Pläne ändern und ad hoc reagieren.

Wie soll man sich das vorstellen? Kann ich das Reiseziel erreichen, wenn ich bereits auf einer Teilstrecke scheitere? Wer kann mir garantieren, dass ich im Flugzeug sicher von Zürich nach Paris reise, wenn bereits eine gelöste Schraube einen Absturz verursachen kann? Es ist offensichtlich: Wenn das Gesamtresultat stimmen muss, dann dürfen auch die Teilergebnisse keine Fehler enthalten. Der OT verteidigt sich in diesem Fall mit dem Hinweis auf Gottes Weisheit, die es ihm ermögliche, immer einen guten Ausweg zu finden. Tatsächlich? Wenn Gott nicht wirklich allmächtig und allwissend ist, dann ist auch nicht garantiert, dass er stets die richtige Entscheidung trifft bzw. überhaupt fähig ist, seine Ziele zu erreichen.

Eine Mini-Präsentation zum Open Theism mit einigen Verweisen auf kritische Literatur ist hier zu finden: Open Theismus 1.0.pdf.

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10 Kommentare
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6 Jahre zuvor

@Felix Aeschlimann Ich verstehe sie überhaupt nicht. Wir haben den Freien Willen, siehe AT Eva und Apfel. Wollen sie wirklich sagen Gott wusste schon vorher, dass Eva ihn pflücken wird? Der liebende Gott hat uns einen Freiheitsraum gegeben. Kann sein dass Anfang und Ende fest liegen und auch ein individueller Plan angedacht ist. Aber dazwischen können wir machen was wir wollen. Wenn es nicht so wäre, hätte das Jüngste Gericht keinerlei Berechtigung. Logisch, oder? Das Thema ist aber zu komplex um in einem Kommentar erschöpfend behandelt zu werden. Meine Meinung siehe mein Blog. Nur kurz: Wir leben jetzt und müssen uns nicht mehr für jede unerklärliche Sache, wie vor Jahrhunderten, auf Gott berufen, der uns neugierig gemacht hat. Zum Glück hat Gott es so angelegt, dass auch einfache Menschen ihn erkennen können und keine Interpretationen auf wissenschaftlichem Niveau brauchen. Sie wissen selbst wie viele Tote es in den ersten 1600 Jahren nach Christus uns die Interpretationen und Machtspiele gekostet haben.… Weiterlesen »

6 Jahre zuvor

@Dr. Manuel Schmid
So weit wie sie war ich auch schon. Aber es kann ein individueller Plan für jeden Menschen möglich sein und habe meine Meinung=ihre Ansicht revidiert.

Natürlich ist Gott allmächtig.
So kann er doch aber auch auf ein Quäntchen seiner Allmacht von sich aus verzichten um der ganzen Natur und Uns einen Freiraum zu gestatten. Das ist Liebe denke ich!

Matze
6 Jahre zuvor

Es stellt sich bei diesem Thema wieder eine der Kernfragen nämlich wird die Schrift in Ihrer Gesamtheit Ernst genommen. Dort heisst es dass die Haare auf unserem Haupt gezählt sind und alles Dinge uns zum Besten zusammenwirken werden, also: Gott kümmert sich auch um die kleinen Dinge unseres Lebens Ausserdem sind die Namen aller die in der Ewigkeit bei uns sein werden bereits im Buch des Lebens verzeichnet, also: Gott weiss was geschieht und hat damit einen Plan. Es gibt genug stellen in der Schrift, wo Menschen frei Entscheidungen nach unserem Verständnis hier auf der Erde treffen. Kann es nicht sei, dass Gott für diese Entscheidungen bereits vorgesorgt hat und diese in seinem Plan verzeichnet sind. Aber Gott lässt trotzdem genau zu, dass seine Kinder Leid erleben können Ist das alles ein unlogisches Wirrwarr? Nein, denn Gott ist nicht an unsere Dreidimensionalität gebunden. Deshalb KÖNNEN wir dieses Thema auch nicht bis ins letzte Detail verstehen und da ist unser Vertrauen… Weiterlesen »

DanielV
6 Jahre zuvor

Zur weiteren Lektüre lässt sich der folgende Sammelband kostenlos als pdf herunterladen – mit Beiträgen von 11 bewährten Theologen: https://www.desiringgod.org/books/beyond-the-bounds

MartinS
6 Jahre zuvor

@ Herrn Drabek, ich teile ihre Meinung in keiner Weise und denke, dass ihre Rechtfertigung des „freien Willens“ selbst auf einer falschen Alternative beruht. Auch Gegner eines libertarischen Willensbegriffes leugnen ja nicht die Tatsache, dass ein Mensch handelt oder wählt. Hier Adam und Eva als Beleg für einen libertarischen freien Willen anzuführen belegt nicht das, was sie zu hoffen scheinen. Die entscheidende Frage ist, ob diese Wahl hinreichend begründet ist durch äußere und innere Faktoren (Neigung, Charakter usw.). Könnte ein Mensch unter identischen inneren und äußeren Bedingungen sich sowohl für die eine, wie auch die andere Möglichkeit entscheiden (=ohne hinreichenden (!) Grund), ist dieser freie Wille von Zufall nicht zu unterscheiden. Zumindest was das oben angeführte Zitat von Herrn Aeschlimann angeht ist festzuhalten dass natürlich ein Vertreter des Offenen Theismus ausdrücke wie „nicht wirklich allmächtig“ natürlich weit von sich weisen würde. Eine solche Kritik am OT überzeugt größtenteils nur die schon Überzeugten. Zwei Lektürehinweise zum eigentlichen Thema: Die meines Erachtens… Weiterlesen »

6 Jahre zuvor

@MartinS
„=ohne hinreichenden (!) Grund), ist dieser freie Wille von Zufall nicht zu unterscheiden.“…..das halte ich für wahr im Sinne von Sir Karl P.
Da ich den Freien Willen der ganzen Natur und nicht nur des Menschen postuliere, ist das Verhalten am Doppelspalt interessant, da, unbeobachtet, beide Möglichkeiten auftreten. Übrigens ist der Freie Wille und Leid verknüpft und IMHO von Gott so geplant. Aber wie schon gesagt sind kurze Kommentare wenig zielführend.

Ich tue mich etwas schwer mit literally, was in den USA gern verwendet wird.
Die Frage bleibt unbeantwortet, da sie nicht darauf eingehen, ob Freier Wille die Rechtfertigung für das Jüngste Gericht überhaupt ist. Man kann sich ja bewusst gegen Gottes Willen, besser Verhaltensregeln, stellen. Aber wie gesagt, Eva nahm die Frucht vom Baum der Erkenntnis und das könnte von Gott geplant gewesen sein.

Johannes G.
6 Jahre zuvor

Als Ergänzung zu der Empfehlung von MartinS bzw. für einen etwas „leichteren“ Einstieg in dieses Thema würde ich das neuere Buch von Dolezal empfehlen „All That Is in God: Evangelical Theology and the Challenge of Classical Christian Theism“

Interessant hierzu ist auch das kürzlich abgehaltene Symposium bzw. eine Debatte zwischen W. L. Craig und Bischof Barron über den meiner Einschätzung nach zentralen Streitpunkt in der „modernen“ Theologie bzw. Gotteslehre (was auch als eine Folge den „offenen Theismus“ betrifft): Divine Simplicity:

https://www.wordonfire.org/resources/lecture/conversation-with-william-lane-craig/5694/

(Die Audio-Mitschnitte des Symposiums befinden sich unter dem Video)

Liebe Grüße
Jo

6 Jahre zuvor


Mehrere Stunden zuzuhören haben nur wenig echten Inhalt gebracht.
Zur Einfachheit Gottes: Er,sie, was auch immer ist sicher komplexer um in diesem Begriff Platz zu finden.
Seine Botschaft ist unserem Begreifen angepasst. Jedenfalls liebt er uns. Man könnte meinen der Gott im AT ist ein Anderer im Vergleich zu dem im NT.
Liebe Grüße Rudi

Johannes G.
6 Jahre zuvor

@Rudolf
Diese Debatte war eigentlich nicht als „Einstieg“ in dieses nicht unbedingt einfach zu verstehende Thema gedacht. Ich würde empfehlen, erst einmal eines der angegebenen Bücher oder kostenfreie einführende Artikel im Netz zu lesen. Ein kurzer Überblick zur „Motivation“ für diese Sichtweise findet sich z.B. hier:

http://brianhuffling.com/2018/02/08/the-most-important-and-controversial-attribute-of-god-divine-simplicity/

Umfangreicher bzw. tiefgehender wird das Konzept hier besprochen:

https://www.iep.utm.edu/div-simp/

Liebe Grüße
Johannes

6 Jahre zuvor


Die Konzepte und Axiome hinter der divine simpl. imponieren wenig. Mir genügt die Liebe und Größe Gottes, der für mich Gewissheit ist.
Mir sagt sehr Gödels Gottesbeweis zu, der eine Verbindung zur Logik herstellt, was mir, ein Entwicklungsing. in Ruhe, sehr zusagt, auch wenn ich nur den Konsequenzen daraus folgen kann.
IMHO beobachtet Gott die von ihm so perfekt angelegte Schöpfung und greift, für uns nicht erkennbar, nicht ein. Warum sollte er auch? Er ist ja kein Demiurg.
Die Konsequenzen daraus sind erheblich, sowie die Schönheit die dahintersteckt! Aber lt. Sir Karl Popper laufend zu überprüfen.
Für mich sind Freier Wille, Leid und Evolution untrennbar miteinander verbunden.
Steht aber alles verteilt in meinem Blog, speziell unter Religion, aber auch an anderen Stellen. Jedenfalls hat es lang gedauert bis mein Bild für mich konsistent war. Viele bedeutende Personen aller Richtungen waren dabei inspirierend.
Vielen Dank für die Anregungen.
Liebe Grüße Rudi

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