Der Genfer Theologe François Turrettini

Tony Reinke stellt in einem Artikel, der bei Evangelium21 erschienen ist (vielen Dank an Stefan für die Übersetzung), den Genfer Theologen François Turrettini vor. Turrettini war einerseits ein großer Scholastiker der reformierten Theologie. Seine Institutes of Elenctic Theology (auch über Logos erhältlich) kann ich sehr empfehlen. Andererseits betonte der scharfe Denker das Leben und verband so auf vorbildliche Weise Theorie und Praxis miteinander.

Tony Reinke schreibt:

Turrettini unterscheidet noch klarer zwischen dem Theoretischen und dem Praktischen. „Ein theoretisches System ist dasjenige, welches nur im Nachsinnen bewohnt wird und kein anderes Objekt als das Wissen hat. Ein praktisches System ist dasjenige, welches nicht nur im Wissen eines Dings allein besteht, sondern in seinem Wesen und durch sich selbst in die Praxis überführt und eine Wirkung als Objekt hat“ (1:21). Theologie ist demnach theoretisch (manchmal mit einer Sicht der göttlichen Mysterien endend), aber auch (und meistens) praktischer Natur.

Also nimmt die Antwort auf die Sozinianer und die Remonstranten in den folgenden Argumenten Gestalt an:

1. Theologie ist eine Wissenschaft. Für Turrettini ging es bei Wissenschaft nicht nur um theoretische Spekulationen und Datensammlung, sondern um das Studium eines Objekts und das Ordnen von Schlüssen. Zum Beispiel bei der Medizin. Das Endziel von medizinischer Forschung ist nicht, ein Kompendium aller Krankheiten und Zustände zu erhalten, sondern diese Krankheiten und Zustände zu heilen. Nur weil Theologie, wie Medizin, teilweise theoretisch ist, heißt das nicht, dass sie unpraktisch ist (1:21). Ganz im Gegenteil.

2. Das Theoretische ist wesentlich für Anbetung. „Es gibt kein Geheimnis, das als Objekt des Glaubens unserem Denken vorgestellt wird, welches nicht in uns die Anbetung Gottes anregt und nicht eine Voraussetzung für richtige Anbetung ist“ (1:21). Gott gebraucht den tiefen Brunnen der Theologie über sich selbst (die in seinem Wort offenbart ist), um Anbetung anzuregen. Demnach sind die theoretischen Aspekte der Theologie unmittelbar in der Anbetung anwendbar. Theologie „entfacht“ Anbetung und bildet die „Voraussetzung“, um Gott anzubeten.

3. Der Verstand und der Wille sind verbunden. „Die Form umfasst das Wesen wahrer Religion und verfolgt die Erkenntnis und Anbetung Gottes, die untrennbar verbunden sind (genauso wie Sonne, Licht und Wärme nie voneinander getrennt werden können). Demnach kann die Erkenntnis Gottes nicht wahr sein, wenn sie sich nicht in der Praxis äußert (Joh 13,17; 1Joh 2,5). Gleichermaßen kann keine Praxis richtig und rettend sein, die nicht von der Erkenntnis gesteuert wird (Joh 17,3)“ (1:22). Turrettini bezieht sich in diesem Abschnitt auch auf Johannes 13,17, um die Seligkeit des Mannes zu zeigen, der erkennt und gehorcht. Das Wissen ist eine Voraussetzung für das Tun. Das Theoretische und das Praktische sind so miteinander verbunden, wie Sonne, Licht und Wärme. Später schreibt er: „Es gibt nichts, was so theoretisch und so weit von der Praxis entfernt ist, dass es nicht Liebe und Anbetung zu Gott anregt. Weder gibt es irgendeine Theorie, die rettend ist, welche nicht zur Praxis führt (Joh 13,17; 1Kor 13,2; Tit 1,1; 1Joh 2,4; Tit 2,12)“ (1:23).

4. Theologie und die „Schau Gottes“. Turrettini schreibt: „Wenn vom ewigen Leben gesagt wird, dass es in der Erkenntnis Gottes (Joh 17,3) und in der Freude der Schau Gottes besteht, dann zeigt das in der Tat, dass Theologie auch spekulativ ist, dass es viele theoretische Objekte hat. Aber wir können daraus nicht schließen, dass sie nur spekulativ ist, weil diese Erkenntnis selbst nicht nur theoretisch ist, sondern praktisch (1Joh 2,5). Schau bezeichnet nicht nur Erkenntnis, sondern auch Erfreuen (nach dem Gebrauch der Schrift)“ (1:22). Und später schreibt er: „Die Theologie der Heiligen im Himmel kann nicht bloß theoretisch genannt werden, weil ihre Freude nicht nur das Wahrnehmen des höchsten Gutes durch Schauen umfasst (was der Intellekt ist), sondern auch ein Erfreuen daran in Liebe (welches ein Willensakt ist)“ (1:23). Gott zu sehen und sich an ihm zu erfreuen beweist in alle Ewigkeit die Verbindung des Theoretischen mit dem Praktischen.

Turrettinis Auffassung von der Theologie wird von Richard Muller gut zusammengefasst: „Die Perspektive der Sozinianer und Remonstranten entfernt von der Religion alle fundamentalen Artikel – einschließlich der Dreieinigkeit und der Fleischwerdung – und, so schließt Turrettini, führt letztendlich zum Atheismus. Während die Sozinianer und Remonstranten gewiss leugnen würden, dass ihre Ansichten zum Atheismus führen, hofften sie doch, die Rolle von fundamentalen oder notwendigen Artikeln bei der Bestimmung eines normativen Christentums leugnen zu können. Das Gegenmittel für solch einen Reduktionismus war für Turrettini das Aufrechterhalten des Gleichgewichts zwischen den theoretischen und praktischen Dimensionen der Theologie … Eine rein theoretische Disziplin ist nur dem Nachdenken gewidmet und hat kein anderes Ziel als Kognition; eine rein praktische Disziplin ist nur dem Handeln gewidmet und hat kein anderes Ziel als die Anleitung einer Tätigkeit (operatio) oder einer Praxis. Es ist klar, dass keine der beiden Definitionen vollkommen auf die Theologie zutrifft: Theologie beinhaltet sowohl dogmata seu decreta fidei und praecepta Christianarum virtutum – sowohl die notwendigen Lehren des Glaubens als auch die Regeln christlicher Tugend“ (PRRD, 1:351-352).

 

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