Die Heuchelei der kulturellen Elite in Sachen Ehe

Hört man auf die Leute, die heutzutage in Sachen „Beziehungen“ den Ton angeben, dann erscheint die Ehe als Auslaufmodell. Dabei ist es in Wirklichkeit gar nicht so schlecht um die traditionelle Ehe bestellt (jedenfalls ins Nordamerika), wie ein Artikel von Brad Wilcox aus The Atlantic zeigt.

Fazit: 

Menschen, die Kurse über das Eheleben geben oder Artikel und Bücher darüber schreiben, sollten ihren Schülern und Zuhörern die Wahrheit über Ehe und Familie sagen. Ja, die Ehe ist schwierig. Ja, manche Familien sind dysfunktional. Ja, es gibt toxische Partner da draußen. Und ja, es ist natürlich möglich, ein gutes Leben zu führen, ohne zu heiraten. 

Es sollte aber auch gesagt werden: Heute sind die meisten Ehen glücklich, die Wahrscheinlichkeit, geschieden zu werden, liegt jetzt deutlich unter 50 Prozent, und verheiratete Eltern (im Alter von 18 bis 55 Jahren) sind glücklicher als jede andere vergleichbare Gruppe. Die Öffentlichkeit, insbesondere unsere Kinder und jungen Erwachsenen, müssen dies deutlicher und häufiger hören. Dabei geht es nicht darum, junge Menschen zu schikanieren, sondern zu verdeutlichen, dass Ehe und Familienleben Sinn, Orientierung und Glück vermitteln. Wir können immer noch tolerant gegenüber individuellen Umständen sein, ohne die Tatsache aus den Augen zu verlieren, dass nicht alle Wege mit gleicher Wahrscheinlichkeit zu dem gewünschten Ergebnis führen.

Hier: www.theatlantic.com.

VD: WH

Der Zensurzonen-Plan: Friedliche Gebete dürften eigentlich nicht verboten werden

In den vergangenen Wochen hatte ein neuer Gesetzesentwurf für Verunsicherung und Diskussionen gesorgt: Das Vorhaben, das zurzeit vom Bundesrat behandelt wird, sieht die Einführung von Zensurzonen vor und Bußgelder von bis zu 5000€ bei Verhalten, das „verwirrend“ oder „verstörend“ wirken könnte.

Dabei ist unklar, ob die Regierung die friedlichen Gebete verbieten möchte. Rechtsexperte und Leiter der europäischen Rechtsabteilung bei ADF International, Dr. Felix Böllmann, ist sich sicher: „Friedliches Gebet kann nicht verboten werden. Die Überzeugung, dass jedes Leben schützenswert ist und Unterstützung verdient, ist nicht kriminell. Die Einführung von Zensurzonen schadet der Gesellschaft und nützt nur Abtreibungsorganisationen, die schon seit langem dafür lobbyieren. Die Grundrechte sind auf der Seite der friedlichen Beter. Unabhängig davon, was man über Abtreibung denkt, schadet die Zensur von Hilfsangebot und Überzeugung jedem.“

Doch was soll genau verboten werden? Sind Belästigungen, gar Hass und Hetze, wie die Bundesfamilienministerin unlängst behauptete, vor Abtreibungsorganisationen tatsächlich ein akutes, landesweites Problem? Auf Anfrage gab die Bundesregierung kürzlich zu: „Konkrete zahlenmäßige Erkenntnisse … liegen der Bundesregierung nicht vor.“

„Die Bundesregierung will etwas verbieten, weiß aber nicht was und warum.“

„Friedliche Gebetsversammlungen sollten vom Staat geschützt, nicht bekämpft werden. Die Bundesregierung will etwas verbieten, weiß aber nicht was und warum. Das ist gesetzgeberischer Blindflug! Dadurch entsteht ausschließlich Verwirrung, und zwar bei rechtstreuen Bürgern, die sich für eine gute Sache engagieren ebenso, wie bei Polizeibeamten und Ordnungsamtsmitarbeitern, die die vagen Verbotstatbestände dann vor Ort umsetzen müssten“, so Dr. Felix Böllmann.

Elisabeth Elliots dritte Ehe

Die Missionarin und Autorin Elisabeth Elliot (1926–2015) ist für viele Christen (auch) in Deutschland eine wertvolle Ratgeberin geworden. Sie hat zum Beispiel erzählt, wie lange sie auf ihre Ehe mit Jim wartete. Fünf Jahre dauert es, bis Jim Elliot den Eindruck hatte, Gott erlaube ihm, Elisabeth zu heiraten. Fünf quälend lange Jahre. Literarisch verarbeitet in dem Buch Eine harte Liebe (#ad).

Zusammen mit ihrem Mann Jim arbeitete Elisabeth später als Missionarin im östlichen Teil von Ecuador. Und auch dort hat Gott ihr und ihrem Mann sehr viel abverlangt. Im Januar 1956 wurden Jim und vier weitere Missionare von Huaorani-Indianern ermordet.

Elisabeth missionierte weiter und hat viele anrührende Bücher geschrieben. Ihre Leser spürten die Tiefe, lernten von ihrem Gottvertrauen – und ahnte etwas von dem Schmerz, der sie begleitete.

Was ich nicht wusste und möglicherweise auch viele ihrer Leser bisher nicht erfahren haben: Die dritte Ehe von Elisabeth verlief sehr unglücklich. In zwei neuen Biographien wird davon berichtet.

Liz Charlotte Grant, die sich inzwischen von ihrer evangelikalen Herkunft distanziert, hat in einem Artikel die Biographien vorgestellt und dabei auch ihre Ehe mit Lars Gren beschrieben. Ehemänner finden hier ihr Anti-Vorbild.

Einige Auszüge:

Die Biografin Ellen Vaughn beschreibt die Logik von Elliots dritter Ehe folgendermaßen: „Ich konnte … Elisabeths verständliche Einsamkeit, ihr tiefes Bedürfnis nach Bestätigung, ihren körperlichen Hunger, ihre Müdigkeit und ihren Wunsch, ‚beschützt‘ zu werden, sehen, die sie allmählich und heimtückisch, Schritt für Schritt, in eine schwierige dritte Ehe führten, die sie für den Rest ihres langen Lebens einschränkte und kontrollierte.“ Elliot „tauschte … Freiheit gegen Sicherheit. Sie wurde zu einem Menschen, dessen höchster Wert der Wunsch war, sich sicher zu fühlen.“ Leider hatte Gren keine Sicherheit zu bieten, und seine Anwesenheit verschlimmerte Elliots Schmerz nur noch.

Beide Biographen beschreiben eine dramatische Einschränkung von Elliots Freiheit, nachdem sie das dritte Mal geheiratet hatte. Gren bestimmte, wann sie eine Tasse Tee trank, ein Bad nahm und wann sie schlief. Er kontrollierte häufig den Kilometerzähler ihres Autos und vergewisserte sich, dass sie keine ungeplanten Stopps eingelegt hatte. Er kontrollierte das Thermostat im Haus. Er belauschte ihre Telefongespräche und hatte das letzte Wort darüber, ob sie ihre Freunde besuchte, wobei er Einladungen für sie oft in letzter Minute ablehnte. Wenn er wütend auf seine Frau war, weigerte er sich tagelang, mit ihr zu sprechen. Und am schmerzlichsten für Elliot war, dass Gren „ihr willkürlich den Zugang zu ihrer Tochter, ihrem Schwiegersohn und ihren Enkelkindern, die sie über alles liebte, verwehrte“, schreibt Vaughn.

Die Manipulationen verschlimmerten sich, als Elliots Ehemann die Leitung der „Elisabeth-Elliott-Industry“ übernahm, wie Austen es in einem Interview bezeichnete. Austen schreibt: „Er stellte sie auf dem Podium vor, justierte ihr Mikrofon, verwaltete den Büchertisch und sorgte dafür, dass sie aß. Er entschied, wann sie sich ausruhte, wann sie arbeitete und wann sie sich unterhielt … er tadelte sie für Fehler beim Sprechen … und kritisierte sogar ihre Körperhaltung.“ Gren hielt einen zermürbenden Redeplan für die introvertierte Elliot aufrecht, die oft Alpträume vom öffentlichen Reden hatte und sich in ihren späteren Jahren lieber aus dem öffentlichen Leben zurückgezogen hätte. Sie fügte sich jedoch den unerbittlichen Erwartungen von Gren, und so wuchs ihr Einfluss (zu ihrem Leidwesen) weiter.

Noch lange nach ihrer Alzheimer-Diagnose in den 1990er Jahren hielt Elliot wegen Gren eine Vielzahl von Vorträgen – selbst nachdem sie die Fähigkeit zu sprechen verloren hatte. Mindestens einmal ließ Gren sie lächelnd auf der Bühne sitzen, während er ein Band mit einer Rede abspielte, die sie Jahre zuvor aufgenommen hatte. Erst als ein Arzt das Ende ihrer Reise anordnete, wurde sie von den Zumutungen ihres Mannes erlöst.

Mehr: therevealer.org. Siehe auch den Artikel „Elisabeth Elliot und die tröstliche Souveränität Gottes“ von Miriam Münch.

VD: NP

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Bollwerke des Unglaubens

Immer mehr Menschen im Westen bezeichnen sich als Atheisten oder sind zumindest praktische Atheisten. Sie leben so, als ob es Gott nicht gäbe.

Christliche Apologeten reagieren auf diese traurige Wirklichkeit meist, indem sie rationale Argumente für Gottes Existenz entwickeln. Ich will nicht sagen, dass das unwichtig ist. Ich bin im Gegenteil der Meinung, dass die Klärung religionsphilosophischer Fragen vom Standpunkt des christlichen Glaubens aus notwendig ist. Und doch greift das allein zu kurz. Was viele Menschen in den praktischen oder theoretischen Atheismus treibt, ist die gefühlte Abwesenheit Gottes, wie der spätmoderne Mensch sie erlebt.

Joseph Minich hat genau darüber ein anspruchsvolles und doch hochspannendes Buch geschrieben. Er zeigt, dass die jüngsten technologischen und kulturellen Veränderungen im Westen dazu geführt haben, dass Gott „nicht mehr gebraucht wird“. In dem Maße, in dem die moderne Technokultur unsere Wahrnehmung der Realität und unseren Glauben an das Unsichtbare umgestaltet, verstärkt sie ihrerseits das scheinbare Schweigen Gottes.

Der beste Film, den ich 2023 gesehen habe, heißt „Stowaway – Blinder Passagier“ (2021, Regie: Joe Penna). Eine dreiköpfige Raumschiff-Crew reist zum Mars. Sie finden einen blinden Passagier an Bord. Sauerstoffmangel treibt die Astronauten in schwierigste ethische Dilemma.

Trotz kleiner Mängel im Drehbuch ein atmosphärisch und intellektuell begeisternder Film. Was mich vor allem berührt hat: Es geht um große Menschheitsfragen, etwa um Zeit, Schönheit, Wissenschaft, Schmerz, Familie und den Sinn des Lebens. Aber Gott kommt gar nicht mehr vor, noch nicht einmal als Denkmöglichkeit. Uns begegnet die Kultur, die Joseph Minich in Bulwarks of Unbelief: Atheism and Divine Absence in a Secular Age (dt.  Bollwerke des Unglaubens: Atheismus und göttliche Abwesenheit in einem säkularen Zeitalter) beschreibt. Doch am Ende drängen sich Gedanken wie Nächstenliebe, Stellvertretung und Opfer auf. Es ist fast so, als wenn sich das Evangelium – von den Autoren wohl eher unbeabsichtigt – Mitten im „Schweigen Gottes“ Gehör verschafft.

Hier der offizielle Trailer:

Das Buch Bulwarks of Unbelief gibt es in einer Logos-Version und im Buchhandel (#ad).

Martin Hengel: Jesus als Vollender

Martin Hengel schreibt („Jesus und die Tora“, Theologische Beiträge, Jahrgang 9, 1978, S. 152–172):

Seine endzeitliche Funktion macht nach dem Urteil Jesu den Täufer zu dem Größten unter den vom Weibe Geborenen, „aber der Kleinste in der Gottesherrschaft ist größer als er“ (Mt. 11,11–Lk. 7,28). Ganz gleich wie dieses rätselhafte Wort Jesu zu deuten ist, ob auf Jesus selbst oder auf die, die an der Gotte herrschaft teilhaben, es zeigt ebenfalls das qualitativ Neue, Andersartige, das mit der Zeit der Erfüllung, dem Anbruch der Gottesherrschaft verbunden ist. Da kommt auch in dem Makarismus Jesu zum Ausdruck „Selig sind die Augen, die sehen, was ihr seht (und die Ohren, die hören, was ihr hört), denn ich sage euch, viele Propheten und Könige wollten sehen, was ihr seht, und sahen es nicht, und wollten hören, was ihr hört, und hörten es nicht“ (Lk. 10,23 f.). Das Sehen und Hören bezieht sich auf Jesu Taten und Worte, die selbst schon Teil der Erfüllung sind. Denn mit seinem Auftreten ist die Gottesherrschaft schon im Anbruch: „Wenn ich mit dem Finger Gottes die Dämonen austreibe, dann ist die Gottesherrschaft zu euch gekommen“ (Lk. 11,20). Sie „kommt nicht mit der Beobachtung (äußeren Vorzeichen)“, denn sie „ist mitten unter euch“ – in der Person Jesu, ihr begreift es nur nicht (Lk. 17, 20 f.). Die Kontrastgleichnisse zeigen gerade im Kontrast auch die Kontinuität zwischen dem äußerlich unscheinbaren Wirken Jesu und der Vollendung der Gottesherrschaft „in Kraft” (Mk. 9,1). Das bedeutet aber, daß es ein grundlegender Irrtum war, in Jesus eine nichtmessianische Gestalt zu vermuten, in ihm den bloßen „Rabbi und Propheten“ sehen zu wollen. Auch die von Conzelmann eingeführte Kategorie des „letzten Rufers“ (RGG3 3,633) reicht nicht aus, sie sollte eher auf den Täufer bezogen werden. Jesus tritt nicht mit dem Anspruch auf, letzter Rufer, sondern – messianischer – Vollender zu sein. 

Theologie für Kinder: „In jeder Hinsicht genial“

Ich zitiere Yvonne Schwengeler aus ihrer Besprechung des Buches Theologie für Kinder, ethos, 2/2024, S. 62):

„Des vielen Büchermachens ist kein Ende, und viel Studieren macht den Leibmüde“,sagte schon Salomo. Diese Bibelstelle wird oft scherzhaft zitiert angesichts der grossen Zahl an Büchern, die jährlich produziert werden. „Nichts Neuesunter der Sonne“, stellt man oftmals fest. Bei der Publikation „Theologie für Kinder“ ist das anders. Selbst über Jahrzehnte in dieser Branche tätig, habe ich nie etwas Vergleichbares gesehen. Bevor ich das Buch gelesen hatte, war ich eher skeptisch. Ich erwartete eine trockene, theoretische Abhandlung, von der ich mir nicht vorstellen konnte, dass Kinder dafür zu begeistern sind. Falsch, ganz falsch! Das Buch ist in jeder Hinsicht genial und ich hätte mir gewünscht, dieses Werk schon an der Hand zu haben, als unsere Kinder noch klein waren! Biblische, heilsgeschichtliche Wahrheiten werden hier lebendig und prägnant weitergegeben. Themen sind zum Beispiel die Lehre von Gott, vom Menschen, von der Sünde, von Verheissung und Gesetz, von Christus, vom Heiligen Geist, von der Adoption in die Familie Gottes, von der Verwandlung, von der Gemeinde, von der Endzeit, von Gottes Wort.

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Die Kirche nimmt Abschied vom Sonntag

Seit rund 2000 Jahren gilt Christen der erste Tag der Woche als der Gottesdienst-Tag. Das ändert sich nun. Die rheinischen Protestanten, zweitgrößte evangelische Landeskirche der Bundesrepublik, wagen die Abkehr – getrieben von einbrechenden Zahlen bei Gottesdienstbesuchern und Pfarrern. Andere Kirchen dürften dem Beispiel folgen.

DIE WELT schreibt: 

Die zweitgrößte evangelische Landeskirche Deutschlands treibt alternative Gottesdienstformate und Kirchenriten derzeit voran wie niemand sonst in der Republik. Und wagt den Bruch mit jahrtausendealter Tradition. Gottesdienst, Taufe, Abendmahl oder Trauung können fortan fast überall und jederzeit gefeiert werden. Das beschlossen die rheinischen Protestanten auf ihrer Landessynode vergangene Woche. Die Kirche als Ort und der Sonntag als Zeit für diese Feiern sind damit dem Belieben der einzelnen Gläubigen anheimgestellt. Nun liegt es bei den 2,2 Millionen Mitgliedern der EKiR, wo, wann und wie sie trauen, taufen oder Gottesdienste veranstalten. Bei der Gelegenheit lockerte die rheinische Kirche gleich auch die Voraussetzungen für die Teilnahme am Abendmahl und den Empfang der Taufe. Alles ist möglich.

Als Kritiker des Trends wird Ulrich Parzany zitiert. Ich schließe mich seinem Urteil an: 

Kritiker Parzany, selbst ordinierter Pfarrer der rheinischen Kirche, wittert hier erneut „Schönfärberei und Verschleierung der traurigen Tatsache, dass aus Mangel an Besuchern und Pfarrern nicht mehr an jedem Sonntag in jeder Kirche Gottesdienste stattfinden“. Natürlich sei Gottesdienst mehr als die Feier am Sonntagvormittag. Aber: „Die Versammlung am Sonntag oder früher am Sabbat war seit der Urchristenheit grundlegend für das Leben der Gläubigen. Erst die Versammlung der Gläubigen stärkt den Einzelnen so, dass er anschließend im Alltag mit Gott zu leben vermag.“

Mehr: www.welt.de.

Ein bedrohlicher Teufelskreis für Juden unter uns

Jüdische Eltern schicken ihre Kinder wieder auf jüdische Schulen und sorgen sich um ihre Sicherheit. Die Öffentlichkeit nimmt das einfach hin, als traurige Normalität. Heike Schmoll kommentiert die Entwicklung mit besorgten und zugleich klaren Worten: 

Jüdische Eltern haben vielerorts ihre Kinder von allgemeinen Schulen genommen und sie auf jüdische Institutionen geschickt, wo die Kinder gut bewacht hinter Mauern und Zäunen mit anderen jüdischen Kindern lernen. Nicht selten werden sie von den Eltern abgeholt, weil sie nicht mit öffentlichen Verkehrsmitteln fahren sollen.

Jüdische Symbole werden nicht mehr offen getragen, es werden keine jüdischen Lieder gesungen, wenn andere zuhören können, und schon gar nicht wird Hebräisch gesprochen. Wie lange will die Öffentlichkeit hinnehmen, dass Juden sich wieder verstecken und in ständiger Angst leben müssen? Der Teufelskreis der Sicherheit statt Sichtbarkeit muss jetzt durchbrochen werden, weil es um die Zukunft des Zusammenlebens geht.

Mehr (hinter einer Bezahlschranke): www.faz.net.

Michel Foucault

Michel Foucault gehört zu den einflussreichsten Denkern des 20. Jahrhunderts. Er hat es geschafft, seine Ideen in der breiten Gesellschaft zu etablieren und spielt heute zum Beispiel in der Pädagogik eine große Rolle. Ich habe im TheoBlog mehrfach Stellung bezogen und etwa darauf verwiesen, dass zumindest für den frühen Foucault zur Entzauberung des Subjekts die Abschaffung von Verboten gehörte: „Aufhebung der sexuellen Tabus, Einschränkungen und Aufteilungen; Praxis des gemeinschaftlichen Lebens; Aufhebung des Drogenverbots; Aufbrechung aller Verbote und Einschließungen, durch die sich die normative Individualität konstituiert und sichert. Ich denke da an alle Erfahrungen, die unsere Zivilisation verworfen hat oder nur in der Literatur zuläßt“ (Michel Foucault, Von der Subversion des Wissens, 1987, S. 95).

Es ist erfreulich, dass der christliche Denker Christopher Watkin ein Buch über Michel Foucault geschrieben hat. Daniel Vullriede stellt es vor und erwähnt Stärken wie Schwächen:

Ein überaus einflussreicher Denker des letzten Jahrhunderts war der französische Philosoph Michel Foucault (1926–1984). Wer sich z.B. ernsthaft mit dem Phänomen der Postmoderne auseinandersetzen möchte, wird um diesen intelligenten atheistischen Denker nicht herumkommen.

Auch wenn Foucault sich selbst nicht als postmodernen Denker sah und nicht die einzige Schlüsselperson für diese Epoche ist; auch wenn der Höhepunkt der Foucault-Renaissance längst überschritten ist – seine Thesen und Anfragen waren rückblickend ein Katalysator für den westlichen Kulturkreis. Sie lassen sich noch heute im Bereich der Philosophie, Soziologie, Pädagogik, Kunst, sowie in den Politik-, Geschichts-, Kultur-, Medien- und Sprachwissenschaften, und nicht zuletzt in den unterschiedlichsten Ansätzen der Gender Studies ablesen. Doch wofür stand der französische Philosoph und wie können sich Christen zu ihm positionieren?

Um Foucaults Werk und Person zu verstehen, bietet Christopher Watkin eine kompakte, gut lesbare und zugleich tiefgehende Einführung. Der britische Autor arbeitet als Professor für französische Literatur und Philosophie an der australischen Monash University (Melbourne). Er zeigt, wie man sich Foucault neugierig und kritisch nähern kann, entwickelt dabei aber einen ganz eigenen Ansatz, der den Lesern kernige Alternativen zu Foucault bietet.

Für wen ist dieses Buch interessant? Christen, die philosophisch, theologisch oder apologetisch interessiert sind, werden hier eine gelungene Analyse finden; ebenso Gläubige, die im Bereich der Sozial- und Verhaltenswissenschaften unterwegs sind. Auch Leser mit ganz anderen Überzeugungen und einer atheistischen Weltanschauung können viel von Watkins Studie lernen und ihn als angenehmen, fairen und herausfordernden Gesprächspartner wahrnehmen.

Mehr: www.evangelium21.net.

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J.G. Machen: Gesetzesgerechtigkeit in der anti-reformatorischen Exegese

Grasham Machen über die Gesetzesgerechtigkeit in der anti-reformatorischen Exegese (Christentum und Liberalismus, 213, S. 167–168):

Dem modernen Liberalismus nach bedeutet Glaube dasselbe wie „Jesus im eigenen Leben zum Herrn machen“. Durch diesen Akt des „Jesus zum Herrn machen“ soll das Wohlergehen der Menschen erwirkt werden. Doch das bedeutet schlichtweg, dass Erlösung durch unseren eigenen Gehorsam gegenüber Jesu Befehlen erreicht werden soll. Solch eine Lehre ist nur eine vergeistigte Form von Gesetzlichkeit. Nicht das Opfer Jesu, sondern unser eigener Gehorsam wird zum Grund der Hoffnung.

Auf diesem Weg werden alle Ergebnisse der Reformation zunichtegemacht, und man kehrt zurück zur Religion des Mittelalters. Zu Beginn des sechzehnten Jahrhunderts erweckte Gott einen Mann, der begann, den Brief an die Galater mit eigenen Augen zu lesen. Das Ergebnis war die Wiederentdeckung der Lehre von der Rechtfertigung allein durch Glauben. Auf dieser Entdeckung ruht unsere ganze evangelische Freiheit. Ausgelegt von Luther und Calvin wurde der Galaterbrief zur Magna Charta der christlichen Freiheit. Doch der moderne Liberalismus ist zu der alten Interpretation des Galaterbriefes zurückgekehrt, die von den Reformatoren so bekämpft wurde. Deswegen ist Professor Burtons raffinierter Kommentar [A Critical and Exegetical Commentary on the Epistle to the Galatians. International critical commentary on the Holy Scriptures of the Old and New Testaments, 1920) über diesen Brief, trotz aller modernen und wertvollen Gelehrsamkeit, in einem Punkt ein mittelalterliches Werk. Es ist zurückgekehrt zu einer anti-reformatorischen Exegese, nach der Paulus in seinen Briefen lediglich die nur bruchstückhaften Moralvorstellungen der Pharisäer anprangern soll. In Wirklichkeit ist das Ziel der Attacke des Paulus der Gedanke, dass ein Mensch sich seine Akzeptanz durch Gott auf irgendeine Weise verdienen könne. Paulus Hauptinteresse besteht nicht darin, gegen einen rein äußerlichen Kult für eine spirituelle Religion zu werben, sondern gegen menschliche Verdienste die freie Gnade Gottes zu betonen.

Die Gnade Gottes wird vom modernen Liberalismus abgelehnt. Das Resultat besteht in Sklaverei, der Versklavung unter das Gesetz, eine elende Gefangenschaft, in welcher der Mensch die unmögliche Aufgabe angeht, mithilfe seiner eigenen Gerechtigkeit vor Gott bestehen zu können. Auf den ersten Blick mag es seltsam erscheinen, dass ausgerechnet der Liberalismus, ein Begriff, der ja „Freiheit“ bedeutet, in Wahrheit zu elender Sklaverei führt. So merkwürdig ist dieses Phänomen aber gar nicht. Die Emanzipation vom heilsamen Willen Gottes bringt automatisch die Abhängigkeit von einem schlimmeren Zuchtmeister mit sich. Das ist der Grund, warum von der liberalen Kirche gesagt werden kann, dass sie „mit ihren Kindern in der Knechtschaft lebt“, wie es zu Paulus Zeiten von Jerusalem gesagt wurde (vgl. Galater 4,25). Gebe Gott, dass sie wieder umkehrt zur Freiheit des Evangeliums Christi.

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A. Schlatter: Selbsterkenntnis durch Introspektion?

Adolf Schlatter schreibt über die Selbsterkenntnis (Die christliche Ethik, 5. Aufl., 1986, S. 261–262):

Die Beziehung unseres Lebens auf Gott verschafft ihm eine Tiefe und einen Ernst, der unseren Blick mit der größten Aufmerksamkeit zu uns selber wendet. Wir haben aber zugleich den wirksamen Schutz empfangen, der es uns verbietet, uns nur mit den Bewegungen unseres eigenen Bewußtseins zu beschäftigen. Denn wir erkennen, daß es seinen Inhalt durch die Beziehungen bekommt, in die wir hineingesetzt sind. Wir verschaffen uns also die Selbsterkenntnis durch die Kenntnis der Natur, die uns das Leben gibt, und der Geschichte, die uns die Gedanken und Motive verschafft, und Jesu, der uns Gottes Gnade zeigt. Unser Vermögen, unser eigenes Erlebnis und Verhalten richtig aufzufassen und zu beurteilen, fließt uns mit der Kenntnis Gottes zu, die uns zeigt, wie er uns durch Natur und Geschichte, durch den Christus und den Geist regiert. Heben wir dagegen den Verkehr mit der Natur, den Menschen und den Boten Gottes auf, so bewirken wir durch die Vereinsamung die Entleerung des Ichs, seinen Tod. Darum gehört es zum christlichen Beruf, die phantastischen Beschreibungen des Menschen abzuwehren, die dann entstehen, wenn wir uns Selbsterkenntnis ohne die Hilfe der Natur, ohne die menschliche Gemeinschaft und ohne den Anschluß an das Werk der göttlichen Gnade verschaffen wollen. Die Hoffnung, daß wir durch die Ausschaltung der außer uns liegenden Gründe unseres Lebens dahin kämen, die Form des inwendigen Geschehens zu erklären, strebt nach Phantastischem.

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Emmanuel Todd: Niedergang des Westens

1976 sagte der französische Historiker und Anthropologe Emmanuel Todd den Zusammenbruch der Sowjetunion voraus. Jetzt spricht er davon, dass der Westen untergeht, weil es nichts mehr gibt (vor allem keine Religion), was ihn zusammenhält. Mich kann er nicht in allem überzeugen. Doch erkenne ich indem, was er in seinem Buch La Défaite de l’Occident und der WELT in einem Interview gesagt hat, einige Wahrheitsmomente. Wenn er das sinkende Bildungsniveau benennt und davon spricht, dass die Trans-Ideologie Ausdruck des Nihilismus ist, der sich im Westen ausgebreitet hat, dann stimme ich zu.

Hier zwei Zitate: 

In meinem Buch lasse ich die Luft aus dem Bruttoinlandsprodukt der USA und zeige die tief greifenden Ursachen für den industriellen Niedergang des Landes auf: die unzureichende Ausbildung von Ingenieuren und ganz allgemein ein seit 1965 sinkendes Bildungsniveau. Der zweite Faktor, der maßgeblich zum Untergang des Westens beigetragen hat, ist das Verschwinden des amerikanischen Protestantismus. Mein Buch ist im Grunde eine Fortsetzung von Max Webers Buch „Die protestantische Ethik und der Geist des Kapitalismus“.

Ich wurde von einer Großmutter aufgezogen, die mir erklärte, dass in sexueller Hinsicht alle Vorlieben auch in der Natur vorkommen, und ich bin meinen Vorfahren treu. Willkommen also, LGB. Was das T betrifft, also das Thema Trans, das ist doch etwas anderes. Die betroffenen Personen müssen natürlich geschützt werden. Doch die Fixierung der westlichen Mittelschicht auf dieses Thema, das doch nur eine winzige Minderheit betrifft, wirft eine soziologische und historische Frage auf. Am sozialen Horizont jedoch die Vorstellung zu konstituieren, dass ein Mann tatsächlich eine Frau und eine Frau ein Mann werden kann, das bedeutet, etwas biologisch Unmögliches zu behaupten, die Realität zu leugnen und etwas Falsches zu verbreiten. Die Trans-Ideologie ist meiner Ansicht nach eine der Fahnen des Nihilismus, die mittlerweile den Westen bestimmen, und ein Drang zur Zerstörung, nicht einfach nur der Dinge und Menschen, sondern auch der Realität.

Mehr (hinter einer Bezahlschranke): www.welt.de.

Lernende in Sachen Demut

In dem Artikel „Lernende in Sachen Demut“ erörtert Thomas Jeising Hochmut, Demut und falsche Demut. Er schreibt: 

Martin Luther zeigt im ganzen Zusammenhang, wie wichtig es ist, dass Christen jeder Obrigkeit untertan sind und sich auch einander unterordnen. Luther hält fest, dass Unterordnung in den weltlichen Sachen von allen Christen gefordert ist, dass man der Obrigkeit – welcher Art sie auch ist – aber widerstehen muss, wenn sie sich gegen den Glauben an Christus stellt und einen anderen Glauben fordert. Allerdings betrifft das nicht die Liebe zu den Menschen. Die Liebe ist immer demütig. Sie liebt sogar die Feinde des Evangeliums. Aber der Glaube, der darf sich nicht gegen Gottes Wahrheit und sein Evangelium unterordnen und sich vor falscher Lehre demütigen.

Offenbar ist das bei vielen Christen heute anders. Man ist bereit, sich und das eigene Gewissen vor allen möglichen falschen Lehren zu demütigen. Müsste man nicht zuerst vor Gott demütig sein, sich unter seine gewaltige Hand beugen (vgl. 1Petr 5,6), sowie sein Wort und seine Wahrheit anerkennen? Oft wird dann die Liebe zu den Menschen mit Demut vermischt oder verwechselt. Aus Liebe zu Menschen Kompromisse in Sachen des Glaubens zu machen, kann nicht richtig sein. Menschen zu lieben, selbst wenn man ihnen klar und scharf widersprechen muss, das ist biblisch. Es ist doch so: „Unglaub’ und Torheit brüsten sich frecher jetzt als je“. Das dichtete Philipp Spitta schon vor 200 Jahren. Aber es ist seitdem nicht besser geworden. Nur beugen sich jetzt vor dem Unglauben und der offensichtlichen Dummheit Christen, die es aus Gottes Wort besser wissen könnten. Paulus meint, dass selbst Gottes „Torheit“ noch klüger ist als die größte menschliche Weisheit (vgl. 1Kor 1,25).

Mehr: www.evangelium21.net.

A. Schlatter: Die Apathie als Problem

Adolf Schlatter hatte schon vor 110 Jahren erkannt, dass die Gefühlsarmut des deutschen Protestantismus problematisch ist (Die christliche Ethik, 5. Aufl., 1986, S. 323–324):

Dem, der in seiner Vereinsamung und Getrenntheit von Gott seinen Blick nur auf seinen eigenen Lebensstand richtet, erscheint die Aufgabe, das Gewoge seiner Empfindungen zu regieren, leicht als unausführbar. Dann sucht er in der Herstellung der Unempfindlichkeit das Mittel, das ihn gegen seine Empfindungen schützen soll. So entsteht die mehr oder weniger planmäßige, mehr oder weniger vollständige Abstumpfung der Lust und des Schmerzes, die verhüten soll, daß sie unser Denken stören und unsere Begehren erregen. Diese Methoden sind für die Christenheit nicht brauchbar, weil wir uns damit dem natürlichen Gesetz unseres inwendigen Lebens entziehen und weil uns die Gemeinschaft mit Gott die Freude, unser Widerstreben gegen Gott den Schmerz in neuer Stärke bringen und gerade dadurch unserem Leben die Richtung zu Gott hin geben. Auch die gemilderte Regel, daß wir die Empfindungen zwar nicht völlig verdrängen, jedoch schwächen, uns nur maßvoll freuen und nur mäßig leiden sollten, verlockt uns zur Unnatur. Sie wird uns nicht nur als „Bildung“ empfohlen, sondern auch von der evangelischen Ethik vertreten, sowie sie uns nur negative Ziele zeigt und nur das „Nichtsündigen“ gebietet. Dieses Ziel scheint leichter erreichbar zu sein, wenn wir nur kümmerlich fühlen. Das ergab den Schein, daß die jenseits der Kirche Lebenden neben denen, die die Kirche erzog, die Gesunden seien, weil nur jene stark empfänden, während aus der christlichen Erziehung nur ein leidenschaftsloses, gedämpftes Fühlen entstehe. Darum wandten sich seit dem „Sturm und Drang“ des 18. Jahrhunderts die, die sich weigerten, ihre Gefühle zu verdrängen, und eine starke Leidenschaft als eine Bereicherung des Lebens priesen, nicht nur gegen die Vernünftigkeit der Aufklärung, sondern auch gegen die Sittlichkeit der Kirche, die ihnen als eine künstliche Dressur der Gefühle erschien.

Wissenschaft als Abenteuer

Die Öffentlichkeitsarbeit der Hochschulen nähert sich dem Marketing an. Innovatoren und Experten sind gefragt, Intellektuelle stören nur – meint Markus Steinmayer in seinem Beitrag für die FAZ:

Ein Blick in den Pressespiegel einer beliebigen Universität zeigt allerdings das Gegenteil. Die Forschung an der Universität verspricht jederzeit, das Leben leichter und die Lage erträglicher zu machen. Wir haben, frivol formuliert, unsere „Erklärbären“ an den Instituten. So bietet die Leibniz-Gemeinschaft eine Art Speeddating für das interessierte Publikum an: „Bei ‚Book a Scientist‘ haben alle Neugierigen und Wissensdurstigen die Chance, sich 25 Minuten lang mit einer Expertin oder einem Experten der Leibniz-Gemeinschaft auszutauschen und alles zu fragen, was sie schon immer zu ihrem Lieblingsthema wissen wollten.“

Man kann in dieser Anpassung an die Marketingkommunikation eine Form des akademischen Kapitalismus sehen. Julika Griem schreibt: „Aber es kann nicht nur darum gehen, Personen, Drittmittelrekorde oder ganze Hochschulen zu verkaufen wie Schokoriegel oder Kleinwagen.“

Die Anpassung an ökonomische Formate bleibt nicht folgenlos. Es verschwindet der streitbare Intellektuelle aus der Universitätskommunikation. Er wird durch den Experten ersetzt. Der Experte fungiert als das personifizierte Spezialgebiet, als inkarnierte gesellschaftliche Herausforderung. Der Intellektuelle als Antagonist des Experten wie des Aktivisten stellt zwar möglicherweise die richtigen, aber eben auch schwierige oder heikle Fragen. Er wird als Störfaktor wirkungsorientierter Kommunikation inkriminiert. Wo es ihn wider Erwarten neben all den Experten für Stauforschung, Künstliche Intelligenz, Viren und Politikmanagement immer noch gibt, wird er als „regressiver Gegner des sozialen Wandels“ betrachtet. Für populäre Wissenschaftskommunikation im beschriebenen Sinne ist er nicht geeignet. Er ist ein Relikt, bisweilen noch anzutreffen, aber funktionslos geworden.

Mehr (hinter einer Bezahlschranke): www.faz.net.

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