Jürgen Kaube

Wie würde Kant Spaghetti zubereiten?

Jürgen Kaube zeigt anhand des Kant-Jahres, wie sehr das Denk-Niveau in der Postmoderne gesunken ist: 

Wir befinden uns im Kant-Jahr. Der Philosoph ist am 22. April vor dreihundert Jahren geboren worden. Das motiviert nicht nur zu Jubelfeiern, sondern zu allerlei Fragen, was sein Werk uns heute noch bedeutet. Die umgekehrte Frage, ob wir uns vor ihm sehen lassen können, wird weniger oft gestellt. Stattdessen wird gefragt, etwa auf „Zeit“-Online, ob Kant heute twittern würde. Ob er uns bei dem ganzen Ärger mit der Künstlichen Intelligenz helfen könnte. Ob er ein echter Aufklärer war. Der Maßstab für echte Aufklärer sind dann natürlich wir selbst.

Man könnte in diesem Stil auch fragen, wie Kant Spaghetti Carbonara zubereitet haben würde, wie er sich in Diskotheken verhalten hätte, was ihm zum Lohnabstandsgebot in der Sozialpolitik eingefallen wäre und ob ihm das Widerstandsrecht der Ukraine hätte einen Aufsatz entlocken können. Man muss diesen Umgang mit ihm wohl einerseits Ausschlachten nennen. Und andererseits Angeberei, denn es werden vollmundig Fragen beantwortet, ohne dass es dafür die mindeste Grundlage gäbe.

Daran beteiligen sich auch Philosophen, die man fragen möchte, ob sie es denn moralisch vertretbar oder mit ihrer Würde vereinbar finden, bei einem derartigen Unfug mitzutun. Kant hätte ihnen die Kennzeichnung, „Grillenfänger“ zu sein, „Windbeutel“ und „Klüglinge“, kaum erspart.

Mehr: www.faz.net.

Lasst uns froh und Luther sein

Es ist schwerverdaulich, was in diesen Tagen über die Reformation zu hören und zu lesen ist. Es wimmelt nur so von schwachsinnigen Gegenwartsbezügen. Im Radio vernahm ich gerade einen Gottesdienstmitschnitt zum Thema „Luther und die Inklusion“: Wir wollen feiern, dass wir alle Kinder Gottes sind.

Aber es gibt Ausnahmen! Jürgen Kaube hat in der FAZ einen wunderbaren Kommentar mit dem Titel „Lasst uns froh und Luther sein“ veröffentlicht. Die evangelische Kirche macht – so Kaube das Reformationsjubiläum zu einem Festival des Banalen. Martin Luther wird fürs „Liebsein“ in Dienst genommen. Was er wollte und bewirkte, scheint vergessen.

Es steht „Luther“ drauf, aber es ist kein Luther drin. Um das zu sehen, bedarf es nur der Lektüre prominenter Mitteilungen des evangelischen Führungspersonals. Es ist die Litanei der Wertbekräftigung, die hier die Predigten durchzieht. Erbarmen, Freundlichkeit, Demut, Sanftmut und Geduld sowie Vergebung sind gut, lässt uns etwa Heinrich Bedford-Strohm, der Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), wissen. Hass hingegen ist nicht gut. Deswegen müsse „jetzt, wo sich Angst und Unsicherheit auszubreiten droht(!)“, das Singen wieder gelernt werden. Andernorts ist es nicht der Hass, von dem Bedford-Strohm die Sanftmut unterscheidet, sondern „ein Leben mit Ellenbogen und Rücksichtslosigkeit“. Dass Gott zugleich „über allen, durch alle und in allen“ sei, wie es in derselben Predigt heißt, legte zwar die Implikation nahe, dass er auch in Investmentbankern und Waffenhändlern wirkt, aber so weit will Bedford-Strohm offenbar nicht gehen. Was gehen ihn seine Nichtgedanken von vor zwei Sätzen an?

Der amtliche Protestantismus der Reformationsfeiern protestiert vorzugsweise gegen das, wogegen aus verständlichen Gründen so gut wie alle protestieren, die bei Verstand sind. Ein Risiko liegt darin nicht, mit Theologie hat es nichts zu tun. Wer Luther, der aus theologischen Gründen keinem Risiko auswich, für diese Gegenwart beansprucht, hat ihn darum vermutlich länger nicht gelesen.

Unbedingt reinschauen: www.faz.net.

Das Deutschlandradio hat außerdem mit dem Historiker Thomas Kaufmann über den Ausbruch der Reformation gesprochen. Kaufmann, Experte für Reformationsgeschichte in Göttingen, hat ein beachtetes Buch über die Reformation herausgegeben und grenzt sich wohltuend von dem Kitsch, der sonst über Luther und die Reformation zu lesen ist, ab.

Hier das Gespräch mit Professor Kaufmann:

 

Evangelium21 lässt anlässlich des Reformationstages Luther selbst zu Wort kommen. In seiner Römerbriefvorlesung von 1515/16 sagte Martin Luther zu Römer 1,16:

Wer dem Evangelium glaubt, muss schwach und töricht werden vor den Menschen, dass er stark und weise sei in der Kraft und Weisheit Gottes. Denn in 1Kor 1,27.25 heißt es: „Was schwach und töricht ist vor der Welt, das hat Gott erwählt, dass er, was stark und weise ist, zuschanden mache. Die göttliche Schwachheit ist stärker denn die Menschen sind und die göttliche Torheit ist weiser denn die Menschen sind.“ Wenn du also vernimmst, dass die Kraft Gottes alsbald verworfen wird, so erkenne darin die Kraft des Menschen oder der Welt und des Fleisches. (Also muss alle Kraft, Weisheit und Gerechtigkeit verborgen, begraben werden, sie darf nicht sichtbar werden, ganz und gar nach dem Bild und Gleichnis Christi, der sich selbst entäußerte, so, dass er die Macht, Weisheit und Güte ganz und gar verbarg und lieber Ohnmacht, Torheit und Härte an den Tag legte. In gleicher Weise muss, wer mächtig, weise, anziehend ist, dies so haben, als hätte er’s nicht. Darum ist das Leben der Fürsten dieser Welt und der Rechtsgelehrten sowie derer, die sich durch Macht und Weisheit behaupten müssen, von größten Gefahren bedroht. Denn wenn diese Vorzüge nicht in die Augen fallen und auch nur im geringsten Maße verhüllt sind, dann gelten sie selbst ganz und gar nichts mehr. Sind sie aber vorhanden, siehe, dann steckt „der Tod im Topf“ (vgl. 2Kön 4,40), besonders, wenn man im Herzen daran Gefallen findet, dass sie den Menschen in die Augen fallen und von ihnen geschätzt werden. Denn es ist schwer, das vor seinem eigenen Herzen zu verbergen und geringzuachten, was allen offenbar ist und hochgeschätzt wird.

Mehr: www.evangelium21.net.

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