„Fast totalitärer Herdendruck“

Ich finde es beachtlich, was der schwule Investor Peter Thiel kürzlich in einem Interview mit der Weltwoche gesagt hat. Auf die Frage, ob die Absenz Gottes ein Wettbewerbsnachteil für den Westen sei, antwortete er: 

Ich hatte nie viel übrig für die darwinistischen Rechtfertigungen der Religion. Aber der Zusammenbruch der Transzendenz, dass wir keinen religiösen Bezugsrahmen mehr haben, ist sehr schädlich. Ich möchte gleich den Kern anschneiden und meine These anhand der Zehn Gebote der Bibel verdeutlichen. Das erste Gebot lautet, man solle nur zu Gott aufschauen und daneben keinen anderen Göttern huldigen. Das zehnte Gebot, das letzte auf der Liste, geht so: Du sollst nicht seitlich zu deinem Nachbarn rüberschauen und begehren, was er hat, seine Frau und seine Besitztümer. Zusammengefasst: Schaue nach oben, schaue nicht zur Seite. Ich frage mich, ob die Menschen, wenn sie aufhören, nach oben zu schauen, anfangen, häufiger rüberzuschauen, sich umzusehen. Wir leben in einer hypermimetischen Gesellschaft. Alle machen allen anderen alles nach. Deshalb leben wir auch in einer extrem missgünstigen, neidischen Gesellschaft. Ihr Treiber sind schlechte, vergiftete Beziehungen. Wenn man anfängt sich umzusehen, fängt man an, die Ideen anderer Leute zu kopieren. Die Verabschiedung der zehn Gebote, die Verabschiedung Gottes führen zum Herdenverhalten, zu einem falschen, aufgezwungenen Konsens. Es fällt dann sehr schwer, diesen Konsens zu brechen, denn es gibt nichts Transzendentes mehr, das einem Halt gibt. Man kann darüber streiten, ob Religion in der Vergangenheit so wirkte, aber in der Welt von 2020 sind die religiösen Leute die Abweichler. Sie haben die Fähigkeit behalten, für sich selber zu denken. Sie lassen sich weniger unter Gruppendruck setzen. Heute verschärft sich ein fast totalitärer Herdendruck, mit der Folge, dass Erfindungsgeist, anderes Denken und Kreativität gewaltig nachlassen.

Mehr hier: m.livenet.ch.