Emanuel Hirsch: Theoretiker der Moderne
Forderungen nach einem „zeitgemäßen Christentum“ sind heutzutage in vieler Munde. Dieser Anspruch ist keineswegs neu. Es ist beispielsweise keine 100 Jahre her, als einige deutsche Professoren die Geschichtlichkeit des Denkens aufs äußerste betonten und für mehr Geistesoffenheit in der Theologie plädierten. Unter diesen Professoren war der geniale Luther- und Kierkegaardexperte Emanuel Hirsch (1888–1972). Schon bei ihm finden wir, was heute „Pop“ ist: Christentum ist das Bewusstsein für das göttliche Geheimnis. Jeder Theologe ist Kind seiner Zeit. Nicht auf Dogmen, sondern auf die Gemeinschaft kommt es an.
Diese intellektuelle „Gewissenstheologie“ trieb Hirsch schließlich in den Nationalsozialismus. Hirsch:
Kein einziges Volk der Welt hat so wie das unsere einen Staatsmann, dem es so ernst um das Christliche ist; als Adolf Hitler am 1. Mai seine große Rede mit einem Gebet schloß, hat die ganze Welt die wunderbare Aufrichtigkeit darin gespürt.
Nachfolgend ein vortrefflicher DLF-Beitrag über den Theologen und sein modernes Christentum. Bemerkenswert ist das abschließende Zitat von dem amerikanischen Historiker Robert P. Ericksen:
Kann ein intelligenter Mensch sichergehen, dass es ihm gelingen wird, eine Wiederholung von Hirschs Irrtum zu vermeiden? In einer zunehmend komplexen Welt könnte der Druck der Moderne sich in einer ähnlichen Intensität bemerkbar machen, wie dies in der Weimarer Republik geschah, und es wäre schön, dann aus Hirschs Fehlern lernen zu können.