Die Zukunft der Anglikanischen Kirche

In der Anglischen Kirche hat es ein Erdbeben gegeben. Das theologisch konservative Netzwerk Gafcon in der anglikanischen Kirche (Global Anglican Future Conference) und die Gemeinschaft der Anglikanischen Kirchen des Globalen Südens (Global South Fellowship of Anglican Churches) haben sich von der Kirche von England und ihrem Oberhaupt, dem Erzbischof Justin Welby, getrennt. Die Nachrichtenagentur IDEA schrieb dazu

Welby habe durch seine öffentliche Unterstützung für die Segnung gleichgeschlechtlicher Paare einen Verrat an seinen Ordinations- und Weihegelübden begangen. Deshalb sei „seine Führungsrolle in der anglikanischen Gemeinschaft völlig unhaltbar“. Seine Forderung, die Vertreter unterschiedlicher Positionen zur Homo-Segnung müssten in der anglikanischen Gemeinschaft in „guter Meinungsverschiedenheit“ zusammenleben, sei inakzeptabel.

„Wir weisen die Behauptung zurück, dass zwei widersprüchliche Positionen in Fragen des Heils beide gültig sein können“, so die Erklärung. Nach biblischer Lehre dürfe Sexualität nur in einer exklusiven, lebenslangen Ehe zwischen einem Mann und einer Frau stattfinden.

Die Kirchenprovinzen, Diözesen und Kirchenleiter, die sich von dieser biblischen Lehre entfernt hätten, müssten Buße tun. „Wir sehnen uns nach dieser Umkehr, aber solange sie nicht umkehren, bleibt unsere Gemeinschaft mit ihnen unterbrochen.“

Beide Zusammenschlüsse repräsentieren gemeinsam rund 85 Prozent der anglikanischen Christen weltweit. Und erstaunlicherweise sind ihre Vertreter bei dem Treffen übereingekommen, neue Strukturen einer weltweiten Gemeinschaft ihrer Kirchen aufzubauen. Diese werden dann unabhängig von der Kirche von England und ihrem Oberhaupt arbeiten. Das ist für die liberale Kirche des Westen ein Desaster. Für Gafcon und die Kirchen des Globalen Südens ist es dagegen ein mutiger Gehorsamsschritt in die Unabhängigkeit und möglicherweise in die Armut. Aber ich bin sehr zuversichtlich, dass Gott sich zu seiner Kirche stellt und sie versorgen wird. 

Klaus Hickel, Pastor der anglikanischen Leipzig English Church (LEC), war bei dem Ereignis dabei und hat für den TheoBlog nachfolgend die Ergebnisse zusammengefasst: 

GAFCON IV in Kigali

Wenn christliche Denominationen und Gemeindeverbände sich immer tiefer in das theologisch liberale Labyrinth hinein verirren, stellen sich bekenntnistreue Gemeinden zwangsläufig die Frage, wie lange sie in historisch gewachsenen Strukturen verbleiben können. Für anglikanische Gemeinden und Einzelpersonen, die heterodoxe Strukturen aus ganz unterschiedlichen Gründen verlassen müssen oder aktiv daraus verdrängt werden, besteht seit 2008 dank weitsichtiger Entscheidungen ein „Rettungsboot“ mit dem Namen Global Anglican Future Conference (Gafcon). Gafcon veranstaltet seither im fünfjährigen Rhythmus die weltweite GAFCON-Konferenz für bekenntnistreue Anglikaner, zuletzt GAFCON IV vom 16. bis 21. April 2023 in Kigali, Ruanda.

Unter dem Eindruck aktueller revisionistischer Entscheidungen in der Church of England im Bereich Sexualethik stand GAFCON IV unter dem Motto „To Whom Shall We Go?“ (Joh 6,68). Die Antwort findet sich in der abschließenden Erklärung der GAFCON IV-Konferenz – dem Kigali Commitment 2023, das unter großem Beifall der Delegierten verlesen wurde. In der abschließenden Pressemitteilung heißt es:

Diese Konferenz hat deutlich gemacht, dass die Mehrheit der Anglikaner weltweit das Vertrauen in den Erzbischof von Canterbury verloren hat, einen gottgefälligen Weg in die Zukunft zu finden, der für diejenigen akzeptabel ist, die sich der Wahrhaftigkeit, Klarheit, Genugsamkeit und Autorität der Heiligen Schrift verpflichtet fühlen. Das betrübt uns, aber sie (Anm.: die Bischöfe der Church of England) sind es, die sich von uns abgewandt haben“, sagt Dr. Michael Stead, (Anm.: Bischof von South Sydney und Vorsitzender des Gafcon-Ausschusses).

Im Kigali Commitment heißt es: „Ziel und Auftrag der Kirche ist es, einer verlorenen Welt den herrlichen Reichtum des Evangeliums zu verkünden, indem sie den gekreuzigten und auferstandenen Christus predigt und ihre Glieder treu als seine Jünger zusammenleben.“

„Das Evangelium des auferstandenen Herrn Jesus hat für uns Priorität, und wir freuen uns darauf, uns wieder der Aufgabe zu widmen, Christus den Völkern treu zu verkünden“, so Bischof Stead.

Mit dem Kigali Commitment 2023 sieht sich Gafcon einer grundlegenden Neuausrichtung („Reset“) der anglikanischen Gemeinschaft verpflichtet. Entscheidende Bedeutung kommt hierbei der reformatorischen Glaubenslehre und insbesondere dem Schriftverständnis zu. Das Kigali Commitment stellt hierzu fest:

Die gegenwärtigen Spaltungen in der Anglikanischen Gemeinschaft sind durch radikale Abweichungen vom Evangelium des Herrn Jesus Christus verursacht worden. Einige in der Gemeinschaft haben sich von den hohlen und trügerischen Philosophien dieser Welt gefangen nehmen lassen (Kolosser 2,8). Ein solches Versagen, Gottes Wort zu hören und zu beherzigen, untergräbt die Mission der Kirche als Ganzes.

Die Bibel ist Gottes geschriebenes, von Gott ausgehauchtes Wort, wie es von seinen treuen Boten geschrieben wurde (2Timotheus 3,16). Sie trägt Gottes eigene Autorität, ist ihr eigener Ausleger und muss nicht ergänzt werden, noch kann sie jemals durch menschliche Weisheit aufgehoben werden.

Gottes gutes Wort ist die Regel für unser Leben als Jünger Jesu und die letzte Autorität in der Kirche. Es begründet, stärkt und lenkt unsere Mission in der Welt. Die Gemeinschaft, die wir mit unserem auferstandenen und aufgefahrenen Herrn genießen, wird genährt, wenn wir Gottes Wort vertrauen, ihm gehorchen und uns gegenseitig ermutigen, jeden Bereich unseres Lebens danach auszurichten.

Diese Gemeinschaft wird zerbrochen, wenn wir uns von Gottes Wort abwenden oder versuchen, es in einer Weise umzuinterpretieren, die die klare Lesart des Textes in seinem kanonischen Kontext umstößt und so seine Wahrhaftigkeit, Klarheit, Genugsamkeit und damit seine Autorität leugnet (Jerusalem Declaration #2).

Das Kigali Commitment wird über anglikanische Kreise hinaus begrüßt. Der Presbyterianer Brian Mattson schreibt:

Was für eine Freude ist es, die Kigali-Verpflichtung zu lesen und die unerschütterliche Treue von Kirchenführern in der ganzen Welt und insbesondere im globalen Süden zu sehen. Es sind größtenteils Afrikaner, die entschlossen aufstehen und Englands frühere Orthodoxie verteidigen – oder besser gesagt, den „Glauben, der den Heiligen ein für alle Mal überliefert wurde“ (Judas 3)! Welch eine Ironie! Der britische Kolonialismus hat die 39 Artikel und das Book of Common Prayer exportiert, und nun haben diese Kolonien zum Leidwesen der Briten alles ein bisschen ernster genommen, als sie es beabsichtigt hatten.

Der vollständige Text des Kigali Commitment sowie weitere Informationen zu Gafcon befinden sich auf der Homepage der Konferenz: gafcon23.org.

Mit einem Anteil von 85 Prozent vertritt Gafcon den weitaus größten Teil der weltweit etwa 85 Millionen Anglikaner. Die Gruppierung versteht sich damit nicht nur als Konferenz, sondern als authentisch anglikanische Gemeinschaft mit klarem Schwerpunkt auf dem afrikanischen Kontinent, insbesondere den Schwergewichten Uganda (11 Mio. Anglikaner) und Nigeria (18 Mio.).

Seit Gründung der Organisation hat Gafcon in besonders stark vom Liberalismus betroffenen Regionen alternative kirchliche Strukturen ins Leben gerufen, darunter auch in Europa und Deutschland (aceanglicans.org).

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Der Verfasser Klaus Hickel ist Pastor für deutschsprachige Gemeindearbeit in der Leipzig English Church. Derzeit bereitet er unter dem Banner von ACE die Gründung einer deutschsprachigen Gemeinde vor (DV).

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7 Kommentare
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Udo
11 Monate zuvor

Gratulation zu diesem vorbildhaften Schritt!

Alex aus Cloppenburg
11 Monate zuvor

Afrika scheint die Herzen der Bibelfrommen echt höher schlagen zu lassen. Dass nicht nur die Kirchen dort gegen Homosexuelle vorgehen, sondern auch die meisten Staaten diskriminierende Gesetze erlassen, scheint in Ordnung zu sein.
Ein wahrlich toller Kontinent – fragt sich nur, warum so viele von dort zu uns linksgrün-versifften Europäern wollen.

Matze
11 Monate zuvor

Prima, und wann ist man in Deutschland mal so mutig? Die Situation ist ja keine andere.

Stephen
11 Monate zuvor

Ganz einfach, Alex. Wir Europäer haben uns reich gemacht, in dem wir 400 Jahre uns an sie reich gemacht: ihre Seelen (Off. 18,13) und Rohstoffe geraubt. Sie kommen, einen Teil des eigenen Eigentums behaupten. Es hat mit grüner Politik nichts zu tun. Dass wir Europäer behaupten, gerecht diese Ausgeraubten von eigenem Gestohlenen fernzuhalten, zeigt wie tief unser Rassismus sitzt. Ich rechne leider jetzt damit, von einigen als linksgrün-versifft angepöbelt zu werden. Echte Christen sind weder links noch rechts sondern beides.

Udo
11 Monate zuvor

Afrika ist politisch ein vielschichtiges Thema. Schwierig, es hier ausgewogen zu diskutieren. Nebenbei bemerkt, Afrika hat bei allem Zerbruch, viel Tolles zu bieten. Gerade auch viele glaubwürdige Christen, die auch in der Verfolgung zu ihrem Glauben stehen. Also weg von der Strohmann-Diskussion zurück zum eigentlichen Thema: Fest steht, dass Justin Welby eingeknickt ist: „Ich wurde zweimal ins englische Parlament einberufen und mir wurde mit einer Klage gedroht, um mich zu zwingen, die gleichgeschlechtliche Ehe zu akzeptieren“, hatte er erklärt. Sein Versuch, mit faulen Kompromissen den „anglikanischen Laden“ zusammen zu halten ist jedoch kläglich gescheitert. Trotz jahrelanger Einschüchterungsversuche und Bevormundung seitens der anglikanischen Kirchenleitungen aus den reichen „Nicht-Entwicklungsländern“ wurde jetzt nach, wie ich finde, langer Bedenkzeit mit dem „Kigali Commitment 2023“ eine klare Bibel und Bekenntnis treue Antwort gegeben.  Hierzu noch ein passendes Statement zur Situation in den USA von Peter Akinola, Erzbischof der Anglikaner in Nigeria, bereits von 2004 (!): „Wir haben mit Trauer verfolgt, wie Schwestern und Brüder, die… Weiterlesen »

Johannes
11 Monate zuvor

@Stephen: Ich sehe das ganz genau so. Es entsteht immer eine Schieflage, wenn Christen entweder ganz nach rechts oder ganz nach links abdriften. Schon bei König Josia hieß es: „Er wich nicht zur Rechten noch zur Linken“. Natürlich wussten die damaligen Bibelautoren noch nichts von unserem politischen Spektrum, aber irgendwie passt das doch. Denn Jesus würde, da bin ich mir sicher, sich von beiden politischen Polen nicht vereinnahmen lassen. Für die Linken wäre er immer noch „homophob“ (zumindest muss man davon ausgehen, da er an keiner Stelle 3. Mose 18,22 widersprochen hat und einige Menschen lt. Mt. 19,12 für „unfähig zur Ehe“ hält, die doch in Deutschland seit 2017 „für alle“ sein soll) für die Rechten wäre er immer noch zu „linksgrün versifft“, weil er sich mehrfach kritisch über die Ansammlung von Reichtümern geäußert hat, zumindest, wenn dessen Stellenwert im Leben zu wichtig ist (vgl. auch Mt. 11, 18-19). Sowohl Europa aus auch Afrika vertreten im Grunde Extrempositionen. Für die… Weiterlesen »

Adnan
11 Monate zuvor

Ich finde es sehr bemerkenswert, dass in Grossbritannien offenbar das Grundrecht der Gewissens und Religionsfreiheit bedroht ist und jemanden, der es wie Bischof Welby ausüben möchte glaubhaft mit einem Gerichtsprozess gedroht werden kann. Offenbar sind freiheitlich demokratische Grundwerte und Grundordnungen dort schon so stark ausgehöhlt worden. Aber natürlich ist sind Menschenworte wie in einem Gerichtsprozess, selbst wenn er verloren würde, kein Grund Gottes Wort zu verleugnen. Immerhin haben sich in Grossbritannien ja auch früher viele Menschen wegen ihres Gewissens und Glaubens vom Staat verbrennen lassen oder wie im Fall von John Bunyan lange einsperren lassen. Staatlicher Zwang, der sich über Gewissen und Glauben hinwegsetzen will ist ja dort und in ganz Europa kein neues Phaenomen.

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