Autogene Training – eine dunkle Entstehungsgeschichte

Seit vielen Jahren ist das autogene Training ein Renner. Die These: Mit Hilfe der eigenen Vorstellungskraft könne man sich durch autogenes Training in einen Zustand der Entspannung versetzen, Stress abbauen und sogar Schlafstörungen lindern. Die sanfte Form der Selbsthypnose wird nicht nur von verschiedensten Krankenkassen empfohlen (vgl. hier), sondern hat sich hin und wieder auch in christliche Seelsorgeangebote eingeschlichen. Und Jesusnachfolger, die einst Esoteriker waren und heute vor der Methode warnen, werden nicht selten schief angeschaut.

DIE WELT präsentiert den Artikel eines Arztes, der dem autogenen Training abgeschworen hat, nachdem er auf die dunkle Geschichte des deutschen Erfinders Johannes Heinrich Schultz gestoßen ist. Schultz, als „international herausragende Persönlichkeit der Neuropsychiatrie und Psychotherapie“ gefeiert, war ein echter Nazi und Förderer des „Euthanasie“-Programms.

Zitat: 

Das Autogene Training wurde vor rund hundert Jahren von dem deutschen Psychiater Johannes Heinrich Schultz (1884 – 1970) entwickelt. Schon als junger Arzt begann Schultz, der Medizin in Lausanne, Breslau und Göttingen studiert hatte, sich für Hypnose zu interessieren und hierzu seine eigene Methode zu entwickeln. Zunächst hatte er, der 1924 nach Berlin gezogen war, sie als „autogene Organübungen“ benannt, aber in seinem Buch von 1932 änderte er dann den Namen in „Autogenes Training“, ein Begriff, der so viel bedeutet wie ein Training, das aus sich selbst heraus entsteht.

Schultz kann als überzeugter Nazi gelten. Er war zwar in erster Ehe mit einer jüdischen Kinderärztin verheiratet gewesen, machte dennoch rasch Karriere. Schultz wurde 1933 Vorstandsmitglied der Deutschen Medizinischen Gesellschaft für Psychotherapie unter Matthias Heinrich Göring, Arzt und Cousin des Reichsmarschalls Hermann Göring.

Von 1936 an war er Vorstandsmitglied des Deutschen Instituts für Psychologische Forschung und Psychotherapie. Er trat dem Nationalsozialistischen Kraftfahrerkorps (NSKK) bei, das 1935 in der SA aufging, und war Mitglied der Nationalsozialistischen Ärztekammer.

Schultz war ein aktiver Befürworter der Zwangssterilisation von Personen, die damals als genetisch belastet eingestuft wurden, und des „Euthanasie“-Programms der Nazis, das die Vernichtung von Behinderten und anderen „lebensunwerten“ Menschen betrieb. Durch seine Diagnosen fällte Schulz zahlreiche Todesurteile und er prägte sogar den Begriff „Todesurteil in Form einer Diagnose“. Schultz wurde schließlich stellvertretender Direktor des Göring-Instituts in Berlin. 

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