Johann Sebastian Bach

Bach – Ein Weihnachtswunder

Ich gestehe: Die ARD-Produktion „Bach – Ein Weihnachtswunder“ habe ich bisher nicht gesehen. Trotzdem verweise ich hier mal auf eine Besprechung von Jan Brachmann, die ein allgemeines Problem der Filmindustrie im Umgang mit historischen Ereignissen anspricht. Ständig wird versucht, zu demonstrieren, dass wir heute alles besser wissen:

Als Zudringlichkeit unserer Gegenwart gegenüber der Vergangenheit muss man die Rebellion der kleinen Elisabeth verbuchen: „Warum dürfen Frauen in der Kirche nicht singen?“ Später wird Carl Philipp Emanuel trotzig-feministisch einfordern, dass es nicht nur Mutters, sondern auch Vaters Aufgabe wäre, für die Kinder da zu sein. Also Elternzeit für Papa anno 1734, bitte schön! Schließlich liest Anna Magdalena (Verena Altenberger gibt ihr Züge einer duldsamen Schmerzensfrau) ihrem Komponistengatten die Leviten: Er sähe bei aller Musik „den Menschen nicht“.

Neben der anrührend erzählten, aber arg ausgestellten „Inklusion“ des geistig beeinträchtigten Gottfried – den German von Beug mit engelhaft leuchtender Eindringlichkeit spielt – gehören solche Sätze heute zu den üblichen Ergebenheitsadressen, ohne die kein Drehbuch bei der ARD mehr akzeptiert wird.

Was für ein Elend! Da sind einige der besten Schauspieler des deutschen Gegenwartskinos versammelt; da bietet man mit Sten Mende einen Kameramann auf, der Sinn für Licht, Komposition und kindliche Perspektive hat – und dann fehlt es an Respekt für die Andersartigkeit alter Mentalitäten. Hält man historische Persönlichkeiten sonst einem Publikum für nicht mehr zumutbar? Muss die Gegenwart ständig die Vergangenheit belehren, wie man anständig lebt?

Mehr: www.faz.net.

Die Neue Bachperspektive

Bach„Johann Sebastian Bach war bekennender Anhänger Luthers“, schreibt Rainer Balcerowiak für CICERO, und natürlich auch Anhänger „dessen haarsträubendem Antijudaismus“. Über eine Bachausstellung, die noch bis zum 6. November im Bachhaus Eisenach zu sehen ist, heißt es:

Anhand von Bildern, Texten und anderen Exponaten aus fünf Jahrhunderten wird dort das Spannungsfeld zwischen Protestantismus, Bachs Werk und dessen Rezeptionsgeschichte umfassend beleuchtet.

Für Jörg Hansen, Direktor des Bachhauses und Kurator der Ausstellung, führt kein Weg an der Auseinandersetzung mit den „dunklen Flecken“ in Bachs Lebenswerk vorbei. „Bach war strammer Lutheraner. Das heißt, die antijüdischen Aussagen, also die Betonung des Judentums als negatives Beispiel für die christliche Gemeinde – das ist das, was Bach auch in seinen Passionen ausgedrückt hat.“

Dabei bezog er sich direkt auf Luther, der unmissverständlich die Vertreibung und Vernichtung der Juden als einzige Lösung für das Christentum forderte. Deutlich wird dies vor allem in zwei der kirchenmusikalischen Hauptwerke des Komponisten, der Matthäus- und der Johannes-Passion. Sie sind nicht einfach Vertonungen der antijudaischen Botschaften der Evangelien, sondern nach allen Regeln der Tonsatzkunst – die Bach in seiner Zeit wie kein Zweiter beherrschte – gestaltete Werke mit enorm emotionalisierender Wirkung.

Gewiss, antisemitsche Verfolgungen gab es schon vor Bachs Zeit. Bereits im 16. und 17. Jahrhundert sind unzählige Judenprogrome dokumentiert, die unmittelbar nach Passionsaufführungen stattfanden.

Etwas konkreter wird ein Beitrag des DEUTSCHLANDFUNKS, da hier die Beweise für den Antijudaismus Bachs angeführt werden:

Dagegen ist die Quellenlage für Bachs Antijudaismus – wie überhaupt zu seinem Leben – nicht so üppig. Da sind einerseits Hinweise aus seiner Privat-Bibliothek. Sie beinhaltete explizit judenfeindliche Schriften. Die Ausstellung zeigt ebenso, dass Bach in seiner Bibel genau jene Stellen angestrichen hat, auf die sich jene berufen, die von einer vermeintlichen jüdischen Verstocktheit ausgehen. Jörg Hansen: „Dort sagt der Kommentar, dass das sich auf die im Unglauben verharrenden Juden bezieht, die entsprechend der Vorhersage im Alten Testament nun schon 1500 Jahre – so bei Luther – 1500 Jahre im Exil und Elende ausharren müssen, als Strafe für ihren Unglauben. In dem Calov-Kommentar ist die Zahl dann schon auf 1600 Jahre korrigiert, und Bach korrigiert dann noch in seiner Ausgabe handschriftlich das Datum auf 1700 Jahre.“

Kommen wir zum überzeugendsten Beweis für die Judenfeindlichkeit Johann Sebastian Bachs. Jörg Hansen, der Direktor des Bachhauses und Kurator der Ausstellung also, sagt:

„Die Turba-Chöre, „wild-dämonisch“ nannte die Philipp Spitta, anderes Zitat dazu von Philipp Spitta ist, „fanatischer Haß in verschiedenfarbigsten Schattierungen“, die Turba-Chöre „Kreuzige Barrabam, „sein Blut komme über uns und unsere Kinder“ – die sind halt sehr kraftvoll und in der Charakterisierung chromatisch-dissonant, perfide obstinat; das ist eine Charakterisierung des verstockten Unglaubens. Dagegen hat Bach gesetzt: Die schönen Arien und die Choräle, die den Christenglauben der Gemeinde und die individuelle Reue darstellen. Bachs Passionen gewinnen ihre Aussage aus diesem Gegensatz, und ihre Attraktivität. Das ist ja dieses Mitfiebern, wenn man die Musik singt oder hört: Man hat diese aufwühlende Erzählung durch den Evangelisten mit den turbulenten Chören dazwischen, „Ach, jetzt fängt da schon wieder eine Arie an!“ Dann ist diese Arie „Erbarme dich!“ so schön; man möchte gar nicht, dass sie endet, „und jetzt müssen da wieder die blöden Juden brüllen!“ Also, das ist dieser Gegensatz, aus dem diese Musik ihre unglaubliche Dynamik gewinnt; und das ist ein ganz lutherischer Gegensatz: Die Juden sind das Negativbeispiel für Unglauben – verstockt verharrende Sünder. Die Christen bereuen ihre Sünden, und im Glauben erfahren sie die Gnade Gottes!“

Hansen übt sich auch noch als theologischer Analyst, indem er einen Grund für Bachs Fundamentalismus anführt:

Jörg Hansen empfiehlt, immer die Entstehungszeit mitzudenken, den Kontext der lutherischen Theologie, die keine Quellenkritik kannte, sondern nur die Bibel als das authentische Wort Gottes.

Ich kann nur hoffen, dass nach meinem Tod niemand an die falsche Regale gerät: „Er muss ein fanatischer Anhänger Nietzsches gewesen sein. In seiner Bibliothek sind sämtliche Schriften zu finden, samt einiger Biographien. Die Sympathien mit dem linken Faschismus sind ebenfalls unverkennbar, denn eine Werkausgabe Lenins haben wir auch entdeckt.“ Und dann die vielen Markierungen in meinen Bibeln. Ich darf gar nicht dran denken …

Die Ausstellung ändert alles. Es gibt ein nach und ein vor Eisenach 2016. Die Geschichte von Bach bis Hitler muss umgeschrieben werden. Wäre es angesichts dieses überwältigenden Befundes nicht an der Zeit, ein Forschungsprogramm mit dem Titel „Die Neue Bachperspektive“ zu eröffnen?

Bach und die Ehre Gottes in der Musik

Die Werke von Johann Sebastian Bach schlagen auch heute noch viele Menschen in ihren Bann. Gerade diese vereinnahmende Wirkung machte sie in Kirchenkreisen mehr als verdächtig. Ihm wurde vorgeworfen, eine Musik mit „teuflischer Versuchung“ zu schaffen. Dabei ging es Bach vor allem um die Ehre Gottes: „Mit aller Musik soll Gott geehrt und die Menschen erfreut werden. Wenn man Gott mit seiner Musik nicht ehrt, ist die Musik nur ein teuflischer Lärm und Krach.“

Hier ein empfehlenswerter DLF-Beitrag über Johann Sebastian Bach:

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