Kock: »Homosexualität ist nicht bibelwidrig«

Manfred Kock, ehemaliger Ratsvorsitzender der Evangelischen Kirche in Deutschland, hat sich gegenüber der Frankfurter Rundschau zum offenen Brief der acht ehemaligen Bischöfe geäußert.

FR: Die Bibel verurteilt Homosexualität ausdrücklich, und die acht Bischöfe warnen mit Martin Luther davor, die Autorität der Bibel zu missachten.

Kock: Bibelzitate aneinander zu reihen, hilft aber nicht, wenn es um Sachverhalte geht, die zu biblischer Zeit ganz anders gesehen wurden als heute. Unser Urteil muss mit Sicherheit anders ausfallen. Die Bibel wendet sich gegen bestimmte Sexualpraktiken, die wir heute als »Kindesmissbrauch« bezeichnen würden. Solches Fehlverhalten – das sagt die EKD übrigens ganz klar – hat auch heute keinen Platz in der Lebensführung eines Pfarrers. Das ethische Urteil über menschliche Beziehungen insgesamt aber richtet sich nicht nach der geschlechtlichen Orientierung, sondern an Maßstäben wie Verlässlichkeit, Wahrhaftigkeit. Darin sollen Pfarrer und Pfarrerinnen ein Vorbild sein. Überdies stehen im Zentrum der Heiligen Schrift ganz andere Fragen. Das zeitbedingte ethische Urteil über Homosexualität ist dem gegenüber nachrangig.

»Unser Urteil muss mich Sicherheit anders ausfallen«? Erstaunlich, aber auch kennzeichnend, mit was für einer Rhetorik der Gewissheit hier der biblische Befund gewaltsam (ich gebrauche dieses Wort bewusst) weggedeutet wird. Kock kämpft freilich nicht nur gegen den biblischen Befund, sondern auch gegen mehr als 2000 Jahre jüdisch-abendländische Traditionsgeschichte und die Schrifterkenntnis der allermeisten Gegenwartschristen an. Geradezu peinlich finde ich Herrn Kocks Versuch, den Exegeseertrag der Bischöfe in tiefenpsychologischer Manier mit ihren Ängsten und Vorbehalten zu begründen. Die Unterzeichner standen und stehen nun wirklich mit beiden Beinen im Leben. Und sie kennen den seelsorgerlichen Alltag und die dazugehörende Tragik.

Hier das Interview: www.fr-online.de.