„Die wahre Quelle allen Rechtes“

Nach Auffassung des sogenannten Rechtspositivismus gilt als Recht allein das, was der Gesetzgeber als solches verabschiedet hat. Eine Beurteilung des Rechts an moralischen Maßstäben verbietet sich in rechtspositivistischen Gesellschaften, weil es keine einheitlichen Moralvorstellungen gibt. Jegliches Recht ist von Menschen gemacht. Falls diese meinen, wir brauchen ein neues Ehe- und Familienverständnis, dann wird eben ein „Ehe für alle“-Gesetz beschlossen.

In Abgrenzung zu diesem Rechtspositivismus vertritt das Naturrecht, dass Recht und Moral nicht so einfach voneinander getrennt werden kann. Etwas ist Recht oder Unrecht, weil es uns mit der Natur gegeben ist. Eltern die Kinder wegzunehmen, ohne das es dafür schwerwiegende Gründe gibt, ist demnach Unrecht – egal was das positive Recht dazu sagt. Alle vom Menschen gemachten Gesetze müssen an der Moral gemessen werden. Nur Gesetze, die diesen moralischen Ansprüchen des Naturrechts genügen, können den Anspruch erheben, befolgt zu werden. So waren viele Gesetze der Nationalsozialisten – etwa die Rassengesetze – objektives Unrecht.

Die „modernen Gesellschaften“ haben sich weitgehend von einem höheren Gesetz oder einer höheren Ordnung verabschiedet. Der Mensch tritt als alleiniger Gesetzgeber auf. Das macht es Despoten leicht, ihre eigenen Interessen auch rechtlich durchzusetzen. Sie haben in den Augen der Positivisten schlichtweg andere Werte. Mangels eines übergeordneten Maßstabs ist es im strengen Sinne unmöglich, zu behaupten, irgendein Wertsystem sei besser als ein anderes.

Der Philosoph Robert Spaemann (1927–2018), selbst ein entschiedener Verfechter des Naturrechts, hat einmal anhand eines persönlichen Erlebnisses demonstriert, dass der Rechtspositivismus eine „Schönwettertheorie“ ist. Spaemann schreibt in „Warum gibt es kein Recht ohne Naturrecht?“ (in: Hanns-Gregor Nissing (Hg.), Naturrecht und Kirche im säkularen Staat, 2016, S. 27–34, hier S. 27):

Nach dem Krieg hörte ich in Münster auf dem Domplatz eine Predigt des Kardi- nals von Galen vor dem zerstörten Dom. Der Domplatz war schwarz vor Menschen, und der damalige Bischof, Clemens August, sagte: „Eurer Liebe verdanke ich mein Leben.“ Dann fügte er mit donnernder Stimme hinzu: „Was wir jetzt erlebt haben, die Tyrannei, die Unterdrückung, die Zerstörung, das alles war die Strafe Gottes für das, was die Deutschen 1919 an den Anfang ihrer Verfassung gestellt haben: ‚Alle Staatsgewalt geht vom Volke aus.’ Jetzt haben wir die Staatsgewalt kennen gelernt, die vom Volke ausgeht. Es wird Zeit, dass wir uns besinnen auf die wahre Quelle allen Rechtes.“

Nach den grauenhaften Tyranneien des 20. Jahrhunderts ist der Rechtspositivismus eigentlich kaum zu retten. Er ist eine Schönwettertheorie. Er entzieht der Verurteilung von Staatsverbrechen jede objektive Grundlage. Wenn der Wille des Gesetzgebers an keinen ihm vorgegeben Maßstab des Richtigen und des Falschen, des Guten und des Schlechten gebunden ist, und wenn die Verkündigung im Gesetzblatt eines Staates die höchste Legitimation der Gesetze ist, dann kann es keine Rechtfertigung geben, die den Bürger auf irgend eine Weise im Gewissen binden kann.

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13 Kommentare
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Markus Jesgarz
1 Jahr zuvor

Meine Meinung ist:
1.
Zum Glück kritisierte Herr Heinrich Rommen wie Herr Robert Spaemann den Rechtspositivismus während der Zeit der Weimarer Republik.
https://www.facebook.com/markus.jesgarz.3/posts/pfbid0RwGR81DDrJxDaYKSyZhpY6dnhjVKQ4BQZmSi4PaFsKyQXLDVVKrSWcfBG9QhMpLNl
2.
Zum Glück ist die wahre Quelle allen Rechtes der Gott der Bibel.

Alex aus Cloppenburg
1 Jahr zuvor

Zum Glück ist es gerade nicht die Bibel, an der sich unsere Gesetze orientieren – die „Gesetze Gottes“ haben sich in der Geschichte auch nicht wirklich bewährt. Fragt mal das „auserwählte Volk“. Rechtspositivismus hin oder her.

Udo
1 Jahr zuvor

Die 10 Gebote sind eine zeitlose und bewährte Anweisung für gelingendes Leben.
Wie viel von den Zehn Geboten steckt im Grundgesetz?Drei auf jeden Fall neben dem Feiertagsgebot: „Du sollst nicht töten“ (Art. 2,2 GG), „Du sollst nicht ehebrechen“ (Art. 6,1. GG), „Du sollst nicht stehlen“ (Art: 14 GG).
Was wir der Bibel gerade im Westen verdanken ist immens. Hier kann man nur wieder auf die Bücher von Vishal Mangalwadi hinweisen und auf das Buch von Tom Holland „Herrschaft-Die Enstehung des Westens“

Markus Jesgarz
1 Jahr zuvor

Meine Meinung ist:
Zum Glück erkannte Herr Jacques Maritain als die wahre Quelle allen Rechtes den Gott der Bibel an. 
https://www.facebook.com/markus.jesgarz.3/posts/pfbid0GgAuvX4hy85g47A4p2YBejVxPNtKqqdXH28yCtVZh8amdYQMsdoTtP61VVkiBCB5l

Markus Jesgarz
1 Jahr zuvor

Meine Meinung ist:
Zum Glück ist Herr Phillip E. Johnson wie Herr Robert Spaemann ein entschiedener Verfechter des Naturrechts.
https://www.facebook.com/markus.jesgarz.3/posts/pfbid02dMQXbZGd85Gs38YWqgJLUPzitrTPJuU6GFAUPtfQpdi6Y6dDJphUaX1xuvw5soFSl

Alex aus Cloppenburg
1 Jahr zuvor

Die 10 Gebote sind natürlich ganz ok, aber reichen bei weitem nicht aus und sprechen nicht alle Menschen an, sondern nur eine bestimmte Gruppe (keine Frauen oder Sklaven)
Daneben gibt es eine Vielzahl haarsträubender Gebote und Verbote, die in den meisten Ländern heute ein Fall fürs Strafgesetzbuch wären.

Markus Jesgarz
1 Jahr zuvor

Zum Glück beruft sich die Unabhängigkeitserklärung der Vereinigten Staaten auf den Gott der Bibel und seinem vorgegebenen Naturrecht, was moralische Konsequenzen hat.​​​​​​​
https://www.facebook.com/markus.jesgarz.3/posts/pfbid02V32TBcFCMbZyoKDJGsEfHmTfmWS7GJWgacKPs7xCm9C9rHM2zombdMmi3Ez4Q23Vl
2. 
Deutschland muss sich an dem Gott der Bibel und seinem vorgegebenen Naturrecht orientieren.

PeterG
1 Jahr zuvor

@Alex aus Cloppenburg
 Wenn ich das auserwählte Volk frage, ob sich die Gesetze Gottes bewährt haben, werden ich zwei Antworten bekommen:

  1. Ja
  2. Wir haben uns nicht (immer, konsequent) an die Gesetze gehalten.

vg
Peter

Markus Jesgarz
1 Jahr zuvor

Meine Meinung ist:
1. 
Die Aufgabe der Menschen ist es, das Naturrecht und die Menschenrechte, die von dem Gott der Bibel festgelegt sind, zu entdecken und nicht selbst das Naturrecht und die Menschenrechte festzulegen. 
https://www.facebook.com/markus.jesgarz.3/posts/pfbid02dY122vQ4hKKsNcWZSgvxWLbbSP3vamRweAJ6F9MYF3w5UBUAFAy8ku6crzN9Xqn8l
2.
Die Aufgabe der Menschen ist es, das Naturrecht und die Menschenrechte, die von dem Gott der Bibel festgelegt sind, wertzuschätzen.

Alex aus Cloppenburg
1 Jahr zuvor

@ Peter:
Das auserwählte Volk hat sich eigentlich zu keinem Zeitpunkt an die Gesetze gehalten.
Aber ein Gesetzesbuch zu haben war dauerhaft trotzdem von Vorteil. Es war und ist bis heute ein Alleinstellungsmerkmal der Juden.

Markus Jesgarz
1 Jahr zuvor

Meine Meinung ist:
1. 
Zum Glück stützte sich John Calvin auf die Abhandlung von Thomas von Aquin zu Recht und Gesetz.
https://www.facebook.com/markus.jesgarz.3/posts/pfbid05Z4ySJQPSxYKoT7QJ4wgfVfsabAAWNiip6sxLGq5PgmmXKLX48CUyxDpgLZ9Lrehl
2. 
Der Wille des Gesetzgebers muss an dem vorgegebenen Naturrecht gebunden sein.

Stephan
1 Jahr zuvor

„Zum Glück ist es gerade nicht die Bibel, an der sich unsere Gesetze orientieren – die „Gesetze Gottes“ haben sich in der Geschichte auch nicht wirklich bewährt.“ Die Gesetze haben sich schon bewährt, nur nicht das Volk. Das hat sich nicht daran gehalten, und mußte einen Exodus nach dem anderen durchleiden. „Die 10 Gebote sind natürlich ganz ok, aber reichen bei weitem nicht aus und sprechen nicht alle Menschen an, sondern nur eine bestimmte Gruppe (keine Frauen oder Sklaven)“ Ich sehe keine Einschränkungen / kein Vorwort bei den 10 Geboten, die den Geltungsbereich nur auf eine Gruppe einschränkt. „Daneben gibt es eine Vielzahl haarsträubender Gebote und Verbote, die in den meisten Ländern heute ein Fall fürs Strafgesetzbuch wären.““ In der Tat. Die gelten für Gottes Volk auf der Erde, und sinngemäß für Gottes Volk für den Himmel. Nicht ohne Grund sind die „Todsünden“ im NT recht deckungsgleich zu den Anlässen für die Todesstrate / Verbannung usw.. im AT. „Aber ein… Weiterlesen »

Alex aus Cloppenburg
1 Jahr zuvor

@Stephan
Danke für deinen Kommentar.
Über die von dir kommentierten Punkte kann man streiten und streitet man auch – je nachdem, von welchem Bibelverständnis man ausgeht.
Interessant ist halt immer, wenn in solchen Diskussionen die Begriffe „Zeitgeist“ oder „linkes Gedankengut“ oder „ein bisschen schwanger“ verwendet werden.
Ich selber stehe politisch tatsächlich rechts und habe sehr vieles an der Gesellschaft und der Zeit, in der ich lebe, auszusetzen.
Allerdings kann ich nichts damit anfangen, wenn man so tut, als hätten für uns die 10 Gebote oder andere Vorschriften des AT und NT unmittelbare Autorität. Auch wenn vieles davon gut ist, ist vieles inzwischen unbrauchbar und vieles ein Fall fürs Strafrecht.
Lass uns doch Gott dafür danken, dass wir eben in keiner Theokratie leben.

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