Narzissmus

Prozess der Entwirklichung

Die FAZ hat einen guten Beitrag über den Einfluss des Smartphones publiziert. Das Smartphone bringt unser Leben zum Leuchten, jeder wird zum Regisseur und spinnt sich sein Netz der Anerkennung. Ein Artikel über die Psychologie einer großen Illusion.                                         

Die Bilder, die von ihren Freundinnen bei Whatsapp täglich auf sie einprasseln, seien eine „Beschränkung der Freiheit“, schrieb die Schweizer Autorin Claudia Mäder kürzlich in der „Neuen Zürcher Zeitung“. Das klang nach einer großen These, war aber ganz einfach gemeint: Sie wolle sich lieber einen schönen Garten vorstellen, als Bilder von kümmerlichen Pflänzchen zu sehen, und auch auf die Impressionen von kaffeetrinkenden Freundinnen oder bergsteigenden Kollegen auf weißen Gipfeln könne sie verzichten. All diese Bilder empfindet sie als „Eindringlinge in die Sphäre der mentalen Imagination“.

Daniel Salber erkennt in dem Prozess der Entwirklichung, den die sozialen Netzwerke mit sich bringen, eine Strukturanalogie zur Spekulationsblase der Finanzkrise von 2008. Der Wunsch, ohne Aufwand reich und glücklich zu werden, werde durch die Struktur der sozialen Medien befördert: Keine Anstrengung, kein Scheitern, permanente Selbstmaximierung und Perfektion nach außen – erwünscht ist das makellose Dasein in einer glatten Welt, die nichts mehr dem Zufall überlässt.

Ich bin, was ich erlebe. Ich zeige, was ich erlebe. Ich erlebe, was ich kaufe.

Hier: www.faz.net.

Ich heirate. Mich!

Selbst ist der Mann und die Frau. Wir können uns selbst lieben, vergeben, danken oder … In Japan lebt mittlerweile die Hälfte aller Frauen als Single. Viele haben keinerlei Wunsch nach einer Beziehung, und nach dem Eheleben sehnen sie sich schon gar nicht. Einmal heiraten wollen sie aber trotzdem. Mangels Partner heiraten sie sich selbst. An einer Solo-Hochzeit in Kyoto.

Die NZZ schreibt:

Es gibt ein Sprichwort in Japan: Die Hochzeit ist das Grab des Lebens. Man sei dann auf den Ehepartner festgelegt und könne sein Geld nicht mehr nur für sich ausgeben. Vor allem bei Japanerinnen ändert sich durch die Ehe alles. Die meisten geben ihre Arbeit auf und werden Hausfrau.

Idealtypisch stehen sie frühmorgens auf und bereiten dem Ehemann ein Lunchpaket. Die Würstchen so aufgeschnitten, dass sie aussehen wie Tintenfische. Gesichter mit Seetang auf den Reis gemalt. Zeichen der Liebe. Haushalt, Kinder, abends ein Ehemann, der betrunken von Arbeitsgelagen heimkehrt. Ab und an eine Louis-Vuitton-Tasche und, wenn die Kinder aus dem Haus sind, eine Teilzeitstelle. Das eigene Leben? Vorbei.

Es scheint, als hätten immer mehr Japanerinnen darauf keine Lust. Sie heiraten spät oder gar nicht. 1950 lag das Heiratsalter bei Frauen bei 23 Jahren, 2012 bei 29,2. Früher nannte man eine unverheiratete 25-Jährige «Weihnachtskuchen». Den wolle am 25. Dezember keiner mehr.

Mehr: www.nzz.ch.

VD: TJ

Woran erkennt man einen Narzissten?

Selbstverliebte Narzissten sind eloquent und charmant, ziehen alle Blicke auf sich, wenn sie einen Raum betreten. An Beziehungen liegt ihnen allerdings nicht sehr viel. DIE WELT nennt in Anlehnung an die Untersuchungen von Craig Malkin fünf Kriterien, an denen man einen Narzissten gut erkennen kann:

  • Erstens läßt sich ein Narzisst an seinem meist gut getarnten, aber tief sitzenden Bedürfnis nach Überlegenheit erkennen. Um die zu bekommen, muss er dafür sorgen, dass sein Gegenüber sich unterlegen fühlt.
  • Der Narzisst redet zweitens ungern über Gefühle, denn Gefühle machen verletzlich, und das ist das Letzte, was er sein will.
  • Ein Narzisst präsentiert ein geschöntes Bild seiner Vergangenheit.
  • Es fällt ihm schnell auf, wenn sein Gegenüber seine Ansprüche an Perfektion nicht erfüllt. Narzissten bauen dann Druck auf.
  • Und fünftens verabscheut der Narzisst Abhängigkeit. Er vermeidet alles, was ihn daran erinnert, dass er womöglich nicht jede Sekunde in seinem Leben unter Kontrolle hat. Deshalb ist es ihm wichtig, ständig zu demonstrieren, dass er es ist, der die Spielregeln aufstellt.

Hier mehr: www.welt.de.

Die Seuche des Narzissmus

Von all den erstaunlichen Eigenschaften der mittelalterlichen Kathedralen überrascht ein Merkmal den modernen Geist ganz besonders: Wir haben keine Ahnung, wer die großartigen Bauwerke entworfen und gebaut hat. In einer Art und Weise, die uns fremd ist, haben damals die Architekten und Bauherren darauf verzichtet, ihre Namen auf den Eckpfeilern unterzubringen. Diese Anonymität ist ungewöhnlich. Es gibt keinen bleibenden Ruhm für die Künstler. Angesichts dieser Demut, mit der damals vorgegangen wurde, sind wir geradezu ratlos.

Heute leben wir im Unterschied dazu in einer Kultur, in der die narzisstische Selbstdarstellung alltäglich geworden ist.

Aaron Kheriaty stellt für Thirst Things das nicht mehr ganz frische Buch The Narcissism Epidemic von Jean Twenge und Keith Campell vor. Ich kann die Besprechung sehr empfehlen.  Kheriaty schreibt:

Unknown

The artistic and cultural norm of the anonymous artist or craftsman began to change during the so-called Enlightenment. Witness Jean-Jacques Rousseau’s Confessions, a book he dedicated “to me, with the admiration I owe myself.” The book opens with these lines: “I have entered upon a performance which is without example, whose accomplishment will have no imitator. I mean to present my fellow-mortals with a man in all the integrity of nature; and this man shall be myself.” Rousseau deliberately chose his title as a response to Augustine’s work by the same name. In contrast to Rousseau’s vain self-aggrandizement, Augustine gives all glory to God, as in his opening quotation from the Book of Psalms: “Great thou art, and greatly to be praised.” One has to add, however, that even if we admire Augustine’s humility, Rousseau’s language strikes us as more familiar. “To me, with the admiration I owe myself” is a dedication that would look right at home today on a Facebook or MySpace page.

In the eighteenth century, Rousseau’s narcissism, although fashionable among the philosophes, was still something of an anomaly in the wider culture. Indeed, if you believe the statistics in the book under review, such self-conscious narcissism remained an anomaly until roughly forty years ago. Not so today, argue authors Jean Twenge and Keith Campbell. The Narcissism Epidemic opens with this claim: “We didn’t have to look very hard to find it. It was everywhere.” Indeed. As the reader sifts through the evidence the authors have gathered, it becomes apparent that this is a book that could have written itself. And yet this is the first popular book on the topic since Christopher Lasch’s 1979 bestseller, The Culture of Narcissism (a book still very much worth reading, in spite of its somewhat anachronistic theoretical framework, which draws heavily on Freudian psychoanalysis). We should be grateful to Twenge and Campbell for bringing us up to date, carefully collecting and collating the evidence at hand.

The authors, psychologists by training, employ clinical language throughout. In the book’s four sections, the phenomenon of narcissism is understood in terms of “diagnosis,” “causes of the epidemic,” “symptoms,” and “prognosis and treatment.” But what is dealt with here is, in fact, more a cultural phenomenon than a clinical one. The book could be classified as sociology rather than as clinical psychology or medicine. One wonders whether the authors’ use of language derived from a medical model is the wrong approach to the sort of narcissism they describe. The individuals profiled in the book are not the wounded souls who typically visit a psychiatrist’s office in search of succor and healing. They are, instead, the student denizens of UCLA and Texas Tech and the parents who formed them—individuals supposedly healthy and well adjusted, even flourishing, by contemporary standards. And yet, when one looks beneath the surface, these are sick souls. Medicine, then, is perhaps the apt descriptive metaphor. (“Narcissism is a psychocultural affliction rather than a physical disease,” as the authors put it.)

Mehr: www.firstthings.com.

Die narzisstische Sackgasse

Melanie Mühl beschreibt in ihrem FAZ-Artikel „Ich kam, ich sah, ich wirke!“ die Kultur der krankhaften Selbstliebe. Überall begegnen uns Narzissten, sogar im eigenen Spiegel.

Die permanente Aufforderung zur Selbstbetrachtung hat etwas Übergriffiges. Ob man nicht die optimale Helligkeit seiner Zähne herausholen wolle? fragt der Zahnarzt, noch bevor er sich ein Bild über deren Gesundheitszustand gemacht hat, und der Hautarzt warnt eindringlich vor der sich andeutenden Zornesfalte. Botox helfe. Im Grunde ist es unmöglich, durch eine Zeitschrift zu blättern, ohne animiert zu werden, sein Ich testend unter die Lupe zu nehmen. Wie gut bin ich im Bett? Wie wirke ich auf Männer? Bin ich der geborene Erfolgstyp? Ganze Industriezweige verdienen enorm viel Geld damit, die Ichbezogenheit beharrlich voranzutreiben. Je früher man mit der Selbstoptimierung beginnt, so wird einem suggeriert, desto besser. Der Ratgeber- und Coaching-Markt boomt. „Ich kam, ich sah, ich wirke! Mehr Charisma für mehr Erfolg!“- „Ich bin ich und ich bin gut“. Ich. Ich. Ich – das ist das stärkste Verkaufsargument solcher Buchtitel. Voraussetzung dieser hemmungslosen Selbstbejahung ist der komplette Verzicht auf alle Vergleichsmaßstäbe.

Zu einer erfolgreichen Erwerbsbiographie reicht es nicht mehr zu studieren und ein paar Praktika zu absolvieren. Die Internetseite „studium-ratgeber“ empfiehlt vielmehr Folgendes: „Die eigene Person als Marke definieren und etablieren – in der heutigen Arbeitswelt unverzichtbar. Das fängt schon bei der ,Bewerbungsschlacht‘ um die guten Jobs an.“ Von „Markenpersönlichkeit“ und „Ego-Marketing“ ist die Rede. Die Werbeindustrie und die Massenmedien züchten mit ihrer Sehnsuchtsstimulierung nach Erfolg, Ruhm und Reichtum narzisstische Charakterzüge geradezu heran.

Da passt ein Zitat von David Platt ganz gut:

„In einer Welt, wo sich alles um das Selbst dreht, darum: sich zu schützen, sich selbst zu fördern, sich selbst zu trösten, sich um sich selbst zu kümmern, sagt Jesus: „Ans Kreuz mit dem Selbst. Lege alle Selbsterhaltung auf die Seite, um für Gottes Verherrlichung zu leben, egal, was das für die Kultur um dich herum bedeutet.“

Vom Segen der Selbstvergessenheit

Der Psychoanalytiker Hans-Joachim Matz hat in seinem Buch Die narzisstische Gesellschaft ein schonungsloses Psychogramm unserer orientierungslosen Gier- und Konsumgesellschaft gezeichnet. Wir sind in die Narzissmus-Falle geraten: „Solange wir keine Mittel und Wege finden, den Narzissmus und die ihm zugrunde liegende Bedürftigkeit zu zähmen, so lange gleichen alle unsere Versuche, die Krise zu überwinden und die gesellschaftlichen Verhältnisse doch noch zum Besseren zu verändern, einem Stühlerücken auf der Titanic“ (Zitat aus der Buchbeschreibung).

Tullian Tchividjian erklärt in einem Beitrag für das Leadership Journal, dass sogar Christen die „Heiligung“ mit Narzissmus verwechseln. Heiligung – so die These von Tchividjian – hat wenig mit Konzentration auf das Selbst zu tun. Dort, wo wir von uns wegschauen und über die Gnade und Größe Gottes staunen, wachsen wir.

Maturity is not becoming stronger and stronger, more and more competent. Christian growth is marked by a growing realization of just how weak and incompetent we are, and how strong and competent Jesus is on our behalf. Spiritual maturity is not our growing independence. Rather, it’s our growing dependence on Christ. Remember, the apostle Paul referred to himself as the „least of all the saints“ (Eph. 3:8) and the „chief of sinners“ (1 Tim. 1:15), and this was at the end of his life!

For Paul, spiritual growth was realizing how utterly dependent we are on Christ’s cross and mercy. It’s not arriving at some point where we need Jesus less because we’re getting better and better. Paradoxically, Paul’s ability to freely admit his lack of sanctification demonstrated just how sanctified he was.

Here’s my point: when we stop focusing on our need to get better, that’s what it means to get better. Stop obsessing over your need to improve, and that is improvement!

The focus of the Bible is not the work of the redeemed but the work of the Redeemer. The Good News is his victory for us, not our „victorious Christian life.“ The gospel declares that God’s final word over Christians has already been spoken: „Paid in full.“ Therefore, we now live with confidence that „there is now no condemnation for those who are in Christ Jesus“ (Rom. 8:1).

Hier der Artikel: www.christianitytoday.com.

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