Lady Gaga

Marke Gaga

In nur einem Jahr hat sich die Newcomerin Stefani Germanotta zur Popikone »Lady Gaga« stilisiert und rund 62 Millionen Dollar verdient. Und das, indem sie nur ein einziges Produkt vermarktete: sich selbst. Alexander Armbruster schreibt:

Im Frühjahr 2010 erhielt sie zweimal den mit dem Oscar der Filmindustrie vergleichbaren Musikpreis Grammy. Während der Verleihung trat sie in schillernd-grünem Engelskostüm auf, zusammen mit Popgröße Elton John. Gemeinsame Auftritte etwa mit Bruce Springsteen und Sting folgten. Nach Angaben von »Forbes« verdiente Lady Gaga alleine in der Zeit zwischen Juni 2009 und Juni 2010 rund 62 Millionen Dollar. Insgesamt verkaufte sie geschätzte 40 Millionen Singles und zwischen 12 und 15 Millionen Alben. Das »Time Magazin« kürte die Sängerin ebenfalls in diesem Jahr zur einflussreichsten Künstlerin der Welt und garnierte die Auszeichnung mit einer Widmung der gleichsam preisgekrönten Sängerin Cyndi Lauper.

Lady Gagas nunmehr seit anderthalb Jahren ununterbrochener Erfolg fußt auf mehr als der ständigen Neuerfindung ihrer Marke. Viel Arbeit steckt dahinter und Disziplin. »Bei mir bleibt nichts dem Zufall überlassen«, sagte sie einmal. »Alles, was man von Gaga sieht, soll auch gesehen werden.« Wenn sie auf der Bühne steht, ist das mitunter nichts. »In ihrem Universum gibt es nichts, was nicht neu geschrieben oder neu erschaffen werden kann«, schrieb die Zeitung »International Herald Tribune« über sie.

Die Analyse von Armbruster greift m.E. etwas zu kurz, wenn der Erfolg vor allem unternehmerischem Mut, Fleiß und Disziplin zugeschrieben wird. Entfremdung scheint das Stichwort für Lady Gagas Selbstinszenierung und ihre Beliebtheit zu sein (siehe auch hier).

Trotzdem, der Text ist lesenswert: www.faz.net.

Performance und Pulp

Entfremdung ist das Stichwort für Lady Gagas Selbstinszenierung. Katrin Horn, die derzeit über das Thema Deconstructing Gender Hegemony, Queering the Cultural Mainstream: Camp as a subversive strategy in the production and reception of contemporary American popular culture promoviert, hat das neue Video »Telephone« von Lady Gaga analysiert:

Ihre ständige wechselnden Images, ihre Kostüme, Frisuren und Make-Up, manchmal sogar Masken, sind Maskeraden, sind nicht einfach Kleidung, sondern Teil der Performance Art. Damit perfektioniert Gaga ein Spiel mit den Geschlechtern und Identität, das in den 80ern Annie Lennox und Madonna in unterschiedlicher Ausprägung ins Pop-Geschäft eingebracht haben und das vor allem bei Annie Lennox zu ähnlichen Hermaphroditen-Vorwürfen führte wie bei Lady Gaga. Dass Lady Gaga jedoch ein eigenes Video nutzt, um das Gerücht erneut zu thematisieren (und es damit vor dem Vergessen zu bewahren) und es einerseits aus der Welt zu schaffen („Told you she didn’t have a dick“), andererseits aber ihr Bedauern über diesen Umstand auszudrücken („Too bad“), ist neu und für einen einfachen Marketing-Gag mehr als ungewöhnlich. Darüber hinaus inszeniert sie sich sowohl als Sex-Babe (etwa in der Cage-Dancing-Szene), dessen Darstellung jedoch von Bildern als Mord-Opfer unterbrochen wird, als auch als Drag-Queen-Version der amerikanischen Hausfrau. Darüber hinaus gibt es Lady Gaga in der bereits erwähnten Myra-Breckinridge-Ausführung (eine MTF-Transgender aus einem Camp-Klassiker, die sich anschickt die Weltordnung umzustürzen), als hosenloses Biker-Chick und als Shania-Twain-Country-Inkarnation. Falls „sexy“ also überhaupt das richtige Wort zur Beschreibung ihrer Wirkung ist, gilt dies wohl vor allem für ein queeres Verständnis von Sex-Appeal. „Verstörend“ trifft die Ästhetik ihrer Performance und Sexualität jedoch in den meisten Fällen deutlich besser.

Wenn Judith Butler also Recht hat und „gender parody“ das richtige Mittel ist, um die heteronormative Matrix in Frage zu stellen und Linda Hutcheon mit ihrer Definition von Parodie als „repetition with a critical difference“ richtig liegt, ist Lady Gaga und ihr Performance-Marathon mit Pulp-Bezug in „Telephone“ ein mehr probates Mittel zur Subversion der Popkultur. Hinzu kommt, dass Gaga den Zuschauern das längst überfällige Happy-End zum Road-Movie Thelma & Louise nachreicht und damit das seinerzeit anscheinend nötige Eindämmung transgressiver Weiblichkeit einholt.

Hier der vollständige Text: genderblog.de.

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