Peter Bruderer

Christliche Organisationen im Spannungsfeld

Letzte Woche habe ich ein paar Tage in der Schweiz verbracht. Ein Kollege drückte mir das Programmheft des ERF Schweiz in die Hand. In dem Artikel „Gott … ist eine überquellende Möglichmacherin“, ist nachzulesen:

In diesem Moment hat sich mein Bild von Gott erweitert. Sie ist wie eine Quelle, die nie versiegt. Eine Quelle, aus der wir immer wieder schöpfen dürfen, egal ob wir resignieren, aktionistisch handeln oder gelassen vertrauen. Ihr Wasser fliesst unaufhörlich, erfrischt und ermöglicht Leben.

Aus Gott dem Vater ist mal eben eine Mutter geworden: „Ich mache mir meinen Gott, so wie ich es will“ (vgl. dazu „Das Mutterherz Gottes“).

Dass es um die evangelikale Szene in der Schweiz ähnlich schlecht bestellt ist wie in Deutschland und große Werke „mitspielen“, beschreibt der Artikel „Christliche Organisationen im Spannungsfeld von progressiv und evangelikal“ von Peter Bruderer. Er schreibt:

Im Austausch mit Teilnehmenden der Tageskonferenz Bunt Glauben habe ich wahrgenommen, dass die Sexualethik ein wichtiger inhaltlicher Faktor war. Doch es ging auch in einem viel weiteren Sinn darum, was die Beteiligten unter Glaubensweite verstehen. Es ging auch um negative Erfahrungen, welche Menschen in unseren freikirchlichen Gemeinden gemacht haben oder um Glaubenslehren, wie der Lehre des doppelten Ausgangs in der Ewigkeit, welche auf die Menschen einen Druck ausüben würden, ‘richtig’ glauben zu müssen.

Ich gehe mit den Exponenten von Bunt Glauben einig, dass Menschen in unseren freikirchlichen Gemeinden manchmal negative Erfahrungen machen. Unsere Gemeinden sollten Orte sein, in denen Menschen ihre Fragen stellen können, ohne komisch angeschaut zu werden. Hört man sich einzelne Geschichten an, ist es manchmal nachvollziehbar, warum manche ihren Gemeinden oder gar dem Glauben den Rücken kehren, was mir ausgesprochen leidtut.

Was die Lehre des doppelten Ausgangs betrifft, so besagt diese, dass der Mensch beim Endgericht Gottes entweder an einen Ort ewiger Strafe oder in das ewige Leben gelangt (vgl. z.B. Mt 25:46). Diese Lehre kann natürlich missbräuchlich dazu verwendet werden, die “Herde” unter Kontrolle zu halten und Menschen mit Hilfe von Angst zu führen. Aber es gibt auch Arten die Lehre zu besprechen, die nicht dazu führt, dass die Gläubigen sich einen Gedanken-Stopp auferlegen, sondern frei bleiben für offene inhaltliche Diskurse. Bei Vertretern der Bunt Glauben Konferenz konnte die gewünschte ‘Weite’ und ‘Offenheit’ aber scheinbar nur gedacht werden, indem man die durchaus biblisch und kirchenhistorisch verankerte Lehre des doppelten Ausgangs von vornherein defacto ausschliesst und auf der Basis einer Allversöhnung argumentiert.

Mein Punkt ist dieser: Die Art von Glaubensweite, welche an der Konferenz Bunt Glauben verkündet wurde, wurde eben gerade nicht erreicht durch eine Offenheit, alle theologische Optionen zu denken, sondern durch Ausgrenzung einer wichtigen theologischen Option, nämlich der Lehre vom doppelten Ausgang. Anstatt von Weite zu reden, müsste man deshalb besser von einer einzigen bestimmten theologischen Richtung reden, in die man unterwegs ist.

Mehr: danieloption.ch.

Der Glaube hat mir noch nie gepasst

Das Anliegen der sogenannten Postevangelikalen ist es, die Theologie und das Verständnis des persönlichen Glaubens innerhalb der evangelikalen Kreise zu reformieren. Weiterglauben ist das Schlagwort. Christen sollen aus der geistlichen Enge hinaus ins weite Land einer anschlussfähigen Spiritualität geführt werden (vgl. Was sind Postevangelikale?).

In seinem aktuellen Buch Wenn der Glaube nicht mehr passt hat Martin Benz in diesem Sinne seinen eigenen Umzug aus einer rückwärtsgewandten Frömmigkeit ins Progressive beschrieben. Peter Bruderer hat sich die Mühe gemacht, den Umzugshelfer von Martin Benz zu lesen und eine Rezension verfasst, die ich gern empfehle. Darin heißt es:

Wenn Martin Benz also ein Buch vorlegt mit dem Titel «Wenn der Glaube nicht mehr passt», dann vermute ich schon da ein grundlegendes Missverständnis, dem auch andere Gläubige erliegen: Der Glaube ist nicht dazu gedacht, dass er uns passt, sondern dass wir lebenslang mehr und mehr in ihn hineinwachsen. Nicht der Glaube muss sich weiterentwickeln, sondern wir müssen es. Wer einen Glauben sucht, der ihm passt, hat nicht begriffen, dass der biblisch-traditionelle christliche Glaube keine «Wohnung» ist, sondern ein Universum.

Ich werde in meinen Erörterungen um der Verständlichkeit willen primär mit dem Bild agieren, das Martin gewählt hat: Das Bild der Wohnung und des Umzugs. Dabei will ich schon zu Beginn meine Schlussfolgerung nennen, damit dies beim Lesen meines Textes mitbedacht werden kann: Ich werde den Umzug nicht mitmachen, den mir Martin nahelegt. Die Wohnung, die er mir schmackhaft macht, ist aus meiner Sicht weder so neu, wie sie den Anschein macht, noch hat sie die nötige Bausubstanz, die ich für meine Wohnung wünsche. Sie ist mir viel zu klein.

Lieber Leser: Vielleicht bist du an einem anderen Punkt als ich. Vielleicht überlegst du es dir, mit Martin einen (wie auch immer gearteten) Umzug des Glaubens in ein anderes Haus mitzumachen. In diesem Fall habe ich einen Wunsch. Ich hoffe, dass du trotz der Tatsache, dass ich den Umzug nicht mitmache, meine Gedanken, Argumente und Rückfragen an Martin ernsthaft in Betracht ziehst. Wer weiss, vielleicht entdeckst du in den Antworten, die du findest, Hinweise auf das Universum, das Gott vor unseren Augen aufspannt.

Hier mehr: danieloption.ch.

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