Bettina Klix

Berliner Suchbilder

Ausgesuchte Geschenke für Familienangehörige und Freunde finden, ist selten ein leichtes Spiel. Falls jemand noch etwas für literarisch Anspruchsvolle sucht, sollte er sich den neuen Prosaband Berliner Suchbilder von Bettina Klix genauer anschauen. Mit ihrer unnachahmlichen Beobachtungsgabe und feinfühligen Sprache ist es der Schriftstellerin gelungen, Begebenheiten in der Großstadt auf liebevolle Weise mit eigenen Erfahrungen zu verknüpfen. Der Verlag schreibt: „Bettina Klix’ ‚Berliner Suchbilder‘ handeln von Unwiederbringlichem und von Überlebenstechniken in einer Nachwende-Stadt, in der es neue Entbehrungen gibt und weniger Möglichkeiten, etwas herbeizuträumen. Ihre kurzen Texte suchen nach dem, was sich meist erst auf den zweiten Blick zeigt, nach dem, was vergessen, verborgen oder überschrieben ist. Die Spurensuche geschieht in Geschäften, auf der Straße, in Kirchen, in Kinos, in Galerien, im Theater, im Jobcenter und in einigen privaten Räumen.“ Entstanden sind wirkliche Suchbilder, die sich oft erst nach mehrmaligen Lesen erschließen und dann nicht nur gefallen, sondern auch verblüffend nachdenklich stimmen. Oft ist es nur ein Satz, der Beschriebenes in ein völlig neues Licht rückt. So erging es mir beispielsweise bei der Schilderung des Tiergottesdienstes in einer Kirche von Berlin-Zehlendorf. Hat dabei auch jemand an die Tiere gedacht, für die das ganze „Event“ nur eine Quälerei war? Bestechend ist die Beschreibung eines Ehepaars in der U-Bahn: „‚Da unsere Wünsche immer verloren gehen …,‘“ sagt die ältere Frau in der U-Bahn gegenüber. Würde jetzt darüber philosophiert werden? Doch nach der vielversprechenden Einleitung wendet sich die Dame, in ihrer großen und teuren Tasche kramend, ihrem Mann zu und setzt fort: ‚… müssen wir die mal aufschreiben!‘ Er nickt brummig, nicht begeistert …“

Meine Lieblingsgeschichte dreht sich um ein wahrscheinlich magersüchtiges Mädchen, das engelsgleich durch den Biosupermarkt meditiert. Wie empfindsam und wohlwollend wird sie doch beschrieben. Zugleich: „Ich hatte sie nicht sofort an der Gestalt oder dem Gang erkannt, sondern an der Geste voller Zärtlichkeit für die kalorienarme Frucht.“

Ich habe die Suchbilder gern im Zug oder vor dem Einschlafen studiert. Es ist schon einige Wochen her. Manche Bilder sind bereits verblasst. Bald kann ich von vorn anfangen. Ich freue mich schon darauf. 

Es wird schon nicht so schlimm!

Die Schauspielerin Lilly Hollmann und ihr Kollege Gregor Maurer werden Anfang 1933 ein Paar. Und das, obschon Lilly sich eigentlich für einen anderen interessiert – Maurer weiß davon. Dennoch heiraten sie, wachsen in der Ehe zusammen und bekommen ein Kind. Doch die Zeiten sind schwer – die jüdische Schauspielerin darf schon bald nicht mehr auftreten, ihr Mann dagegen macht Karriere. Die Nazis drängen den äußerst beliebten Schauspieler zur Scheidung, der aber will Lilly und seinen Sohn nicht verlassen und der Verfolgung preisgeben.

Bettina Klix hat für den Freiburger Rundbrief eine wunderbare Rezension über die Erzählung „Es wird schon nicht so schlimm!: Oder Nichts geht vorüber!“ von Hans Schweikart geschrieben:

„Es wird schon nicht so schlimm!“ lautet der Titel, aber die Geschichte des Schauspielerpaares Lilly und Gregor Maurer nimmt die allerschlimmste, wenn auch nicht die von der Obrigkeit aufgezwungene, Wendung. Der Ehemann weigert sich, sich von seiner jüdischen Ehefrau scheiden zu lassen und sie damit der Deportation und Ermordung preiszugeben, und begeht stattdessen mit ihr und dem gemeinsamen Kind Selbstmord.

Schweikarts noch unveröffentlichte Erzählung war bis vor Kurzem verschollen. Der Herausgeber Carsten Ramm stellte erfolgreich Nachforschungen an und engagierte sich anschließend für die Veröffentlichung. Er war auf die Spur des Textes geraten durch den Vorspann des Films „Ehe im Schatten“ (1947), der darauf hinweist, dass der Film nach einer „Novelle von Hans Schweikart“ entstanden sei. So bildete die „Filmerzählung“ also nicht nur den „Filmvorschlag“ – so der heutige Untertitel –, sondern die Grundlage für eine Version des Stoffs, die vielen bekannt ist.

Zugrunde liegt ihr die Geschichte des Schauspielerpaars Meta und Joachim Gottschalk. „Der Regisseur Kurt Maetzig verarbeitet darin auch den Suizid seiner Mutter, die Jüdin war. Auch sie lebte in einer ‚Mischehe‘.“ So Rolf Aurich und Wolfgang Jacobsen in ihrem bewegenden Nachwort, das nicht weniger erschütternd ist als die Erzählung selbst; unter dem Titel „Alle Giftmittel standen hoch im Kurs“ beleuchtet es die Vorgeschichte des Textes und seiner Verfilmung und die biographischen Hintergründe.

Hier: www.freiburger-rundbrief.de.

 

Die Augenblicksammlerin

Michael Girke hat für die Literaturbeilage der Tageszeitung junge Welt (Ausgabe Nr. 233, 8. Oktober 2014) das neue Buch Gelegenheiten von Bettina Klix rezensiert. Hier einige Auszüge:

Nachtgaenge 3 coverVor einigen Monaten im Antiquariat meines Vertrauens stolperte mein Blick über einen ungewöhnlichen Titel. Der versprach etwas, ließ erwarten, dass in dem kleinen grünen Buch, welches er schmückte, ähnlich schöne Texte zu finden sein könnten, wie sie die passionierten Stadtwanderer Walter Benjamin und Franz Hessel einst zu Papier brachten. »Sehen Sprechen Gehen« hieß dieses Büchlein, das ich neugierig nach Hause trug – auch weil Bettina Klix, so der Name von dessen Autorin, mir als Filmkritikerin bekannt war. Ihr Buch stellte sich in der Tat als eine lose Sammlung von poetisierten Großstadtbegegnungen und -gesprächen heraus. Der Handlungsort wird nicht mit Klarnamen benannt, dürfte aber wohl jenes Berlin sein, in dem Bettina Klix geboren und das ihre Heimat ist. Walter Benjamin und Franz Hessel hatten die Straßen, Plätze und Fassaden dieser Stadt erkundet, Bettina Klix erkundet, was sich in und zwischen deren Menschen abspielt.

Nach »Sehen Sprechen Gehen« (immerhin schon 1993 erschienenen) keine Veröffentlichung mehr, Klix verschwand aus dem literarischen Leben. Über das Warum kann man nur spekulieren. Vielleicht hatte sie schlicht besseres zu tun, als zu schreiben; eine andere Möglichkeit wäre Misserfolg; noch eine die Schlangengrube Literaturbetrieb. Ganz aufgehört aber hat sie erfreulicherweise nicht. »Gelegenheiten« heißt Bettina Klix‘ neuer Band, und er enthält Erzählungen wie etwa jene über die Ungeschicklichkeit. Der Ungeschickte, heißt es darin, weigere sich auf seine Weise, Dinge so zu benutzen, wie es vorgeschrieben ist. »Das durch ihn erzeugte Unheil, mit dem die Dinge die Untauglichkeit des Ungeschickten darstellen, erlaubt es ihnen, sich endlich einmal zu zeigen.« Das trifft. Und zwar den Umstand, dass unser Alltagsblick dazu neigt, Vertrautes nicht mehr richtig wahrzunehmen. Dass aber ausgerechnet unsere Ungeschicklichkeit, die wir zumeist belächeln oder anders abtun, übersehenen Dingen wieder zu Beachtung verhelfen kann – dieser Gedanke dürfte den Wenigsten je gekommen sein. Woran man wieder merken kann, dass es gut ist, sich ab und an andere Augen einzupflanzen, sprich: zu guter Literatur zu greifen.

Begegnungen scheinen für Bettina Klix ganz besondere Bedeutung zu haben. In einer der Geschichten berichtet die Erzählerin von einem Gefühl der Unvollständigkeit, dass sie seit langem immer wieder heimsucht und an ihr nagt. Irgendwann sitzt ihr in der U-Bahn eine Frau gegenüber, welche eine Hand verloren hat und dies so gut es eben geht zu verbergen sucht. Aber nun gibt es ein Problem: Wie soll die Frau das Buch, in dem sie liest und dass sie in der verbliebenen Hand hält, unbemerkt umblättern? Die Begegnung reißt etwas auf, löst einen Erkenntnisschauder aus. Die Erzählerin weiß nun: Was sie sich zuvor über sich selbst eingeflüstert hatte (oder hat einflüstern lassen) und was wirklich existentielles Gewicht hat – das klafft beschämend weit auseinander.

Lauter solche flüchtigen »kleinen« Alltagsmomente hält Bettina Klix fest und verdichtet sie zu Handlungen und Epiphanien; mit viel Empfindungsvermögen und mittels einer von allem Effekthascherischen wohltuend freien Prosa.

Wirklich. Bettina Klix ist eine begnadete Beobachterin, eine Augenblicksammlerin eben. Reinschauen.

Charlie Chaplin und die Nationalsozialisten

The_Great_Dictator_(screenshot).jpg„Der große Diktator“ gehört zu den Filmen, die ich mehrmals mit Begeisterung gesehen habe. Ich hoffe, die Satire auf Adolf Hitler, die am 15. Oktober 1940 uraufgeführt wurde, noch einige Male genießen zu können.

2011 ist ein opulentes Werk über Charlie Chaplin und die Nationalsozialisten erschienen. Bettina Klix hat das Buch:

welches die Entstehung des Films eingehend beleuchtet, rezensiert:

„Ich konnte Hitler nicht ernst nehmen. Jede Postkarte zeigte eine andere Pose…Die Gebärde des Grußes, bei der er die Hand über die Schulter zurückwarf, wobei die Handfläche nach oben gerichtet war, erweckte in mir den Wunsch, ein Tablett mit schmutzigen Tellern daraufzustellen. ‚Das ist ein Verrückter!’ dachte ich. Doch als Einstein und Thomas Mann gezwungen wurden, Deutschland zu verlassen, war dieses Gesicht Hitlers nicht mehr komisch, sondern unheimlich.“ Was Charlie Chaplin hier beschreibt, ist eine Art die Gebärde zu studieren, die mit Hilfe grotesker Assoziationen der Wahrheit auf die Spur kommt. Und gleichzeitig schon Ideen für eine Figur sammelt, die sich aus dem Ausgangsmaterial herstellen lässt: Den Diktator Hynkel in der genialen Anti-Hitler-Satire „The Great Dictator“ (1940).

201302141139.jpgChaplin schrieb in seiner Autobiographie, dass er , trotz aller Schwierigkeiten im Vorfeld und der noch zu erwartenden Zensurprobleme – die USA befanden sich noch nicht im Krieg – fest entschlossen war, den Film zu machen, „denn über Hitler sollte gelacht werden.“ Aber: „Hätte ich etwas von den Schrecken der Konzentrationslager gewusst, ich hätte mich über den mörderischen Unsinn der Nazis nicht lustig machen können. “

Für dieses Projekt konnte Chaplin sich die Ähnlichkeit seiner Filmfigur des Tramps Charlie mit Hitler zunutze machen. Äußerer Anhaltspunkt war der zur Verwechslung einladende Schnurrbart, bei Chaplin falsch, bei Hitler echt. Auch zahllose Karikaturen in den Blättern der Auslandspresse – die im Buch zu sehen sind – nahmen die Barttracht zum Anlass für komische Vertauschungen und Verkehrungen.

Chaplin hatte Hitler anhand von Wochenschau-Aufnahmen und Fotos genau studiert. Sein Sohn Charlie Chaplin Junior erzählt: „Dad studierte jede Pose des Diktators, machte sich alle Eigenheiten seines Benehmens zu eigen und war von dem Gesamteindruck gefesselt. ‚Der Kerl ist ein großer Schauspieler’, pflegte er voller Bewunderung zu sagen. ‚Wirklich, er ist der größte Schauspieler von uns allen.’“ „Dieses intensive Studium machte sich für Dad bezahlt.“, erzählt sein Sohn weiter. „Seine Darstellung Hitlers war eine perfekte Imitation, so perfekt, dass Deutsche die den Film sahen, genau hinhören mussten, um sich zu vergewissern, dass es sich nicht um den typischen Tonfall Hitlers handelte, sondern um Dads Kauderwelsch.“

Mehr: www.solon-line.de.

Verlorene Söhne, Töchter, Väter: Interview mit Bettina Klix

41rXaKwKopL._SL160_.jpgKann ich gar nichts behalten? Was ist von mir noch übrig? So könnten viele Figuren in Paul Schraders Filmen fragen. Das tun sie nicht. Sie fragen stattdessen »Was bin ich wert?« oder sagen: »Einige meiner Illusionen wurden zerstört« wenn ihr bisheriges Leben in Trümmern liegt. Paul Schrader zwingt seinen Figuren existenzielle Entscheidungen in Form drastischer Bedrohungen auf. Er setzt sie gefangen, um zu zeigen, dass sie vorher nicht frei waren oder schickt sie auf die Suche nach sich selbst.

Die Schriftstellerin Bettina Klix beschreibt in ihrem neuen Buch Verlorene Söhne, Töchter, Väter, wie Schrader seine Figuren preisgibt – und rettet. Theoblog hat mir ihr gesprochen:

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Verlorene Söhne, Töchter, Väter: Interview mit Bettina Klix

Theoblog: In Schriftstellerkreisen ist Dein Name bekannt. Allerdings werden Dich nur wenige Theoblog-Besucher kennen. Kannst Du etwas über Dich erzählen?

Bettina Klix: Mein Debüt als junge Autorin war bei Suhrkamp. Der Kurzprosa-Band Tiefenrausch fand nur wenige geneigte Leser. Dem Nachfolger Sehen Sprechen Gehen erging es leider genauso. Eine wichtige Person, die mich in all den Jahren des Misserfolgs nicht aufgeben ließ, ist »mein« Übersetzer Eric Miller. In diesem Jahr soll in Kanada ein Auswahlband mit der frühen Prosa erscheinen.

Theoblog: In Deinem neuesten Buch »Verlorene Söhne, Töchter, Väter« beschreibst Du sieben Filme von Paul Schrader. Was ist es, was Dich an seinen Filmen besonders berührt?

Bettina Klix: Es war ein unerwarteter Auftrag von der Berliner Kinemathek, ein Buch über Schrader zu schreiben. Meine wunderbaren Herausgeber ließen mir völlig freie Hand. Da habe ich mich auf die Filme mit religiösen Themen beschränkt und solche, in denen auf mehr verschlüsselte Weise der Glaubenshintergrund Eingang gefunden hat, wie in »Light Sleeper« das Thema der Gnade. Als ich Interviews mit Schrader sah, musste ich feststellen, dass er gerade das, was ich für gelungen halte, nicht immer selbst dafür hält. Ich denke, das hat mit seiner jugendlichen Abkehr von seiner familiären calvinistischen Glaubensprägung zu tun. Obwohl er selbst oft sagt, dass er immer noch davon bestimmt sei, gab er als Beispiel nur das Bewusstsein für ethische Konsequenzen an. Mich berührt also auch das, was sich in seine Filme eingeschlichen hat oder was seinen Intentionen entgegenläuft.

Theoblog: Rüdiger Suchsland hat in seiner FAZ Buchbesprechung die »phänomenologische dichte Beschreibung« der Filme hervorgehoben. Ich habe das beim Lesen auch so empfunden. Du bleibst sehr nah am Film und schilderst als atemberaubend detaillierte Beobachterin. Du musst Dir die Filme wieder und wieder angesehen haben. Wie hast Du gearbeitet?

Bettina Klix: Ja, ich habe mit den Filmen gelebt. Weil das von vorn herein klar war, dass es nur so funktionieren könnte, habe ich mich deswegen im Vorfeld gegen einige seiner Filme entschieden, die ich zwar für großartig halte, mit denen ich aber nicht so eng hätte »zusammenleben« wollen. Wie zum Beispiel »Auto Focus«, der Film über zwei Sexsüchtige. Außerdem wird einer der beiden von Willem Dafoe dargestellt und seit ich ihn in »Last Temptation of Christ« von Scorsese sah (für den Schrader das Drehbuch schrieb), wo er Jesus spielt, möchte ich dieses Bild nicht so gern »hergeben«. Je öfter man einen Film sieht, umso weniger kann er sich »verbergen«, trotz der eigenen Ermüdung, die sich unweigerlich einstellt. Die Religionssatire »Touch« hielt ich beim ersten Sehen für sehr seltsam. Außerdem habe ich keine einzige Äußerung von Schrader dazu gefunden. Doch als ich dann anhand der anderen Filme und seiner Selbstauskünfte begriff, dass er seine Arbeit manchmal selbst nicht schätzt, stieg ich ein und fand, dass hier gerade – in der komischen Maskierung – ein Film über die Möglichkeit des Wunders entstanden ist.

Theoblog: In dem Film »Hardcore« (dt. Ein Vater sieht rot) wird geschildert, wie der strenggläubige Calvinist Jake Van Dorn sich sehr für die gesunde Lehre engagiert und währenddessen unvermittelt seine sowieso etwas scheue Tochter verliert. Als er sie mit Hilfe eines Privatdetektivs wieder findet, ist sie Pornodarstellerin. Ich habe den Film bisher nicht gesehen. Aber deine Besprechung hat mir die Tränen in die Augen getrieben.

Bettina Klix: Der Film mutet uns ja mit seinen krassen Gegensätzen sehr viel zu, aber der erste Teil, in dem Schrader sich bemühte, einen gewissen Druck der strengen Umgebung aufzubauen, war für mich bei meinem wiederholten Sehen immer der Abschnitt, den ich am liebsten gesehen habe. Das ist alles – gegen den Willen des Regisseurs – so liebevoll in den Einzelheiten, dass sich eine Flucht der Tochter daraus nicht zwangsläufig ergibt – wie manche es ja interpretieren.

Theoblog: Tief betroffen gemacht hat mich Deine Schilderung des Filmschlusses. Jake trifft endlich auf seine Tochter, die sich, voller Scham, nicht vorstellen kann, wieder in das alte Leben zurückzukehren. Der Vater erkennt, dass er nie gelernt hat, ihr seine Liebe zu zeigen. Ein Happyend?

Bettina Klix: Ja, fast. »Hardcore« ist ein Film, an dem Schrader selbst das Gute nicht sieht. Ja, im Gegenteil hält er es für einen Fehler, dass der Film so endet. Er wollte, dass die Tochter stirbt, bevor der Vater sie findet. Noch vor kurzem hat er sich bei einer Veranstaltung auf drastische Weise negativ über das Ende geäußert. Es tat mir geradezu weh, wie das Publikum über seine Selbstbezichtigung lachte. Im Buch habe ich noch einmal darauf hingewiesen, dass es schwierig genug sein wird, für Vater und Tochter ihr Leben wieder aufzunehmen. Dass er der Filmtochter die Chance nehmen wollte, hat aber viel mit Schraders Abkehr von seinem eigenen Vater zu tun. Dass der Film letztlich gegen diesen gerichtet war, hat selbst Schrader eingestanden. Aus diesem Grund auch gefällt ihm der Film nicht mehr und das wiederum kann ich sehr gut verstehen. Denn er setzt diese Stellvertreterfigur ja den größten Qualen aus. (Siehe Titelbild meines Buches.) Schrader selbst wollte eben nicht zurückkehren – in seine Familie und den Glauben.

Theoblog: In Schraders Filmen geht es um Identität, um das sich verlieren, suchen und finden. Menschen finden gelegentlich etwas, was sie gar nicht gesucht haben. Hast Du bei der Beschäftigung mit Schrader und seinen Filmen auch unerwartet etwas entdeckt?

Bettina Klix: Als ich mich mit Schraders religiösem Hintergrund beschäftigte, gehörte das zur Arbeit. Doch je mehr ich mich auf diese Spuren begab, mir etwa die Netz-Andachten des Calvin College, Grand Rapids, ansah, das Schrader früher besucht hatte, zuerst nur neugierig, dann regelmäßig, veränderte ich mich. Das Nachforschen wurde zu einer Befragung meines eigenen christlichen Glaubens. Man könnte sagen, dass ich mich in diesem Prozess selbst »evangelisiert« habe.

Theoblog: Vielen Dank für das Gespräch!

Das Buch kann hier bestellt werden:

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