Der SPIEGEL hat sich inzwischen auch in die Debatte über Transmenschen eingemischt (vgl. hier) und unterstellt J.K. Rowling eine unerträgliche und perfide Argumentation. Was ist denn so perfide? Rowlings setze voraus, dass es tatsächlich so etwas wie ein biologisches Geschlecht gebe. Der Autor beruft sich auf Judith Butler. Sie habe bereits in den 90ern zwischen biologischem und sozialem Geschlecht unterschieden. Wer heute noch behaupte, es gebe so etwas wie ein biologisches Geschlecht, sei nicht auf der Höhe der Zeit. Denn nach Butler sind die Begriffe biologisches Geschlecht und Geschlechtsidentität nur „Erfindungen“ durch soziale und sprachliche Aspekte der Gesellschaft. Alles andere sei Biologismus. Das klingt dann so:
Bezeichnend dabei ist, wie simpel Rowlings vermeintlich feministischer Reflex daherkommt. In der Welt von Forstater, Rowling und Co. existieren zwar Transmenschen, aber eben nur auf der sozialen Ebene des Geschlechts (gender), und nicht auf der Ebene des Geschlechts, das Menschen bei Geburt zugewiesen wird (sex).
Die Philosophin Judith Butler schrieb bereits in den Neunzigern, dass sowohl gender als auch sex soziale Konstrukte seien, die wir als Gesellschaft ständig durch Wiederholung reproduzieren würden. Und seitdem Butler dies in ihrem Standardwerk „Das Unbehagen der Geschlechter“ argumentierte, wird diese Debatte geführt. Der Diskurs ist dabei eigentlich längst weiter.
Was Rowlings Tweet unerträglich macht, ist aber nicht nur ihr Anachronismus, sondern verbirgt sich in der inhärenten Logik ihrer Äußerung. Rowling tut erst mal so, als wolle sie niemanden angreifen, alle sollen schön machen, was sie wollen – und attackiert dann doch. Denn alles ist erlaubt, aber eines geht ihr doch zu weit: „Frauen aus ihren Jobs für die Aussage zu drängen, dass das Geschlecht real ist“. Hier vermischt sie die Diskurse und rekurriert auf einen feministischen Gedanken: Es wurde gerade eine Frau aus ihrem Job „rausgedrängt“. Dabei scheint für sie unerheblich zu sein, aus welchem Grund. Rowling spielt hier die Rechte der Frauen und die Rechte von Transfrauen gegeneinander aus. Das ist perfide.
Es wird also vorausgesetzt, dass eine binäre Geschlechterunterscheidung falsch und übel ist. Wer streng zwischen Mann und Frau unterscheidet, huldigt aus Sicht dieser Perspektive Zwangsidentitäten, die letztlich zu Gewalt und Terror führen.
Verschwiegen wird, dass das Konzept von Judith Butler eben tatsächlich nur zusammengeschrieben (und nicht bewiesen) wurde. Gerade unter den harten Wissenschaften ist ihre These (von Theorie sollte man noch gar nicht sprechen) äußerst umstritten, so dass manche von „unwissenschaftlicher Ideologie“ oder „universitärer Pseudowissenschaft“ sprechen. Ein Beispiel. Das biologische Geschlecht wird laut Butler durch „doing Gender“, also durch alltägliche sprachliche und kulturelle Interaktionen, hergestellt. Wir dürfen fragen: Wie entstanden denn die biologischen Geschlechter, ohne die es keine Fortpflanzung gibt, in der Tierwelt? Solche und ähnliche Fragen haben wir hier ja schon vor Jahren diskutiert (vgl. z.B. hier).
Ein Gespräch über solche Themen ist aber nicht erwünscht. Durch sozialen und rechtlichen Druck, also durch Diskriminierung, möchte man jene, die ein trans-inklusives Geschlechter-Konzept ablehnen, dazu zwingen, so zu denken und zu fühlen, wie sich die Gender-Mainstream-Gemeinde das wünscht.
Also, es sollten mehr Menschen den Mut aufbringen, die Gender-Thesen zu hinterfragen. Das Gemecker der Schwarmintelligenten halten wir aus. Mögen noch viele „J.K. Rowlings“ den Mund aufmachen!