Udo Schnelle: Die Kirche verleugnet ihre Grundlagen
Professor Udo Schnelle (Halle) hat in der FAZ die vielen Kirchenaustritte sehr pointiert kommentiert (FAZ vom 10.07.2020, Nr. 158, S. 18). Hier ein Auszug:
[Die EKD] orientiert sich seit Jahren nur noch an Themen aus dem linken Politikspektrum, die fast ungefiltert übernommen werden: Flüchtlingsfrage, Genderpolitik, Gerechtigkeit auf allen sozialen und politischen Ebenen, Klimafrage, Globalisierung und vieles mehr.
Diese Fragen sind überaus wichtig, sie bedürfen mehr denn je einer Lösung, aber die kann nur die politische Vernunft herbei führen. Die Kirche hat auf diesen Feldern kein Spezialwissen, auch wenn sie immer wieder versucht, ihre moralische Überlegenheit zu demonstrieren (zum Beispiel in der Flüchtlingsfrage). So wird die Kirche immer mehr zu einem beliebigen Sozialverein, der einzelne Gruppeninteressen bedient, dessen Konturen unscharf sind und dessen Botschaft sich von Parteislogans nicht mehr wirklich unter scheidet. Das Diesseits ist der einzige Bezugspunkt geworden, und von hier erhofft man das Überleben.
Ein fataler Irrtum, denn im Christentum gehören Diesseits und Jenseits untrennbar zusammen, denn es ist Gottes Welt, die er in Jesus Christus erlöst hat. Der evangelischen Kirche droht ihre Identität verloren zu gehen, weil die Ethik an die Stelle der Metaphysik getreten ist; weil von der befreien den und heilenden Kraft des Glaubens nur noch in politischen und nicht mehr in geistlich-theologischen Kontexten gesprochen wird und vor allem, weil die Auferstehung Jesu Christi von den Toten nicht mehr ernst genommen wird.