Die Cut-and-Paste-Fehler in der Bibel
Das Magazin Zeit Wissen hat sich in der aktuellen Ausgabe vorgenommen, die Bibelleser darüber aufzuklären, dass die Heilige Schrift ein durch und durch widersprüchliches Buch ist. Das soll ja in den Weihnachtsausgaben einschlägiger Journale häufiger vorkommen. In dem Artikel „Die Zumutung“ (Nr. 1, Jan-Febr 2021, S. 73–77) wird jedenfalls kräftig ausgeteilt und für ein „wissenschaftliches Bibelverständnis“ geworben. Zum Synoptischen Problem heißt es beispielsweise:
Wenn die Bibel eine Zumutung ist, dann ist es die Bibelforschung erst recht. Wobei so manche Theorie gern für religiöse Zwecke gekapert wird. Mit der Q-Hypothese, sagt Barton, „wird manchmal eine konservative religiöse Agenda bedient“. Weil sie suggeriert, dass Matthäus oder Lukas historisch genau berichtet haben, man die Bibel also beim Wort nehmen darf.
So richtig spannend wird es aber erst bei den Ausführungen zum Alten Testament. Da kommt Professor Idan Dershowitz zu Wort, der sich mit den Cut-and-Past-Methoden befasst, die seiner Meinung nach bei der Abfassung biblischer Texte zur Anwendung gekommen sind. Dershowitz ist davon überzeugt, dass die jüdischen Schreiber hin und wieder kleinere Schnipsel ähnlich wie bei einem Flickenteppich zu Manuskripten verklebt haben. Wir lesen (S. 77):
Zwar kann Dershowitz seine Theorie nicht anhand von Urmanuskripten der Bibel belegen, denn die sind verschollen. Aber er hat Indizien: Fehler, die durch eine solche Bearbeitung entstanden sein könnten. In der Erzählung über die Sintflut zum Beispiel, Genesis 7, steht: „Der Regen ergoss sich vierzig Tage und vierzig Nächte lang auf die Erde.“ Vier Sätze später: „Dann schloss der HERR [die Arche] hinter ihm [Noah] zu.“ Das ergibt keinen Sinn. Die Arche muss die Schotten dicht machen, bevor die Flut kommt. „Wie konnte dieser Satz von einer Stelle an eine andere wandern?“, fragt Dershowitz. Für ihn steht fest: „Das ist ein Artefakt der Cut-and-Paste-Methode.“ Er hat ein gutes Dutzend solcher Fälle gefunden. Als Nächstes will er sich das Neue Testament vorknöpfen. „Ich wäre nicht überrascht, wenn ich dort ähnliche Fehler finde.“
Ich habe mir die Stelle gleich angeschaut. Ich bin wahrlich kein AT-Experte und überlasse die sorgfältige Überprüfung jenen, die ihr Altes Testament auf Hebräisch lesen. Aber ich will doch anmerken, dass das Problem gar kein großes zu sein scheint. Meines Erachtens will Gen 7 nicht sagen, dass Gott die Tür erst nach 40 Tagen Flut zuschloss. Das „eben an diesem Tag“ in V. 13 bezieht sich nicht auf V. 12, sondern auf V. 11. Gott schloß die Tür, nachdem die Passagiere an Board gegangen waren. V. 12 bezieht sich auf die Dauer des Regens, so wie ebenfalls V. 4 u. V. 17 (die 150 Tage in 7,24 u. 8,3 beziehen sich wohl auf die Zeit, in der das Wasser anstieg). Ich würde sagen, so ein Schreibstil ist in Texten dieser Art häufiger anzutreffen.