Claas Relotius

Aufstieg und Fall des Journalisten Claas Relotius

Der SPIEGEL-Reporter Claas Relotius fesselte jahrelang die Leser mit seinen außergewöhnlichen Reportagen und bekam dafür zahlreiche renommierte Preise. Allein in den Jahren 2012 bis 2018 erhielt er 19 journalistische Auszeichnungen. Das amerikanische Forbes-Magazin zählte ihn zu den herausragenden europäischen Autoren unter 30 Jahren.

Im Herbst 2018 wurde dann entdeckt, dass Relotius seine Reportagen im großen Umfang frei erfunden hatte. Dieser Medienskandal erschütterte den Journalismus bis ins Mark. Wie konnte es passieren, dass ein Autor über viele Jahre Geschichten kolportiert und dafür von Kollegen, renommierten Redaktionen und Preisgebern bewundert wird? 

Die Geschichte wird in der Dokumentation „Erfundene Wahrheit – die Relotius Affäre“ analysiert und aufgearbeitet. Und es lohnt sich, sich das mal anzuschauen. Deutlich wird, wie schnell der erzählerische Journalismus Traumwelten entwirft. Deutlich wird auch, dass es Journalisten mit einer „Liebe zur Wahrheit“ gibt; diese aber allerlei Widerstände zu ertragen haben. 

Der Film kann derzeit bei Amazon-Prime gestreamt werden: www.amazon.de.

Märchen für Erwachsene

Claas Relotius nannten manche in der SPIEGEL-Redaktion einen „Jahrhundertjournalisten“.  Über 40 Auszeichnungen hat er erhalten. Er galt unter den Journalisten als Supertalent. Der Medienwissenschaftler Bernhard Pörksen hat für die NZZ beschrieben, warum das wirklichkeitsfremde Storytelling so erfolgreich war und wie es schließlich – trotz massiver Widerstände in der Redaktion – von Juan Moreno aufgedeckt wurde.

Es gibt eine grosse, fundamentale Frage, die der Philosoph Immanuel Kant einmal formuliert hat. Was ist der Mensch? Man kann, wenn man das Buch des Journalisten Juan Moreno zu Ende gelesen hat, jenes Mannes, der den «Spiegel»-Fälscher und Branchen-Star Claas Relotius mehr oder minder im Alleingang entlarvte, eine ziemlich düstere Antwort formulieren. Sie lautet: Der Mensch ist das Wesen, das die Lüge liebt, bestätigungssüchtig, gefangen im Kokon der eigenen Vorurteile, von denen er auch dann nicht lassen will, wenn sich die Realität längst laut dagegen sperrt.

Was ist passiert? Juan Moreno, freier Autor des «Spiegels», hat einen der grössten Medienskandale in Deutschland aufgedeckt, Claas Relotius, einen gefeierten, mit Preisen überhäuften Reporter als Hochstapler demaskiert. Und er hat mit seinem neuen Buch, «Tausend Zeilen Lüge», ein Lehrstück verfasst, das von der Manipulationsanfälligkeit des Menschen handelt (und letztlich, aber dazu später, auch von der Möglichkeit, dem Irrtum und der Illusion zu entkommen).

Mehr: www.nzz.ch.

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