Der missbrauchte Doppelpunkt

Er sticht überall ins Auge. Zum Bespiel beim Benutzerordner einiger Betriebssysteme: der Doppelpunkt. Die Verwendung des Doppelpunkts beim Gendern hat in den vergangenen Jahren stark zugenommen. Dadurch wird er allerdings seiner eigentlichen grammatikalischen Funktion beraubt, wie der Sprachwissenschaftler Peter Eisenberg für die FAZ erläutert: 

Der Doppelpunkt ist ein grammatisches Interpunktionszeichen. Er steht zwischen zwei Ausdrücken, deren erster eine Ankündigung enthält, die vom zweiten erfüllt wird, zum Beispiel „Ein Vorteil ist: Sie bekommen Rabatt“. Der angekündigte Ausdruck kann grammatisch eng an den vorausgehenden gebunden sein, der ja im Beispiel ohne den zweiten gar nicht stehen kann. Im Allgemeinen sind die beiden Teile der Konstruktion aber grammatisch weitgehend voneinander unabhängig. Wichtig ist nur das semantische Verhältnis einer Ankündigung. Weil der Doppelpunkt Ankündigung kodiert, kann er die aktuelle Bedeutung aufeinanderfolgender Ausdrücke verändern. 

All das gilt für den Doppelpunkt als Genderzeichen nicht, obwohl er in beiden Verwendungen dieselbe Form hat. Als Genderzeichen ist der Doppelpunkt nicht ein Satz-, sondern ein Wortzeichen, denn er verbindet dann nicht beliebig lange und komplexe Syntagmen, sondern Wortbestandteile. Eine Ankündigungsfunktion ist gar nicht möglich. Häufig wird seine Verwendung damit gerechtfertigt, dass er, anders als Stern oder Unterstrich, ein sprachliches Zeichen sei. Das trifft lediglich formal, aber nicht funktional zu. Das Genderzeichen hat keine sprachliche Funktion und ist in dieser Hinsicht um nichts besser als Stern oder Unterstrich.

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