Matt Studer

Jesus25 – Wie geht es weiter mit den Evangelikalen im deutschsprachigen Europa

Matt Studer hat selbst an der Jesus25-Konferenz teilgenommen und in einem ausführlichen Blogbeitrag seine Eindrück und Hoffnungen formuliert. Darin heißt es: 

Ankern hiess also, sich auf die Grundlagen des evangelikalen Glaubens zu besinnen und diese für unsere Zeit neu zu formulieren. Von welchen Grundlagen spreche ich hier? Ich meine die Basics, wie sie z. B. im Nicäno-Konstantinopolitanischen Glaubensbekenntnis formuliert wurden: Wer ist Gott, wer der Mensch? Was ist das Evangelium? Konkret wurden an der Konferenz drei Themen betont: Der Sühnetod Jesu im Zusammenhang mit unserem Heil (wie werden wir erlöst?), das evangelikale Bibelverständnis und eine positive, heilsame Sicht auf die biblische Sexualethik. Gerade diese drei Punkte werden von der progressiv-postevangelikalen Strömung hinterfragt und rekonstruiert, so dass es Not tut, sich zu besinnen, was wir eigentlich glauben und wie wir es wieder relevant kommunizieren könnten. Natürlich könnte man sagen, dass man ausgerechnet die drei Steckenpferde der Evangelikalen herausgesucht hat. Gäbe es nicht auch noch andere Themen, bitte schön? Die Antwort lautet: Ja, man hätte auch über die Trinität sprechen können (vielleicht auch sollen?), um nur ein weiteres Kernthema zu nennen. Ich meine dennoch, dass die drei gewählten Impulse wichtig waren, weil dies die Themen sind, die von progressiver Seite her zur Debatte stehen.

Dazu ein paar kritische Anmerkungen meinerseits: Der evangelikale Glaube hat, was seine Kernüberzeugungen betrifft den Anspruch, echter biblischer Glaube zu sein. Wir glauben, dass unsere Kernüberzeugungen nicht einfach Ausdruck irgendeiner Zeit oder Strömung, geprägt von einzelnen Persönlichkeiten sind. Vielmehr behaupten wir, dass diese Überzeugungen biblisch sind und sich mit der Lehre Jesu und der Apostel decken. Wir behaupten also frech und freudig, dass wir den richtigen christlichen Glauben haben – zumindest was den Kern betrifft. Das ist für uns innerhalb der evangelikalen Bubble selbstverständlich. Für Leute ausserhalb dagegen kann es ein Affront sein. Deswegen schlage ich vor, dass wir uns (gerade wenn es um eine Standortbestimmung geht), stärker historisch verorten. Woher kommen wir (Reformation, Erweckungsbewegung, Pietismus, Puritanismus?)? Denn sonst stehen wir in der Gefahr unseren historischen Bezugsrahmen aus den Augen verlieren. Es klingt dann zumindest nach aussen hin so, als ob unsere Kernüberzeugungen einfach unsere eigenen Präferenzen widerspiegeln. Dabei könnten wir ja gerade zeigen, dass unser Glaube auf eine lange, sich durch die Jahrhunderte hindurchziehende Geschichte beruft. Ich bin mir sicher, dass der mit der Konferenz publizierte Band zur evangelikalen Bewegung in Deutschland, Österreich und der Schweiz dies nachholt. Aber irgendwo in den Keynotes hätte ich diesen historischen Bezugsrahmen sinnvoll gefunden. Und wenn wir schon dabei sind, schlage ich vor, dass wir wieder vermehrt beginnen, die frühen Jahrhunderte der Kirche (gerade was mein evangelikales Bibelverständnis betrifft, habe ich in der Schule der patristischen Väter und bei Augustinus und Thomas von Aquin dazugelernt) zu studieren und in unsere Präsentation einzuflechten. Die evangelikale Bewegung, wenn sie die authentische christliche Lehre für sich beanspruchen will, muss zeigen, dass ihre Lehre kein Novum ist, sondern sich in der Kirchengeschichte immer wieder manifestiert hat (sogar vor der Reformation!). Dieser historische Fokus macht uns auch glaubwürdiger, wird uns doch manchmal nicht zu unrecht vorgeworfen, wir seien Geschichtsvergessen. Initiativen aus dem englischen Raum wie Credomag oder Roland Werners neues Buch Faszination frühe Christen (auf Deutsch!) würden hier wertvolle Impulse geben. PS: Dazu gehört der Dialog mit der römisch-katholischen und anderen Kirchen. Leute wie Gavin Ortlund von Truth Unites leisten viel hinsichtlich dieses Dialogs zwischen Evangelikalen und Geschwistern aus anderen Traditionen, allerdings im angelsächsischen Sprachraum. Wir brauchen solche Initiativen auch im deutschsprachigen Raum, meine ich.

Gefreut hat mich, dass die globale evangelikale Bewegung und die verfolgte Kirche eine Erwähnung fanden. Es ist so wichtig, dass wir hier und da über den eigenen Tellerrand hinausschauen, gerade weil die westliche Christenheit global gesehen längst nicht mehr am Drücker ist (zumindest zahlenmässig). Ich bin hier auch erst am Anfang, aber ich schlage vor, dass wir vermehrt von unseren Geschwistern aus Afrika, Lateinamerika und Asien dazulernen.

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Jesus à la John Wayne

Sind Evangelikale (Männer) partout patriarchalische Machos, wie das irgendwie Kristin Kobes Du Mez’ Buch Jesus and John Wayne kommuniziert? Ich empfehle, mitzulesen, was Matt Studer darüber denkt: 

Was geschieht, wenn plötzlich alles patriarchal überschattet wird? Ich behaupte, dass die Schablone, mit der Du Mez die Evangelikalen liest, wenig Differenzierung zulässt. Es ist eine Schablone, die vorbestimmt was am Ende rauskommt. Folgende Beobachtungen sollen dies verdeutlichen. Du Mez bespricht die Formierung des sogenannten Council for Biblical Manhood and Womanhood (CBMW) als ‚einen Versuch, das Patriarchat auf der Grundlage der Bibel zu verteidigen‘. (S. 166) Sie nimmt Bezug auf das Danvers Statement (eines Grundlagenpapiers, das die Hauptgedanken des CBMW zusammenfasst): ‚[Dieses Papier] diktierte, dass die Leitung des Mannes [in der Ehe, gemäss Epheser 5] demütig und liebend anstatt dominierend sein solle. Und es hielt fest, dass „Männer von einer harten und eigennützigen Führung in der Ehe absehen und ihre Frauen lieben und für sie sorgen sollen“‚. (S. 167) Obwohl eine dienende, fürsorgliche ‚Autorität‘ sicher besser ist als der chauvinistische Habitus eines John Wayne im Umgang mit Frauen, das Problem für Du Mez ist hier das Paar ‚Führung – Unterordnung‘ (gemäss der Auslegung des CBMW der Epheser-5-Stelle). Natürlich kann man heute, in unserer modernen Welt, die nur noch wenige oder keine Unterschiede mehr zwischen Mann und Frau sieht, über diese und ähnliche paulinische Stellen denken was man will. Aber dass hier Paulus (oder vielleicht besser das Verständnis des CBMW von Paulus) und Mr. Wayne über den gleichen Kamm geschoren werden ist bedenklich. Die Unterschiede zwischen einem chauvinistischen Machoismus, der Frauen als Objekte sieht über die er herrscht, und einer fürsorglichen, dienenden ‚Autorität‘ sind himmelweit. Doch wer nur ansatzweise über eine Möglichkeit unterschiedlicher Rollen aufgrund des Geschlechts nachdenken will, landet bei Du Mez automatisch im patriarchalischen Lager.

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