Flüchtige Aufmerksamkeit bei Online-Presse
An der LMU in München ist Neil Thurman als Professor für Kommunikationswissenschaft tätig. Er beschäftigt sich mit dem „Computational Journalism“, also mit der Wechselwirkung zwischen Journalismus, Technologie und Daten. Er analysiert global die Auswirkungen der Einstellung von Printausgaben durch Zeitungen und Magazine und hat herausgefunden, dass die Auflage digitaler Publikationen nicht sinken, aber definitv weniger gelesen wird. Außerdem orientieren sich Redaktion zunehmen an den Klicks. Geliefert werden also Themen, die großes Interesse finden. Klar, dass dabei viel unter den Tisch fällt.
Zwei Zitate:
Die Aufmerksamkeit der Leser ist online viel flüchtiger – ein Klick hier, ein Wisch dort, und schon ist man wieder weg. Gedruckte Zeitungen dagegen verlangen mehr Hingabe: Man bezahlt für sie, hält sie in der Hand, blättert darin, bleibt einfach hängen. Ein typischer Printleser verbringt an Werktagen etwa eine halbe Stunde mit der Zeitung, am Wochenende oft eine ganze.Im Internet sieht das völlig anders aus. Unsere Studie zeigte, dass ein durchschnittlicher Leser der Onlineausgabe des Independent nur rund zehn Sekunden pro Tag mit ihr verbrachte – zehn Sekunden! Und während etwa die Hälfte der Printleser des Independent jeden Tag ihre Zeitung kaufte, besuchte der durchschnittliche Nutzende online dieselbe Nachrichtenseite nur zweimal im Monat.
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Online können Redaktionen zudem ganz genau sehen, welche Artikel gelesen werden. Dieses Feedback beeinflusst, was geschrieben wird und wie; häufig entstehen dadurch mehr Human-Interest-Geschichten, Lifestyle-Themen oder visuell reizvolle Formate. Der Independent etwa produziert heute deutlich mehr Videos als früher. Auch die taz wird sich wohl in eine solche Richtung entwickeln – hin zu mehr Visualität, Interaktivität und datenbasiertem Journalismus.
Hier das hochinteressant Interview: www.lmu.de.