Ethik

Die gekränkte Ehre

Aylin Korkmaz wurde im November 2007 von ihrem kurdischen Ex-Mann mit 26 Messerstichen lebensgefährlich verletzt. Weil sie sich von ihm getrennt hatte, wollte er sie töten – um seine »Ehre« wiederherzustellen. DIE WELT mit der 37-Jährigen über Ehrenmorde, arrangierte Ehen und ihr Engagement für Frauen.

Hier: www.welt.de.

Mehr Fälle von Sodomie

Die FAZ berichtete am 9. April:

Die Zahl von sexuellen Handlungen an und mit Tieren nimmt nach Einschätzung von Landwirtschaftsministerin Silke Lautenschläger (CDU) auch in Hessen zu. Zum einen berichteten Amtstierärzte, dass ihnen solche gemeinhin als Sodomie bezeichneten Verhaltensweisen immer häufiger zur Kenntnis gelangten, zum anderen belegten einschlägige Internetforen, in denen Täter sich zu solchen Praktiken bekennen oder sogar »Gebrauchsanweisungen« geben würden, diese Entwicklung, heißt es in der Antwort der Ministerin auf eine Anfrage mehrerer CDU-Abgeordneter. Sie vermute, dass die Taten, von denen die Behörden wüssten oder die gar vor Gericht verhandelt würden, »nur die Spitze eines Eisbergs« seien.

S. Dittert, O. Seidl u. M. Soyka schreiben in »Zoophilie zwischen Pathologie und Normalität«, Der Nervenarzt 1/2005, S. 61–67:

Der Wandel in der gesellschaftlichen Beurteilung sexueller Mensch-Tier-Kontakte von der Sodomie, Bestiophilie (oder gar Bestialität) als schwerster Sünde mit gerichtlicher Verfolgung oder gar Todesstrafe über Jahrhunderte hinweg bis zur Mitte des 20. Jahrhunderts mit der heutigen Einstellung zur Zoophilie, die von der getadelten Perversion über die sexuelle Deviation bis zur Störung der Sexualpräferenz und schließlich »persönlichen Angelegenheit« reicht, wenn es nicht zur Verletzung oder gar Tierquälerei kommt, ist schon ein eindrückliches Dokument menschlichen Gesinnungswandels.

Da fällt mir Lev 18,23 ein: »Kein Mann und keine Frau dürfen mit einem Tier geschlechtlich verkehren. Das ist widerwärtig und macht unrein.«

Hier die vollständige Meldung: www.faz.net.

Monopolverlust der Ehe

Bis in die 1970er Jahre hinein haben fast alle Erwachsenen geheiratet. Seit der Postmoderne sinken nach Auskunft des Instituts für Demographie, Allgemeinwohl und Familie die Heiratsquoten deutlich ab.

Das Institut schreibt zu dieser demographischen Entwicklung:

Der »Zweite Demographische Übergang« beendete diese Epoche der bürgerlichen Familiengesellschaft. Ehe und Familie verlieren seitdem sukzessive an sozialer Geltung: Zunächst nahmen Scheidungen zu, dann breiteten sich nichteheliche Lebensgemeinschaften aus und schließlich wuchs die Zahl der Singles. Die Familiengründung verschob sich immer mehr in ein höheres Lebensalter, zuerst wurden höhere Geburtenparitäten seltener und schließlich nahm auch die Kinderlosigkeit zu. Kinder sind längst nicht mehr ein selbstverständlicher Teil der Lebensplanung, sondern konkurrieren mit anderen Optionen (Konsum, Freizeit, Beruf). Im Zentrum der postmodernen Mediengesellschaft steht das autonome Individuum: Sein Selbstverwirklichungsstreben soll nicht durch endgültige Bindungen an Personen (Kinder, Ehegatten), Institutionen (Staat, Kirche) und Moral behindert werden. Die »traditionelle« Familie gilt dem postmodernen Individualismus als überholte Institution und ihr Bedeutungsverlust als emanzipatorische Befreiung. Gerne verdrängt werden die Kosten dieser Emanzipation: Weil die Familie ausfällt, muss immer häufiger der Staat für Kinder und alte Menschen sorgen. Gleichzeitig schwindet das Reservoir junger Arbeits- und Pflegekräfte, Steuer – und Beitragszahler. Diese Kollateralschäden der Emanzipation unterhöhlen die Fundamente des seit dem 19. Jahrhundert aufgebauten Wohlfahrtsstaatsgebäudes. Im Gegensatz zu Deutschland hatten die »neuen Industrieländer« kaum Zeit, eine solche Sozialarchitektur zu errichten: Fast zeitgleich erleben sie den ersten und den zweiten »Demographischen Übergang« – umso härter dürften sie die sozialen Konsequenzen des »exzessiven Individualismus« (E. Durkheim) treffen.

Hier mehr: www.i-daf.org. Interessant ist ausserdem folgender Artikel: www.welt.de.

Spätabtreibung: Das Geschenk eines Lebens

Susanne B. erfuhr im sechsten Monat ihrer Schwangerschaft, dass ihr Kind mit Down-Syndrom geboren werden würde. Sie entschied sich für eine Spätabtreibung – doch der Junge überlebte.

Tim hatte damit seine eigene Abtreibung überlebt. Simone G. und ihre Familie nahmen Tim auf. Der SPIEGEL hat mir den neuen Eltern gesprochen:

Susannes Baby sollte auf seinem Weg durch den Geburtskanal sterben, an den Anstrengungen und toxischen Medikamenten, die die Wehen einleiteten.

Tim hat seine Mutter nie kennen gelernt. Nach mehr als 30 Stunden Qual und Schmerzen musste der Arzt ihn aus Susannes Leib herausziehen, weil er sich noch nicht gedreht hatte. Ein kleines Bündel Mensch, nur 650 Gramm schwer, leichter als ein Paket Mehl.

Susanne wollte Tim nicht sehen, die Pfleger brachten ihn weg. Neun Stunden lag der Fötus nackt in einem Kreißsaal in Oldenburg, notdürftig in ein paar Handtücher gewickelt. Wozu ein Wärmebettchen, ein Brutkasten? Dieses Kind war geboren worden, um zu sterben. Doch Tim gab nicht auf: Als sein Körper schon auf 28 Grad abgekühlt war, schnappte er noch nach Luft. Da kam er auf die Frühchenstation, und später dann zur Familie G.

Hier der Beitrag: www.spiegel.de.

Die Kunst der Verführung

Übergriffe auf Schüler wurden in der Odenwaldschule mit literarischen Vorbildern gerechtfertigt. Raoul Löbbert hat einen ausgezeichneten Kommentar zu den Missbrauchsfällen an der Odenwaldschule geschrieben.

In der reformpädagogischen Kaderschmiede entschuldigte man die Pädophilie intern mit Beispielen aus Literatur und Philosophie. Statt dem reformpädagogischen Ansatz gemäß das Kind zum geistig wie sexuell mündigen Menschen zu formen, statt es als dem Lehrer ebenbürtige Persönlichkeit zu sehen, wurde es abhängig gemacht und sexuell ausgebeutet. Die erzieherische Praxis formte die Idee zur Perversion.

Das Kind sollte sich – sehr frei nach Platon – nicht mehr nur Kunst und Lehre, sondern auch dem Lehrer geistig wie körperlich hingeben: Laut Platon, dem Erfinder des »Eros paidagogikos«, ist der Lehrer der »himmlische Geliebte«: »Indem er den Schönen berührt und mit ihm Umgang pflegt, zeugt er, wovon er die Samen längst in sich trug, anwesend, abwesend an ihn denkend, und gemeinsam mit ihm zieht er das Gezeugte auf.«

Eine merkwürdige Vorstellung von Reform wurde da praktiziert: Als Gegenentwurf zu dem auf Disziplin und christlichem Ethos beruhenden kirchlichen Erziehungsideal wurde die Reformpädagogik Odenwaldscher Prägung aus dem Geist der Antike (oder was man dafür hielt) gezeugt. Sie feierte als Philosophie die griechische Knabenliebe, die als eine Art Tunika-Karneval mit lyrischem Lametta im 19. Jahrhundert vom greisen, an der Odenwaldschule hochverehrten Stefan George und seinen jungen Jüngern wieder salonfähig gemacht wurde.

Es sind nicht die Prügelprotokolle eines Marquis de Sade oder eines Guillaume Apollinaire, die an der Odenwaldschule als Referenz herangezogen wurden und dadurch ihre reale oder eingebildete jugendverderbende Wirkung zeigten. Es sind Schriften, die an der Grenze zwischen Ästhetik und Pädagogik Jugend gefährden, indem sie Jugend idealisieren. Der Schüler ist in ihnen ein leeres Gefäß, das es vom Erzieher zu füllen gilt. Jeder Oberstudienrat im Odenwald wird so zum kleinen Prometheus. »Hier sitze ich/ forme Menschen nach meinem Bilde«, heißt es im Goethe-Gedicht. Genauso soll in der Reformpädagogik der mündige Mensch, nicht nach dem Bild Gottes, sondern nach dem Vorbild des Lehrers, entstehen. Er soll – ein Grundfehler dieser Form der Pädagogik – mehr geformt als gefördert werden. Erziehung wird somit zur Kunst mit anderen Mitteln: Im Schaffen des neuen Menschen wird der von seinen Eltern isolierte Internatsschüler als bloßes Material angesehen. Das Menschenbild, das dahintersteht, ist autoritär. Es erleichtert nicht nur den Missbrauch am Schüler, sondern auch den an der Kunst.

Hier der sehr empfehlenswerte Beitrag: www.merkur.de.

Folgen einer Scheidung sind über Generationen wirksam

Das »Institut für Demographie, Allgemeinwohl und Familie« schreibt im aktuellen Newsletter:

Jedes Jahr erleben etwa 200.000 Kinder in Deutschland, dass sich ihre Eltern trennen. Als Folge des Zerbrechens von Ehen und Beziehungen wachsen mittlerweile etwa ein Fünftel der Kinder in den alten und ein Drittel der Kinder in den neuen Bundesländern nicht mehr mit beiden leiblichen Eltern zusammenlebend auf (1). Lange bestand Konsens darüber, dass Trennungen der Eltern Kinder schwer belasten und die »Festigkeit der Kernfamilie« für ihr Wohlergehen wesentlich ist. Befürwortern eines neuen Leitbilds der »sozialen Elternschaft« gilt dagegen die »Orientierung der Öffentlichkeit am alten Ideal der Kernfamilie« (Renate Schmidt) als »überholt«. In diesem Sinne betont der 7. Familienbericht der Bundesregierung, dass eine gesunde Entwicklung von Kindern »mit einem breiten Spektrum familialer Lebensformen vereinbar« sei (2). Aus dieser Sicht sollen Trennung und Scheidung »entdramatisiert und als zu bewältigende Erfahrung konzipiert« werden. Früher habe sich die Analyse von Scheidungen zu sehr auf die »negativen Auswirkungen, atypische und sogar pathogene Entwicklungstendenzen der Familie« konzentriert. Heute sehe man dagegen »im Übergang neben Dysfunktion gleichermaßen das Potential für Stimulation und entwicklungsbezogenes Wachstum gegeben«. »Kritische Lebensereignisse« wie die Scheidung böten die Chance, »Beziehungen und die Lebenssituation neu und oftmals für alle Beteiligten befriedigender zu organisieren« (3). Gleichzeitig muss der Expertenbericht jedoch einräumen, dass Scheidungen zu den »am meisten belastenden Lebensereignissen von Kindern« zählen. Insbesondere die anfängliche Phase der Elterntrennung sei »für die große Mehrheit der Kinder recht belastend«, zumal die meisten Kinder »auf die Elterntrennung emotional nicht vorbereitet« seien. Trennungen der Eltern beeinträchtigten »das Selbstwertgefühl der Kinder, soziale und kognitive Kompetenzen sowie die schulischen Leistungen«. Scheidungskinder zeigten »vermehrte Tendenzen zu externalisierenden und internalisierenden Bewältigungsstrategien«, sie werden also häufiger psychisch auffällig (4). Vor allem männliche Scheidungswaisen sind anfälliger für Drogenkonsum, Delinquenz und Gewalt. Zwar verhalten sich in der Adoleszenz auch Kinder aus äußerlich intakten Kernfamilien nicht selten destruktiv und antisozial. Im Vergleich zu diesen ist das »Risiko von Anpassungsproblemen« bei Scheidungskindern im Vergleich jedoch mindestens doppelt so hoch (5).

Hier der vollständige Text: www.i-daf.org.

Hänseljagd

In den letzten Wochen entstand in der Öffentlichkeit gelegentlich der Eindruck, Fälle sexuellen Missbrauchs seien ein überwiegend katholisches Problem. Nun dringt allmählich durch, was viele bereits ahnten: Nicht nur in den Patchwork-Familien ist er weit verbreitet, auch in einer humanistischen Eliteschmiede sollte der sexuelle Missbrauch von Kindern die Persönlichkeitsentwicklung der Schüler voran bringen.

Die FAZ schreibt:

Sabine Leutheusser-Schnarrenberger nimmt kein Blatt vor den Mund, wenn es um entschlossene Aufklärung der Fälle von Kindesmissbrauch geht. »Macht euch Gedanken«, sagte sie, an die katholische Kirche gewandt, am 22. Februar in der ARD, »schlagt etwas vor, was natürlich letztendlich mit Unabhängigkeit, auch mit einer klaren Zielrichtung versehen sein muss. Ich glaube, es ist wirklich die Stunde da, dass die katholische Kirche ganz anders mit den Vorgängen in ihren Reihen umgeht.« Im Interesse der Opfer sei es schon bei Verdachtsfällen gut, wenn die Staatsanwaltschaft tätig werde.

Frau Leutheusser-Schnarrenberger weiß als Bundesministerin der Justiz, wie die Dinge geregelt werden müssen. Aber da sie seit April 1999 das Amt einer Beirätin der »Humanistischen Union« versieht, weiß sie auch, wie sich diese laizistisch-liberale Vereinigung im September 2000 zum Sexual- und Jugendstrafrecht äußerte. Nämlich »mit großer Besorgnis«. Es ging schon damals um Kindesmissbrauch. Vor zehn Jahren also warnte man entschieden vor einer »Dämonisierung von bestimmten Tätern und Tätergruppen«. An politische Fahrlässigkeit, »wenn nicht Schlimmeres«, grenze es, die Bekämpfung der »außerordentlich raren Fälle« zur Aufgabe staatlicher Politik »zu stilisieren«.

Mitglied im Beirat der »Humanistischen Union« war bis zu seinem Tod vor zwei Jahren auch der Sexualpädagoge Helmut Kentler. 1994 hatte er erklärt, schon das Wort »Missbrauch« sei meist irreführend: »Ich habe im Gegenteil in der überwiegenden Mehrzahl der Fälle die Erfahrung gemacht, dass sich päderastische Verhältnisse sehr positiv auf die Persönlichkeitsentwicklung eines Jungen auswirken können, vor allem dann, wenn der Päderast ein regelrechter Mentor des Jungen ist.«

Wer die Abgründe der Lehrerspiele kennenlernen möchte und meint, den geschilderten Stoff ertragen zu können, sollte sich mit dem Artikel »Hänseljagd an der Odenwaldschule« beschäftigen. Hier: www.faz.net.

Bekannter Evangelikaler sympathisiert mit »Ja« zur gleichgeschlechtlichen Ehe

James Jones, Bischof von Liverpool, hat seine sexualethischen Überzeugungen geändert und plädiert für eine »menschlichere Pastoraltheologie«. Zur neuen Linie gehört die kirchliche Unterstützung für ein zivilrechtliches »Ja« zur gleichgeschlechtlichen Ehe. Brisant an der Sache: Jones, übrigens ein Förderer von Steve Chalke’s transformativen Theologie, steht der Evangelischen Allianz sehr nah.

Hierhier und hier mehr dazu.

EU-Parlament fordert ungehinderten Zugang zu Abtreibung

Einen »ungehinderten Zugang zu Verhütung und Abtreibung« fordert das Europäische Parlament. Es verabschiedete am 11. Februar mit 381 Ja- und 253 Nein-Stimmen bei 31 Enthaltungen einen Initiativbericht zur Gleichstellung von Frauen und Männern. Die sozialdemokratische EU-Abgeordnete Jutta Steinruck begrüßte das Ergebnis als wichtigen Sieg:

Die Rechte der Frauen, einschließlich das Recht auf Abtreibung und Empfängnisverhütung, sind heute entscheidend gestärkt worden.

Männer und Frauen sollten auf die sprachliche Kodierung achten: »Recht auf Abtreibung«. Das Gefälle ist eindeutig:

  1. »ist strafbar« (Abtreibungen sind in Deutschland auch seit der Neuregelung im Jahr 1995 grundsätzlich noch strafbar.)
  2. »ist erlaubt« (Im Bewusstsein der Bürger ist etwas, das praktisch kaum bestraft wird, erlaubt.)
  3. »ein Recht auf Abtreibung haben«.

Kommt irgendwann die Verpflichtung zur Abtreibung dazu, sollten verbindliche gemachte pränatale Untersuchungen auf eventuelle Behinderungen des Kindes hinweisen? Armes Europa!

Mehr dazu hier und hier: www.kath.net.

Warum ist Sex etwas Besonderes?

Jeffrey Olen und Vincent Barry fragen in ihrem Buch Applying Ethics: A Text with Readings:

Warum sollte Sex nicht wie jede andere Aktivität behandelt werden? Warum sollten wir es als moralisch einwandfrei betrachten, mit jemandem Tennis zu spielen, den wir nicht lieben, aber als unmoralisch, mit jemandem Sex zu haben, den wir nicht lieben? Warum sollten wir es als moralisch einwandfrei betrachten, mit einer Per- son des gleichen Geschlechts Mittag zu essen, aber als unmoralisch, mit der gleichen Person Sex zu haben? Warum sollte es uns erlaubt sein, aus reinem Vergnügen einen Film zu schauen, aber nicht, aus reinem Vergnügen Sex zu haben? Wodurch zeichnet sich Sex aus, dass solche besonderen Regeln dafür notwendig sind?

Mein Kollege Thomas Johnson gibt im MBS Text 145 »Warum ist Sex etwas Besonderes?« eine Antwort: mbstexte145.pdf.

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