Pop

Nomi: Im Leben und im Sterben

Im Zusammenhang mit einigen Untersuchungen zur Popkultur habe ich mich in den letzten Wochen eingehender mit dem Leben und Werk von Klaus Nomi beschäftigt. Nomi (bürgerlicher Name: Klaus Sperber) war einer der bizarrsten Künstler der 80er Jahre. Obwohl er aus dem Allgäu stammt und später in Berlin Gesang studierte, wird sein Einfluss auf die postmoderne Kultur besonders in Deutschland unterschätzt.

Nomi zog 1973 nach New York und bewegte sich dort in den Künstlerkreisen des East Village, wo sich unter anderem durch Andy Warhol inzwischen eine lebendige Musik- und Kulturszene entwickelt hatte. Als homosexueller Künstler fand Nomi hier Gleichgesinnte und etablierte sich in der New Wave Underground-Szene. Sogar David Bowie wurde auf ihn aufmerksam und engagierte ihn für einen Auftritt bei »Saturday Night Live«. Nomi trat auf wie ein Außerirdischer und sang wie eine Diva (Countertenor). Der androgyne Nomi ist so etwas wie eine Ikone für die Verschränkung von Kunst und Pop, in der Kunstszene auch »crossover« genannt. Selbst seine Plattenfirma wusste nicht, ob sie seine Alben unter Klassik oder Pop einsortieren sollte.

Anfang der 80er Jahre schaffte Nomi mit zwei Alben und zahlreichen Auftritten in Europa (besonders in Frankreich) seinen internationalen Durchbruch. Gleichzeitig brach bei ihm eine merkwürdige Krankheit aus, die damals noch Schwulenkrebs (»gay cancer«) genannt wurde.

Klaus lag als einer der ersten prominenten AIDS-Patienten im Krankenhaus. Seine schwulen Freunde haben ihn – wie die Dokumentation The Nomi Song von Andrew Horn eindrücklich zeigt –, in seinen schwersten Stunden ausgegrenzt und im Stich gelassen. Sie wollten das Leid nicht mit ansehen. Einige, darunter engste Weggefährten, haben sich noch nicht einmal von ihm verabschiedet. Nomi, keine 40 Jahre alt, starb sehr einsam.

Hier einer seiner letzten Auftritte. Nomi singt – geschwächt durch seine Erkrankung – das Lied »Cold Song« von Henry Purcell (1659–1695). Es endet mit der Strophe:

Let me, let me,
Let me, let me,
Freeze again …
Let me, let me,
Freeze again to death!

 

Marke Gaga

In nur einem Jahr hat sich die Newcomerin Stefani Germanotta zur Popikone »Lady Gaga« stilisiert und rund 62 Millionen Dollar verdient. Und das, indem sie nur ein einziges Produkt vermarktete: sich selbst. Alexander Armbruster schreibt:

Im Frühjahr 2010 erhielt sie zweimal den mit dem Oscar der Filmindustrie vergleichbaren Musikpreis Grammy. Während der Verleihung trat sie in schillernd-grünem Engelskostüm auf, zusammen mit Popgröße Elton John. Gemeinsame Auftritte etwa mit Bruce Springsteen und Sting folgten. Nach Angaben von »Forbes« verdiente Lady Gaga alleine in der Zeit zwischen Juni 2009 und Juni 2010 rund 62 Millionen Dollar. Insgesamt verkaufte sie geschätzte 40 Millionen Singles und zwischen 12 und 15 Millionen Alben. Das »Time Magazin« kürte die Sängerin ebenfalls in diesem Jahr zur einflussreichsten Künstlerin der Welt und garnierte die Auszeichnung mit einer Widmung der gleichsam preisgekrönten Sängerin Cyndi Lauper.

Lady Gagas nunmehr seit anderthalb Jahren ununterbrochener Erfolg fußt auf mehr als der ständigen Neuerfindung ihrer Marke. Viel Arbeit steckt dahinter und Disziplin. »Bei mir bleibt nichts dem Zufall überlassen«, sagte sie einmal. »Alles, was man von Gaga sieht, soll auch gesehen werden.« Wenn sie auf der Bühne steht, ist das mitunter nichts. »In ihrem Universum gibt es nichts, was nicht neu geschrieben oder neu erschaffen werden kann«, schrieb die Zeitung »International Herald Tribune« über sie.

Die Analyse von Armbruster greift m.E. etwas zu kurz, wenn der Erfolg vor allem unternehmerischem Mut, Fleiß und Disziplin zugeschrieben wird. Entfremdung scheint das Stichwort für Lady Gagas Selbstinszenierung und ihre Beliebtheit zu sein (siehe auch hier).

Trotzdem, der Text ist lesenswert: www.faz.net.

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