Die Personalisierung des Rechts
Der Blick in die Geschichte zeigt die Schattenseiten des Identitätsdenkens: die Tendenz zur Verdrängung universeller Rechte durch partikulare Ansprüche. Die Auswirkungen an den Unis sind bereits spürbar, meint der Rechtsgeschichtler Peter Oestmann. Er hat den „Dreadlock-Skandal“ um die Sängerin Ronja Maltzahn mal von seinen Studenten überprüfen lassen. Und siehe da:
Die rechtliche Grenze ist aber dann überschritten, wenn der Staat derartige Ansprüche anerkennt. Deswegen prüfte ich genau diesen Fall im ersten juristischen Staatsexamen in zahlreichen, teilweise fiktiven Abwandlungen. Sämtliche Prüflinge hielten die Absage des Konzerts, die Kündigung des Vertrages, den Wegfall der Geschäftsgrundlage, die Anfechtung wegen Eigenschaftsirrtums und andere dogmatische Konstruktionen für unproblematisch gegeben. Niemand kam auf die Idee, dass es rechtliche Vorgaben für Frisuren überhaupt nicht gibt.
Wenn der moderne Staat nicht wachsam bleibt, droht die Wiederkehr längst überwundener ständischer Strukturen unter dem Deckmantel der Diversität und der Identitäts-Wokeness. Historische Erfahrungen können zwar keine Handlungsanweisungen für gegenwärtige Fragen geben. Alle Beispiele stimmen aber in einem wesentlichen Punkt überein: Sie entstammen Rechtskulturen, in denen die Freiheit des Einzelnen keine Rolle spielte.
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