Schwarz-Rot-Gold ist wie der Regenbogen

Wenn durch Umdeutung ein Geschehen, ein Zeichen oder ein Begriff eine andere Bedeutung oder einen neuen Sinn zugewiesen bekommt, indem man das Geschehen, das Zeichen oder den Begriff in einen neuen Kontext stellt, nennt man das Reframing. Das Reframing ist heutzutage sehr beliebt, auch in der Theologie oder in der Ethik. Man spricht von „Sünde“ oder „Familie“, meint damit aber etwas ganz anderes als das, was diese Begriffe im christlichen Kontext über Jahrhunderte hinweg bedeutet haben. Sünde ist etwa nicht mehr Übertretung des göttlichen Gebots und damit Auflehnung gegen Gott, sondern selbstschädigendes Verhalten. 

Ein wunderschönes Beispiel für politisches Reframing bietet (wahrscheinlich unfreiwillig) aktuell der sächsische Ministerpräsident. Auf die Frage, was er von der Regenbogenflagge auf dem Reichstag hält, antwortet Michael Kretschmer dem Magazin Cicero:

Die deutschen Nationalfarben, Schwarz-Rot-Gold, drücken genau das aus, was auch die Farben des Regenbogens zeigen sollen. Unser Land steht genau für diese Freiheit, steht für Gleichberechtigung, für die Vielfalt der Lebensentwürfe. Dafür weht unsere schwarz-rot-goldene Flagge über dem Reichstag. Ein selbstbewusstes Statement: Die schwarz-rot-goldene Flagge bleibt hängen, weil sie die Farben des Regenbogens sozusagen mit enthält.

Kretschmer legt übrigens noch nach und bekennt, dass er den CSD klasse findet: „Und ich bin auch schon beim Christopher Street Day gewesen. Unsere Junge Union ist mit einem Wagen dabei gewesen. Die jungen Leute hatten unglaublich viel Spaß, und das freut mich. Wir leben in einem offenen Land, in dem vieles möglich ist.“

Bei so viel Euphorie darf man fragen: Was spricht eigentlich dagegen, die Regenbogenflagge als Flagge der Bundesrepublik Deutschland anzunehmen? Irgendwie steht doch der Regenbogen auch noch für die Einheit des Volkes und politische Mitbestimmung, und er steht auch für die Prioritäten des politischen Tagesgeschäfts.