Buße

„Umkehr“ in der Verkündigung von Jesus

Joachim Jeremias schreibt über die „Umkehr“ in der Verkündigung von Jesus (Neutestamentliche Theologie: Erster Teil, 1988, S. 151–152): 

Jesus sieht die Menschen in ihr Verderben rennen. Es steht alles auf des Messers Schneide. Es ist letzte Stunde. Die Gnadenfrist läuft ab. Unermüdlich weist er auf die Bedrohlichkeit der Situation hin. Siehst du nicht, sagt er, daß du in der Lage des Beklagten bist, der vor dem Gerichtshaus steht und dessen Prozeß hoffnungslos ist? Es ist die letzte Minute, dich mit deinem Gegner zu vergleichen (Mt 5,25f. par. Lk 12,58f.). Siehst du denn nicht, daß du in der Lage des Verwalters bist, dem das Messer an der Kehle sitzt, weil seine Betrügereien aufgedeckt sind? Lerne von ihm! Er läßt die Dinge nicht treiben, er handelt resolut, wo alles auf dem Spiel steht (Lk 16,1–8a, erweitert durch kommentierende Logien V. 8b-13). Jeden Augenblick kann der Ruf erschallen: der Bräutigam kommt; dann zieht der Hochzeitszug mit den Fackeln* in den Festsaal, und die Tür wird verschlossen, unwiderruflich. Sorge dafür, daß du Öl für die Fackel hast (Mt 25, 1–12). Leg das Hochzeitsgewand an, ehe es zu spät ist (Mt 22,11–13). Mit einem Wort: Kehre um, solange es noch Zeit ist.

Die Umkehr, das ist die Forderung der Stunde. Umkehr ist nötig nicht nur für die sogenannten Sünder, sondern ebenso, ja noch mehr, für die, die nach dem Urteil der Umwelt „der Buße nicht bedurften“ (Lk 15,7), für die Anständigen und Frommen, die keine groben Sünden begangen hatten; für sie ist die Umkehr am dringlichsten.

Was meint Jesus aber, wenn er fordert: Kehrt um? Wieder ist typisch, daß die Vokabeln metanoia und metanoein kein erschöpfendes Bild geben von dem, was Jesus unter Umkehr verstehts. Eine deutlichere Sprache reden die Gleichnisse; am klarsten und schlichtesten sagt es das Gleichnis vom verlorenen Sohn“. Die Wende seines Lebens wird umschrieben mit seis eauton de eltwn (Lk 1S, 17), hinter dem ein aramäisches hadar beh stehen dürfte, das nicht wie die griechische Formulierung „er kam in vernünftige Geistesverfassung“, sondern „er kehrte um“ bedeutet. Dabei ist das erste, daß er seine Schuld bejaht (V. 18). So bejaht auch der Zöllner seine Schuld: „Er wagte ess nicht, die Augen zum Himmel zu erheben“, geschweige denn (so ist zu ergänzen) die Hände (Lk 18,13). Statt des üblichen Gebetsgestus der erhobenen Hände und Augen schlägt er sich verzweifelt an die Brust mit den Anfangsworten des s r. Psalms, die er um den (adversativ gemeinten!) Dativ tã Quaotalã erweitert: „O Gott, sei mir gnädig, obwohl ich so sündig bin.“ Die Meinung ist wohl, daß der Zöllner den ganzen Bußpsalm gebetet habe: „Gott, sei mir gnädig nach deiner Güte und tilge meine Sünden nach deinem großen Erbarmen. Wasche mich rein von meiner Schuld, reinige mich von meiner Sünde. Denn ich erkenne meine Missetat, und meine Sünde steht mir immer vor Augen …“ Diese Bejahung der Schuld hat nicht nur vor Gott zu geschehen, sondern auch vor den Menschen. Sie äußert sich in der Bitte um Vergebung an den Bruder (Mt 5,23f.; Lk 17,4) und im Mut zum öffentlichen Sündenbekenntnis (19,8).

Umkehr ist nun aber mehr als Reue. Sie ist Abkehr von der Sünde. In immer neuen Bildern fordert Jesus diese Abkehr, und zwar stets konkret, von jedem in seiner Lage. Vom Zöllner erwartet er die Abkehr vom Betrug (Lk 19,8), vom Reichen die Abkehr von der Mammonsherrschaft (Mk 10, 17–31), vom Eitlen die Abkehr von der Hoffart (Mt 6,1–18). Wer einem anderen Unrecht getan hat, soll es wiedergutmachen (Lk 19,8). Hinfort soll der Gehorsam gegen Jesu Wort das Leben bestimmen (Mt 7,24–27), das Bekenntnis zu ihm (Mt 10,32f. par.), die Nachfolge, die allen anderen Bindungen vorgeht (V. 37 par.).

Der Christ und die Buße

Der Buß- und Bettag ist eine gute Gelegenheit, einmal über die Bedeutung von „Buße“ nachzudenken. Sam Storms liefert in seinem Artikel „Der Christ und die Buße“ einige Anstöße dazu:

Das biblische Konzept der Buße wird leicht missverstanden und falsch angewendet. Eine genauere Untersuchung ist somit angebracht. Einige Texte machen klar deutlich, dass Buße, zusammen mit dem Glauben, essentiell für die Vergebung der Sünden ist (vgl. Lk 24,47; Apg 2,38; 3,19; 5,31; 11,18). Die griechischen Begriffe metanoeō (umdenken) und epistrephō (sich umwenden; vgl. Apg 26,18) in Apostelgeschichte 3,19 und 26,20 „werden als gleichwertige Begriffe nebeneinandergestellt, obwohl in diesen Fällen der erste eher die Abkehr vom Bösen und der zweite die Hinwendung zu Gott betont“.

An dieser Stelle gilt unser Hauptaugenmerk jedoch der Buße im Leben des wiedergeborenen Gläubigen.

Viele begehen den prinzipiellen Fehler, dass sie ihr Verständnis von Buße auf den Stamm des griechischen Wortes gründen. Das griechische Verb metanoeō (umdenken) setzt sich aus der Präposition meta („mit, nach“) und dem Verb noeō („verstehen, denken“) zusammen. Daraus schlussfolgern manche, dass die Buße eines Christen einzig und allein darin besteht, sein Denken zu ändern bzw. die Sünde und seine Beziehung zu Gott zu überdenken. Die Bedeutung von Worten wird allerdings nicht auf diese Weise bestimmt, sondern ergibt sich durch ihren Gebrauch und den Kontext. Ein Sinneswandel oder eine Änderung der Sichtweise hat keinen Wert, wenn damit nicht eine Richtungsänderung, eine Änderung des Lebens und des Handelns einhergeht.

Echte Buße beginnt zwar mit einer tiefgreifenden Überführung von Sünde, endet aber keineswegs an dieser Stelle. Sie beginnt mit der eindeutigen herzzerreißenden Anerkennung der Tatsache, dass man Gott herausgefordert hat, indem man sich für das entschieden hat, was er verachtet und hasst – oder zumindest gleichgültig war gegenüber dem, was er liebt und was seinem Wesen entspricht. Buße beinhaltet somit, dass man in seinem Herzen anerkennt: „Das ist falsch. Ich habe gesündigt. Gott ist betrübt.“ Das Gegenstück zu dieser Anerkennung ist Rationalisierung, der selbstsüchtige Versuch, die eigene moralische Nachlässigkeit durch eine Reihe von Einsprüchen zu rechtfertigen: „Ich bin ein Opfer. Wenn du wüsstest, was ich durchgemacht habe und wie schlecht meine Mitmenschen mich behandelt haben, würdest du nicht so streng urteilen.“

Mehr: www.evangelium21.net.

Melanchthon: Es ist widersinnig das Gesetz nicht zu predigen

Philipp Melanchthon schreibt in seinen Loci praecipui theologici (Bd. 2, Leipzig: Ev. Verlagsanstalt, 2020, S. 129):

Und es ist eine gänzlich falsche, widersinnige und verderbliche Vorstellung, sich einzubilden, dass das Gesetz nichts ist oder nicht gepredigt werden darf. Denn es ist deshalb von den Vätern gepredigt und später mit erschütternder Stimme auf dem Berg Sinai enthüllt und unaufhörlich von den Propheten, Christus und den Aposteln wiederholt worden, damit wir wissen, dass es die ewige und unveränderliche Lehre Gottes ist, die den Zorn auf die Sünde deutlich bezeichnet. Wir sollen ebenso wissen, dass alle Menschen in dieser Verdorbenheit der Natur durch dieses Urteil Gottes verdammt worden sind und so dem Gesetz unterstehen. So wie Paulus sage „Wir sind alle beschuldigt, unter der Sünde zu stehen“, das heißt, wir sind verdammt und schuldig vor Gott So wie immer der göttliche Geist Bestand hat, so ist es notwendig, dass das Gesetz immer Bestand hat. Und die Kenntnis dieses Gesetzes bleibt in unserm Gewissen und ist erläutert durch die Stimme Gottes, der Väter, der Propheten, Christi und der Apostel. Deshalb schärft auch Christus das Gesetz so oft ein, wie Matthäus 5, und zwar fügt er eine Erklärung bei, damit wir wissen, dass durch das Gesetz nicht nur die äußeren Vergehen angeklagt werden, sondern auch die inneren Fehler, die Blindheit, der ungerechte Hass, die Flammen des Begehrens usw. Gott will also, dass in der Kirche immer die Stimme dieses Gesetzes ertönt, die den Gehorsam des Herzens verkündet.

Timotheus 9

image.pngAusgabe 9 des Magazins Timotheus ist erschienen. Diesmal geht es um ein Thema, über das heute kaum noch gepredigt und gesprochen wird: die Buße.

In Zeiten der großen Erweckungen, in den Zeiten Luthers, Calvins, Whitefields, Edwards oder Spurgeons nahm die „Buße“ ihren rechtmäßigen und lehrmäßig richtigen Platz ein.

Die Biografien großer Gottesmänner zeugen von der Wucht und Wichtigkeit „echter Buße“ und wir tun gut daran, daraus zu lernen. Angesichts dieser Tatsachen fragen wir: „Was bedeutet Buße wirklich?“ Diese Ausgabe kann niemals die Lehre der Buße als ganzes erfassen und es bleibt letztlich ein fehlerhafter Versuch diesem wichtigen Thema literarisch gerecht zu werden.

Vielleicht kann diese Ausgabe als Plädoyer oder Anstoß dafür dienen, der Buße in Denken, Leben und Praxis den richtigen Platz zu geben.

Hier eine Bestellmöglichkeit und mehr: www.timotheusmagazin.de.

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