Christopher Nolan

Christopher Nolan und der Apostel Paulus im Dialog

Christopher Nolans Filme als Regisseur haben an den Kinokassen fast fünf Milliarden US-Dollar eingespielt. Zugleich sind seine Filme aber alles andere als flach, sondern zählen als philosophisch, kulturell und ästhetisch bedeutsam. 

Dass es in dem Filmen nicht nur um Zeit, sondern auch um Liebe, Hoffnung und Glaube geht, stellt EJ Davila in seinem Aufsatz „Liebe, Hoffnung und Glaube: Christopher Nolan und der Apostel Paulus im Dialog“ heraus. Dabei wird erkennbar, dass die Tugendtheologie des Heidenapostels eine vertikale Tiefe enthält, die Nolan nicht kennt.

Hier ein Auszug: 

Wenn wir jemanden bitten würden, Nolans Filmographie mit einem einzigen Wort zusammenzufassen, wäre „Zeit“ wahrscheinlich die Antwort, spielt sie doch in mehreren seiner größten Filme eine zentrale Rolle. Die nichtlineare Erzählweise von Memento pendelt zwischen Zukunft und Vergangenheit, bevor sie in der Mitte der Geschichte ankommt. Inception führt uns in einen Traum in einem Traum innerhalb eines Traumes, wobei jede Traumebene eine andere Temporalität innehat. Interstellar thematisiert die Relativität der Zeit und das transzendente Wesen von Liebe (und Schwerkraft). Dunkirk verknüpft drei unterschiedliche Zeitachsen miteinander. Tenet führt das Konzept der umgekehrten Entropie ein, wodurch die Figuren miteinander interagieren können, während sie sich vorwärts und rückwärts durch die Zeit bewegen.

Auch wenn Zeit das offensichtlichste Thema sein mag, das Nolans Filme miteinander verbindet, teilen seine drei jüngsten Filme – Interstellar (2014), Dunkirk (2017) und Tenet (2020) – einen weiteren Schwerpunkt, nämlich die thematische Auseinandersetzung mit drei christlichen Tugenden: Liebe, Hoffnung und Glaube. In dieser informellen Trilogie präsentiert Nolan (der römisch-katholisch erzogen wurde) eine säkularisierte Version dieser christlichen Tugenden und passt sie einer Kultur an, die zunehmend weniger christlich und theistisch ist. Das Ergebnis sind drei Erzählungen, in denen die Menschheit Gott ersetzt und sowohl zum Geber als auch Empfänger der untersuchten Tugenden umfunktioniert wird. Nolans Neukonfiguration macht seine Filme einem breiteren Publikum schmackhafter, droht aber auch, genau diese Darstellung von Tugend und Menschlichkeit zu untergraben. Im Folgenden untersuche ich die drei genannten Filme im Dialog mit dem Apostel Paulus. Wie deutlich werden wird, entbehrt Nolans humanistische Vision von Liebe, Hoffnung und Glaube einer kohärenten theologischen Grundlage, weshalb sie auch keine überzeugende Darstellung dieser drei herausragenden Tugenden bieten kann.

Mehr: www.evangelium21.net.

Tenet – ein säkulares Dogma

Don’t try to understand it, feel it.

Christopher Nolan hat es mal wieder geschafft. Ein Meisterwerk von einem Film: einmalig, neuartig, ästhetisch anspruchsvoll (voll von schönen Menschen in schöner Kleidung) und total abgefahren.

Wie ein Schüler von mir sagte: „Der Regisseur wollte zu viel in dem Film“. Ein namenloser CIA Geheimagent (gespielt von Denzel Washingtons Sohn) wird zu einem noch geheimeren Geheimdienst berufen: TENET. Es gilt den dritten Weltkrieg zu verhindern, aber keinen Atomkrieg, sondern einen Angriff der Zukunft auf die Gegenwart.1 In der ZEIT (no pun intended) heißt es dazu:

Eine zukünftige Technologie macht es möglich, durch die quantenmechanische Umkehrung der Entropie eines Körpers die Richtung zu ändern, in der dieser sich durch die Zeit bewegt. Das „invertierte“ Projektil unterliegt den gleichen Naturgesetzen wie unsere gegenwärtige Welt. Es scheint aber aus unserer Perspektive von der Wirkung zur Ursache, dem Abfeuern der Waffe, zurückzufliegen.“2

Diese Inversionen werden in cineastisch atemberaubender Weise visualisiert; z.B. in Kampfszenen in denen der Protagonist Kugeln ausweicht, welche vom Einschussloch zurück in die Waffe fliegen. Ein Tanz von Gewalt und ihrer Rücknahme,3 indem sich die Zeitebenen überlagern.4

The Guardian schreibt:

„Tenet ist ein gigantisch verwirrender, gigantisch unterhaltender und gigantisch gigantischer metaphysischer Actionthriller, indem der Protagonist nur Der Protagonist heißt. Dieser kämpft gegen kosmische Eingriffe aus der Zukunft, während die Zeit gleichzeitig rückwärts und vorwärtsläuft.“5

Die Dynamik der Umkehrung transzendiert die Zeit, um sie anschließend wieder in die Immanenz einzubetten. Eine Art säkularer Magie, durch die letztlich die Transzendenz in der Immanenz aufgelöst wird.6 Das ist die Metaphysik der Erzählung.7

Die Essenz von Tenet ist die Überschneidung der Zeitebenen. Aus diesem chronologischen Antagonismus zieht der Film seine Kraft. Das Palindrome Narrativ des Films manifestiert sich in seinem Titel (T-E-N-E-T),8 wobei das N für den Konvergenzpunkt der Zeitachsen steht.  

Dieser Logos ist die Erlösung. Die Chronologie wird zur Soteriologie und Christus zu Chronos.

Der Drehbuchautor Christopher Nolan ist weniger Materialist, als Temporalist; am meisten wohl Physikalist. In der chiastischen Struktur (T-E-N-E-T) findet der säkulare Glaube seine eschatologische Form. Nolan präsentiert eine Philosophie der Zeit, welche dem biblischen Verständnis fremd ist. Die christliche Theologie der Zeit kennt einen konkreten Anfang, Linearität und einen Endpunkt.9

Nicht die Inversion des Menschen, sondern die Inkarnation des LOGOS initiiert die Erlösung.10

Nicht die Inversion des Subjekts, sondern die Konversion des Sünders führt zum Heil.

Die Vergöttlichung der Zeit in Tenet ist hochproblematisch; jedoch nicht neu. Bereits aus der griechischen Mythologie ist Chronos bekannt: der Zeitgott. Tenet bringt den Chronos-Mythos auf die Leinwand des 21igsten Jahrhunderts. Heute ist die Antwort darauf die gleiche wie immer:

Christus allein ist der Herr. In Ihm und durch Ihn wurden alle Dinge erschaffen – auch die Zeit.11 Christus, nicht Chronos, ist Herr über die Zeit!

Lars Reeh

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Die Filmbesprechung wurde mit freundlicher Genehmigung des Autors veröffentlicht.

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