„Worüber man nicht spricht“

Barbara Zehnpfennig beschreibt in ihrem Artikel „Worüber man nicht spricht“ (FAZ, Nr. 103, 05.05.2021, S. N4) die wachsende Zahl von Ausladungen und Sprechverboten an den deutschen Hochschulen. Die Cancel Culture, die im Namen einer vermeintlichen Toleranz den Meinungsstreit verhindert, treffe die Wissenschaft in ihrem Kern, meint die Autorin:

Wie verhält es sich also tatsäch­lich mit der Wissen­schafts­frei­heit? Kann man bei uns alles sagen? Ja, das kann man in der Tat. Die Frage ist aber, zu welchem Preis man das kann. Schon dass es einen Preis hat, als Wissen­schaft­ler über bestimm­te Themen wie Kolo­nia­lis­mus, Geschlecht oder Islam in einer Weise zu denken, die nicht den von mino­ri­tä­ren Deutungs­eli­ten vorge­ge­be­nen Denk­mus­tern entspricht, ist ein Problem. Damit ist keines­wegs das Problem gemeint, auf Wider­spruch zu stoßen. Ganz im Gegen­teil, der Wider­spruch, das Aufein­an­der­tref­fen von Argu­ment und Gegen­ar­gu­ment, ist das Lebens­eli­xier der Wissen­schaft. Wer das nicht aushält, wer es nicht erträgt, wenn die eige­nen Forschungs­er­geb­nis­se kriti­siert und gele­gent­lich auch zerpflückt werden, ist in der Wissen­schaft nicht am rech­ten Ort.

Leute, die den Mainstream infrage stellen, erhalten oft gar keine Gelegenheit mehr, ihre Positionen vorzustellen und zu begründen: 

Die Mittel des Ausschlus­ses sind viel­fäl­tig. Gegen einen Kommu­ni­ka­ti­ons­wis­sen­schaft­ler, der in einem Beitrag für das Forum einer Fach­zeit­schrift die Praxis des Genderns kriti­siert, wird eine Unter­schrif­ten­lis­te orga­ni­siert, in der 82 Fach­kol­le­gen fordern, derar­ti­ge Beiträ­ge nicht mehr zu drucken. Ein Pegida-Forscher, der dafür plädiert, mit den Teil­neh­mern an den Pegida-Demons­tra­tio­nen doch auch einmal zu reden, um ihre Motive zu verste­hen, wird viel­fach öffent­lich ange­fein­det. Von studen­ti­schen und städ­ti­schen Grup­pen wird ihm das Recht bestrit­ten, an ihrer Univer­si­tät einen Vortrag zu halten. Schlie­ß­lich zündet irgend­je­mand sein Auto an. Gegen einen Poli­tik­wis­sen­schaft­ler, der das Tragen eines Kopf­tuchs in der Schule als Verstoß gegen das staat­li­che Neutra­li­täts­ge­bot wertet, erstat­tet eine Studen­tin Anzei­ge wegen Volks­ver­het­zung. Die Stadt Hanno­ver sagt den Vortrag eines renom­mier­ten Histo­ri­kers über die Kolo­ni­al­ge­schich­te ab, weil eine rassis­mus­kri­ti­sche Initia­ti­ve das Auftre­ten eines „weißen Mannes“ zu diesem Thema bemän­gelt und an der Diskus­si­on, die im Anschluss an den Vortrag geplant war, nicht mehr teil­zu­neh­men bereit ist. Beispie­le unter vielen.

Und was sind die Folgen? Frau Prof. Barbara Zehnpfennig schreibt dazu: 

Das bedeu­tet die Ausbrei­tung des Duck­mäu­ser­tums und der Heuche­lei in die Wissen­schaft. Man macht seinen Kotau vor Diver­si­tät, Gender und euro­päi­scher Univer­sal­schuld und versucht, dahin­ter verbor­gen doch noch etwas von dem zu retten, was einem eigent­lich wich­tig ist. Oder man ergibt sich völlig dem Druck und liefert das Gefor­der­te. In beiden Fällen verstärkt man die schon vorhan­de­ne Tendenz. 

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Konrad Kugler
2 Jahre zuvor

Faschismus ist keine Lehre, sondern das Verhalten von Ideologen.

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