Habermas: „Alles andere ist postmodernes Gerede“

Jürgen Habermas sagt über den Einfluss des Christentums auf die Moderne (Zeit der Übergänge, 2001, S. 174–175): 

Das Christentum ist für das normative Selbstverständnis der Moderne nicht nur eine Vorläufergestalt oder ein Katalysator gewesen. Der egalitäre Universalismus, aus dem die Ideen von Freiheit und solidarischem Zusammenleben, von autonomer Lebensführung und Emanzipation, von individueller Gewissensmoral, Menschenrechten und Demokratie entsprungen sind, ist unmittelbar ein Erbe der jüdischen Gerechtigkeits- und der christlichen Liebesethik. In der Substanz unverändert, ist dieses Erbe immer wieder kritisch angeeignet und neu interpretiert worden. Dazu gibt es bis heute keine Alternative. Auch angesichts der aktuellen Herausforderungen einer postnationalen Konstellation zehren wir nach wie vor von dieser Substanz. Alles andere ist postmodernes Gerede.

Ähnliche Beiträge:

Abonnieren
Benachrichtige mich bei

Diese Website verwendet Akismet, um Spam zu reduzieren. Erfahre mehr darüber, wie deine Kommentardaten verarbeitet werden.

6 Kommentare
Inline Feedbacks
View all comments
Clemens Altenberg
4 Jahre zuvor

Danke, schönes Zitat! Möge Habermas´ Hoffnung auf den „zwanglosen Zwang des besseren Arguments“ weiterleben!

Jutta
4 Jahre zuvor

Postmoderner gehts nicht ? China will Bibel und Koran sozialistisch umschreiben lassen China will laut einem Bericht der britischen Zeitung „Daily Mail“ die Bibel und den Koran gemäß der „sozialistischen Werte“ umschreiben, meldet orf.at. Textteile, die von der Zensur als falsch eingestuft würden, sollten geändert oder neu übersetzt werden, hieß es. Neuauflagen solcher religiösen Bücher dürften keine Inhalte enthalten, die den Überzeugungen der Kommunistischen Partei zuwiderliefen, habe das Portal der britischen Zeitung „Daily Mail“ einen Spitzenbeamten zitiert. Ohne Bibel und Koran ausdrücklich zu erwähnen, habe die Parteiführung eine „umfassende Bewertung der religiösen Klassiker, die auf Inhalte abzielen, die nicht dem Fortschritt der Zeit entsprechen“, gefordert. Der Auftrag sei demnach bereits im November erteilt worden. Die religiösen Autoritäten müssten den Anweisungen von Präsident Xi Jinping folgen und die Ideologien der verschiedenen Religionen im Einklang mit den „Grundwerten des Sozialismus“ und den „Erfordernissen der Epoche“ interpretieren, habe die französische Zeitung Le Figaro über den Auftrag berichtet. Die Beamten wären aufgefordert worden, „ein… Weiterlesen »

Helge Beck
4 Jahre zuvor

Egalitärer Universalismus ist weder „jüdisch“ oder „christlich“ oder „westlich“. Wer soll das „Wir“ sein, dass von dieser „Substanz“ zehrt? Und die versuchte rosinenpickerische Aneignung universeller Werte und Rechte durch christliche Fundamentalisten ist einfach nur abseitig.

Matze
4 Jahre zuvor

@ Helge Beck
Den Inhalt Ihres ersten Satz behauptet Habermas nicht. Es beschreibt nur, dass dies eine wichtige Wurzel für die Moderne ist. Das ist auch nicht viel anderes, was Max Weber über Kapitalismus und protestantische Ethik schreibt. Eine Gesellschaft ist geprägt aus ihrer Geschichte. Da gehört das christlich jüdische Element dazu und hat nachfolgende Denkrichtungen geprägt ob es uns nun gefällt oder nicht.
Zudem hat das z.B. Grundgesetz von seinen Grundlagen viel aus beiden biblischen Testamenten. Ob die scheibchenweise Abkehr in den letzten Jahrzehnten für unser Land ein Segen war will ich schon schwer bezweifeln

Clemens Altenberg
4 Jahre zuvor

@ Helge Beck Ein Pionier des egalitären Universalismus ist der griechische Sophist Antiphon, der revolutionär die Gleichheit aller Menschen verkündete. Dann kamen die Stoiker mit zwei grundlegenden sozialen Forderungen: Gerechtigkeit und Menschenliebe – und zwar beides in einem Ausmaß, wie es bis dahin die Antike nicht gekannt hatte. Sie erstrecken sie nämlich auf alle Menschen, das heißt, sie schließen auch die Sklaven und die Barbaren ein. Das waren wahrhaft revolutionäre Forderungen. Denn bis dahin hatte man unter „Mensch“ mit fragloser Selbstverständlichkeit immer nur den freien griechischen und römischen Bürger verstanden. So sind die Stoiker die ersten, die im Altertum einen umfassenden Humanitätsgedanken und einen ebenso umfassenden Kosmopolitismus vertreten haben. Unter Naturrecht war das gemeint, wozu jeder Kraft menschlicher Geburt berechtigt ist – auch Barbaren und Sklaven. @ Jutta Verkehrte Welt: Was die Empfehlungen zur Verteilung des Reichtums angeht, sind Bibel und Koran ja viel „sozialistischer“ als die Kommunistische Partei Chinas… @ Matze Wer Max Weber gelesen hat, weiß, dass er… Weiterlesen »

Markus Jesgarz
4 Jahre zuvor

Meine Meinung ist:  1. Herr Jürgen Habermas verlangt nach einer guten christlichen Apologetik. Im Beitrag:  Das große Jammern. Eine Sammlung konservativ-nostalgischer Tränen, die über den Verfall des Guten in der Gesellschaft vergossen wurden blog.florisbiskamp.com/2019/05/06/das-grosse-jammern/ am 6. Mai 2019 von Dr. Floris Biskamp steht unter „30. März 2019“: In der NZZ entdeckt Maximilian Zech die Gefahr des christlichen Fundamentalismus. Und was ist die aktuell bedrohlichste Ausdrucksform dieses Fundamentalismus? Genau! Die brandgefährliche Idee der Nächstenliebe und die christlichen Versuche, sie den säkularen Mitbürger_innen in der Asylpolitik aufzuzwingen. Jürgen Habermas‘ politische Theorie wird dabei freilich nur zu der Hälfte rezipiert, die ins Konzept passt. Denn tatsächlich führt Habermas das christliche Konzept der Gottesebenbildlichkeit des Menschen als Beispiel für eine bereits erfolgte und erfolgreiche Übersetzung eines religiösen Konzepts in ein säkulares an, denn genau darauf beruhe unser Konzept der universellen Menschenwürde. Diese Menschenwürde kommt dann auch Flüchtenden zu, woraus sich eben politische und rechtliche Verpflichtungen ergeben. Aber damit sollte man sich nicht aufhalten. Religion… Weiterlesen »

DSGVO Cookie Consent mit Real Cookie Banner