Anfang Dezember 2014 wurde an der STH Basel eine Tagung zur Bewegung „Radical Orthodoxy„ abgehalten (vgl. hier). Die STH schreibt im Rückblick:
Referenten der Tagung
Die Radical Orthodoxy (RO) und ihr Vordenker Prof. Dr. John Milbank, Universität Nottingham, England, haben in der englischsprachigen Welt weiträumige Resonanz mit einer These gefunden, die quer zum Zeitgeist steht: Theologie soll Milbank zufolge wieder erste Wissenschaft werden. Christlicher Glaube muss seine kulturprägende Kraft wiedergewinnen.
Die Tagung an der STH Basel am 6. 12. 2014 setzte sich die Aufgabe, die RO im christlichen Denken in Europa bekannt zu machen. Vor ca. 70 Teilnehmerinnen und Teilnehmern hatten wir Gelegenheit, auf hohem Niveau mit John Milbank in ein intensives, freundschaftliches, aber nicht unkritisches Gespräch zu kommen. Milbank stellte in einem brillanten Vortrag Anliegen und bisherige Ausprägung der RO dar. Sein Schüler Dr. Adrian Pabst, Universität Kent, England, arbeitete anschliessend den Begriff der Partizipation als einer Partizipation an Christus systematisch und ideengeschichtlich besonders heraus. Prof. Dr. Daniel von Wachter, Internationale Akademie für Philosophie im Fürstentum Liechtenstein, stellte die Frage, ob die RO hinreichend orthodox ist. Folgt sie wirklich klar genug christlicher Lehre und deren Aufforderung zu Handlung und Umkehr? Prof. Dr. Harald Seubert, STH Basel, brachte darauf hin die Frage nach dem Zusammenhang von Heilsgeschichte und Metaphysik, Bibelwissenschaft und christlichem Denken, das am Wort Gottes seinen Massstab finden muss, in die Diskussion ein.
Am Nachmittag folgten auf die Hauptvorträge kurze Statements von PD. Dr. Hans Otto Seitschek, Ludwig-Maximilians-Universität München, der den katholischen Denker Romano Guardini ins Gespräch brachte, sowie des einstigen STH-Professors Gianfranco Schultz, der, ausgehend vom niederländischen Philosophen Herman Dooyeweerd, das Profil reformierten christlichen Denkens einbezog.
Eine lebendige, auf das Publikum geöffnete Diskussion schloss sich an, zu der auch weitere Kollegen hoch interessante Beiträge einbrachten. Schwerpunkte waren die Reichweite der Theologie, die Dimension von Lobpreis, christlicher Kunst, aber auch der Ethik der Heiligung. Sodann konzentrierte sich der Disput unter Moderation von PD Dr. Johannes Corrodi, Universität Zürich, auf das Verhältnis von Politik, Demokratie und Eschatologie und die Position des christlichen Glaubens in einer weitgehend säkularisierten Welt: Ein dichter und erfüllter Tag, an dem die STH Basel im Zentrum christlichen Denkens der Gegenwart stand.
Die Tagung, die Prof. Dr. Sven Grosse und Prof. Dr. Harald Seubert, beide STH Basel, gemeinsam vorbereitet hatten und die von der Thyssen-Stiftung grosszügig gefördert worden war, wird in einen Band münden, in dem die Positionen im einzelnen nachgelesen werden können und der gewiss weitere Debatten auslösen wird.
Die Staatsunabhängige Theologische Hochschule Basel (STH) veranstaltet vom 17.-18. September 2010 eine Studientagung zum Thema »Möglichkeit und Aufgabe christlichen Philosophierens«. Die STH schreibt dazu:
Fides quaerens intellectum – dieser Satz läßt sich nach zwei Richtungen hin verstehen. Zunächst selbstreflexiv im Sinne einer rationalen Erhellung und Verantwortung des Glaubens. Darüber hinaus sucht der Glaube aber auch die Welt, in der er lebt, in ihrem Facettenreichtum zu verstehen und aus seiner Sicht zu deuten. Wer von christlicher Philosophie spricht, bezieht sich in der Regel auf diesen zweiten Aspekt, den Weltaspekt. Damit ist christliche Philosophie jedoch einer der mannigfachen Spieler auf dem Feld philosophischen Denkens. Sie unterscheidet sich hinsichtlich ihres Ausgangspunktes im Glauben. Im Hinblick auf die gemeinsame menschliche Erfahrungswirklichkeit sucht sie aber das Gespräch mit konkurrierenden Interpretationen. Da philosophisches Denken immer unter dem Vorzeichen der Vorläufigkeit steht, kann man, streng genommen, auch nicht von der (wahren) christlichen Philosophie sprechen, sondern besser von einer Berufung zum christlichen Philosophieren. Die Tagung unternimmt es, die Möglichkeiten und Aufgabenstellungen solchen christlichen Philosophierens in der Auseinandersetzung mit Klassikern des philosophischen und theologischen Denkens und mit Denkern des 20. Jahrhunderts zu durchmessen.
Hier das Programm und weiterführende Informationen: www.sthbasel.ch.
Alle Wirklichkeit ist auf Gott bezogen Erstes Schweizer Symposium des Martin Bucer Seminars war der Amsterdamer Philosophie gewidmet
Wissenschaft, die sich ausschließlich auf die Welt der messbaren Erscheinungen beschränkt, kann nicht alle Aspekte der Wirklichkeit erfassen. Wissenschaft ist immer Abstraktion von Alltagserfahrung und nimmt bestimmte Gesichtspunkte besonders unter die Lupe. Deshalb darf keine Einzelwissenschaft die Deutungshoheit über Gottes Schöpfung für sich beanspruchen. Zu diesem Ergebnis kamen die Teilnehmer des ersten Schweizer Symposiums, das vom Martin Bucer Seminar (MBS) zwischen dem 18. und 20. September im Ferienhotel Seeblick am Vierwaldstättersee veranstaltet wurde.
Thema des Symposiums war die so genannte »Amsterdamer Philosophie«, die von dem reformierten, holländischen Philosoph Herman Dooyeweerd (1894–1977) begründet wurde. Dooyeweerd zeigte durch umfangreiche Untersuchungen, dass das Denken der Menschen von Erkenntnisinteressen bestimmt wird. Anders als Immanuel Kant, der eine reine Vernunft behauptete und die logische Wirklichkeit verabsolutierte, wird nach Dooyeweerd alles Denken von im Herzen der Menschen verankerten Grundmotiven geprägt.
Professor Gianfranco Schultz (erstes Foto) von der Staatsunabhängigen Theologischen Hochschule Basel (CH), der für die Einführung in die Amsterdamer Schule gewonnen werden konnte, zeigte in seinen Vorträgen, dass einerseits unser Denken durch die Auflehnung gegen Gott gezeichnet ist. »Es geht ein Riss durch diese Welt und durch uns selbst«, sagte Schultz. Wir Menschen revoltieren gegen Gott und sind erlösungsbedürftig. Menschen, die ihre Abhängigkeit von Gott bejahen und dem Evangelium von Jesus Christus vertrauen, haben andererseits unendlich viele Entfaltungsmöglichkeiten. »Dass das, was Gott in die Welt hineingelegt hat, erschlossen werden soll, dass Dinge zu ihrem Recht kommen sollen, habe Dooyeweerd in seinen Arbeiten immer wieder deutlich machen können«, sagte Schultz.
Professor Gerrit Glas von der Freien Universität Amsterdam (NL) stellte in seinen Vorträgen heraus, dass die Amsterdamer Philosophie für die Psychologie sehr fruchtbar gemacht werden kann. Der renommierte Psychiater und Philosoph demonstrierte anhand vieler Fallbeispiele aus seiner Forschungsarbeit, dass der Dooyeweerdsche Ansatz der Komplexität des Menschen angemessener ist, als Anthropologien, die sich auf wenige Aspekte des Menschen konzentrieren. Hier bewährt sich insbesondere die Lehre von der »Souveränität im eigenen Kreis«, sagte Glas. Demnach ist die Wirklichkeit durch Sphären strukturiert, in denen jeweils eigene Gesetze gelten. So können etwa die Gesetze der Biologie nicht einfach auf die Psychologie übertragen werden oder umgekehrt. Denn während die Biologie das Biotische studiert, beschäftigt sich die Psychologie mit dem Psychischen. In beiden Spähren gelten unterschiedliche Gesetzmäßigkeiten.
Hansjürg Huber, Präsident des Schweizer Martin Bucer Seminars, hatte anlässlich seines runden Geburtstags zu dem Symposium eingeladen. Der Initiator dankte in seiner Schlussrede beiden Professoren für ihre kompetenten und engagierten Einführungsvorlesungen. Ihnen sei es gelungen, den Teilnehmern die komplexen und zugleich leistungsfähigen Ansätze vorzustellen und die teilweise kontroversen Diskussionen zu leiten. Durch die »Beschäftigung mit der Amsterdamer Philosophie sei eine Basis dafür gelegt, um weiter an dem Thema zu arbeiten«, sagte Huber. Für die Arbeit mit Menschen im Sozialwesen, in der Medizin oder Seelsorge brauchen wir eine solide christliche Anthropologie. »Wir Christen müssten sprachfähiger werden und uns in die aktuellen Debatten um Welt- und Menschenbilder einmischen«, formulierte Huber als Wunsch für weitere Symposien.