Famile

EKD diskutiert Familie

Bei einem öffentlichen Symposium gehen Theologen auf Distanz zum umstrittenen Familienpapier: Die Form Ehe dürfe nicht abgewertet werden. Insgesamt aber zeigt auch diese Auseinandersetzung, dass es innerhalb der EKD jeder schwer hat, der der Schrift normative Autorität zuspricht.

Matthias Kamann hat für die WELT die Dispute beobachtet und weist darauf hin, dass auch Härle und Druck geraten ist.

Der Mainzer Neutestamentler Friedrich Wilhelm Horn schließlich bemängelte, dass das Verhältnis von Form und Inhalt nicht klar werde. Wenn das Familienpapier nicht die Form Ehe, sondern den Inhalt fürsorglicher Gerechtigkeit in allen möglichen Beziehungen betone, werde der formale Akt des Heiratens faktisch negativ bewertet.

„Die institutionelle Form der Ehe“, so Horn, „empfängt eine nicht weiter begründete Abwertung, da sie anderen Lebensformen gleichgestellt wird.“

Doch hielten sich die Theologen nicht lange mit der Kritik des Papiers auf, sondern stiegen in eine anspruchsvolle Debatte darüber ein, was genau sich heute der Bibel an Vorgaben für die Wertschätzung der lebenslangen Ehe entnehmen lasse. In die Defensive geriet Härle mit seinem Anspruch, durch den Bezug auf Jesus klare Leitlinien gewinnen zu wollen. Zumal Gerber und Horn zeigten, wie widersprüchlich, zeitgebunden und daher interpretationsoffen die biblischen Texte sind.

Mehr: www.welt.de.

Feministischer Zeitgeist in der EKD

In einem Leserbrief schreibt W.N. zum EKD-Familienpapier (FAZ vom 07.08.2013, Nr. 181, S. 30):

„Die EKD droht im Strudel des Relativismus zu versinken. Sie ist führungslos. Mit Nikolaus Schneider steht ein Zeitgeist-Theologe an der Spitze, der den Überblick verloren hat … Ich habe jetzt nach 58 Jahren die evangelische Kirche verlassen. Eine solche Kirche ist nicht mehr meine Kirche. Und wenn sie diesen Weg fortsetzt, wird sie nicht mehr lange Kirche sein.“

Der Systematiker Horst Georg Pöhlmann hat sich ebenfalls zu Wort gemeldet. IdeaOnline meldet:

„Pöhlmann zufolge ist die Ehe – entgegen der Darstellung in der Orientierungshilfe des Rates der EKD – eine „göttliche Stiftung“. Das werde mehrfach in der Bibel bezeugt. Pöhlmann gegenüber der Evangelischen Nachrichtenagentur idea: „Jesus sagt ausdrücklich von der Ehe, Gott hat die beiden Ehepartner zusammengefügt“ (Matthäus 19,6).“

Protestantische Desorientierung

Der Ratsvorsitzende der EKD hat sich nochmals festgelegt: Es wird keine Änderung am Orientierungspapier der EKD geben. Die Kritik aus den eigenen Reihen wird ignoriert. Es scheint so, als seien die Nebelkerzen in der Evangelischen Kirche in die Serienproduktion gegangen. Zu lesen ist in dem FAZ-Interview:

Ich halte das „Neudenken“ von Familie nicht für einen Bruch. Denn das Neue besteht darin, dass Familie nicht mehr allein auf die traditionelle Ehe beschränkt wird. Aber das ist kein Abschied von der Hochschätzung der Ehe.

Immer wieder argumentieren übrigens die Verteidiger des EKD-Papieres mit einem Schluss vom Sein auf das Sollen: Weil die gesellschaftliche Wirklichkeit so oder so aussieht, sollen wir so oder so handeln. Das ist keine protestantische, sondern dilettantische Ethik.

Der DLF hat in einem Beitrag den verschiedenen Parteien im Streit um die EKD-Orientierungshilfe Raum gegeben. Scharfe (und völlig berechtigte!) Kritik übt der emeritierte Bonner Ethiker Prof. Ulrich Eibach.

Prof. Slenczka: Stellungnahme zur EKD-Orientierungshilfe

Professor Dr. Reinhard Slenczka hat eine theologische Stellungnahme zur EKD-Orientierungshilfe „Zwischen Autonomie und Angewiesenheit“ verfasst. In einer Zusammenstellung der gröbsten Fehler heißt es:

Zum Schluss eine Zusammenstellung der gröbsten theologischen Grundfehler: Hier geht es nicht um eine Vielfalt von Theologenmeinungen, sondern um Grundlagen christlichen Glaubens und christlicher Lehre, die allgemeinverbindlich sind und dem „magnus consensus“ der katholischen (also nicht nur römischen) Kirche entsprechen:

  1. Der Dreieinige Gott ist nicht eine zeitbedingte Vorstellung von Göttlichem. Er spricht in seinem Wort der Heiligen Schrift, er rettet, aber er richtet und straft auch. Von Gott und seinem Reden und Handeln ist in dem Text an keiner Stelle die Rede.
  2. Heilige Schrift (S. 13) als Offenbarung des Dreieinigen Gottes enthält das wirkende Zeugnis des Wortes Gottes, durch das er handelt in Gericht und Gnade, in Verstehen und Verstockung (z.B. Jes 6, 10; Mat 13, 14 f; Mark 4, 11; Apg 28, 26). Das ist nicht eine „Vielfalt biblischer Bilder“ in „historischer Bedingtheit“. Vor allem aber ist es nicht die Aufgabe des Rates der EKD, die Schrift autoritativ auszulegen. Der Rat bzw. die Kirche stehen nicht über der Schrift, sondern deren Entscheidungen stehen unter der Schrift und sind an ihr zu messen.
  3. Rechtfertigung (S.. 61, 65, 71) ist nicht ein Verzicht auf Werke und Leistung unter Aufhebung der Gebote und Verbote Gottes (Antinomismus), sondern die Rettung des Sünders, der seine Sünde, die am Maßstab der Gebote erkannt wird, bekennt, aus dem Gericht Gottes durch den Glauben an Jesus Christus, der für uns Sünder am Kreuz gestorben und für unsere Rettung von den Toten auferstanden ist. Von Umkehr und Vergebung ist an keiner Stelle die Rede.
  4. Schöpfungsordnung (58, 59, 67 u. a.) ist ein wichtiger Sachverhalt, der darauf hinweist, dass der Dreieinige Gott diese Welt, den ganzen weiten Kosmos geschaffen und vom Größten bis zum Kleinsten geordnet hat. Diese Ordnung Gottes durchzieht die belebte und unbelebte Natur ebenso wie das Leben und Zusammenleben der Menschen. Wer das leugnet, aufhebt oder verändert, trägt die Verantwortung für die Straffolgen aus dem Gericht Gottes für Zeit und Ewigkeit (Ez 3, 16-21; 33, 7-9; Mat 7, 15-23).

Hier die gesamte Stellungnahme: aufklaerungzureheekd2013.pdf.

Ehe und Familie als Gaben Gottes entdecken

Hans-Jörg Voigt, Bischof der Selbständigen Evangelisch-Lutherischen Kirche (SELK), hat auf dem Hintergrund der aktuellen Debatte um die Orientierungshilfe des Rates der Evangelischen Kirche in Deutschland zum Thema „Familie“ ein Hirtenwort veröffentlicht. Voigt schrieb das Hirtenwort, „um bei all diesen Verunsicherungen besonders junge Menschen zu ermutigen, sich auf eine Eheschließung und auf die Gründung einer Familie mit Kindern einzulassen“.

Das Schreiben: „Ehe und Familie als Gaben Gottes entdecken“ kann hier abgerufen werden: Hirtenwort_Ehe-Familie.pdf.

Kein Kinderklima

Der familienpolitische Streit dreht sich vor allem um Modelle des Zusammenlebens. Weniger um die Frage, was für Geburt und Aufwachsen von Kindern nötig ist. Ein mutiger Kommentar von Reinhard Müller:

Natürlich ist es gut, wenn insbesondere Mütter sich möglichst wenig Sorgen um ihre Zukunft machen müssen, falls sie sich für ein Kind entscheiden. Diese Sorgen hat übrigens das „modernisierte“ Unterhaltsrecht nicht gerade verkleinert. Kaum Sorgen haben nur diejenigen, für die Kinder einfach zum Leben dazugehören. Es ist bezeichnend, wenn auch nicht wirklich überraschend, dass in einem Land mit viel Wohlstand, aber wenig Werten der Nachwuchs zum Statussymbol oder Rechenposten verkommt. Dabei ist auch die Geburtenrate kein Wert an sich. Der Staat kann und muss Anreize setzen, ein kinderfreundliches Klima schaffen – von der Ausbildung bis zur Arbeitswelt. Das muss nicht zwangsläufig teuer, es muss aber sozial sein. Warum soll eine gute Kinderbetreuung gänzlich kostenlos sein, gar für alle?

Kein Thema für die Familienpolitik ist weiterhin, wie der Staat sich zum werdenden Leben verhält. Dabei geht es auch hier um Vereinbarkeit, nämlich um die der Ansprüche des Staates mit seinem Handeln. Wer jedes Jahr hunderttausend Abtreibungen faktisch fördert, der sollte über fehlende Geburten nicht jammern.

Hier: www.faz.net.

Die Kollateralschäden der sexuellen Revolution

Revolutionen ohne Exzesse gibt es nicht, mahnt Jakob Augstein die Spießer von heute. In der Position des vermeintlichen Aufklärers wirbt er um Verständnis für die Libertinagen der sexuellen Revolution. Beim Lesen seiner seltsamen Verteidigungsschrift für Daniel Cohn-Benditdachte ich an den Begriff „Kollateralschaden“. Es hat vielleicht ein paar Kinder erwischt. Sei’s drum! Bisher hat sich keiner beschwert. Ohne den Einsatz damals könnten wir heute die Früchte der sexuellen Befreiung nicht ernten.

Es geht nicht um den Einzelfall und es gibt einen Unterschied zwischen den schrecklichen Missbrauchsfällen in der Kirche und der Lage der Linken in den 70er und 80er Jahren. In der Kirche gab und gibt es viel zu viele Leute, die sich nicht an das halten, was in ihr gilt. (Theologisch gesprochen: Alle Menschenkinder sind Sünder.) In Teilen der linken Szene war der Einsatz für die Entkriminalisierung der Pädosexualität Programm (siehe dazu hier oder auch den willkommenen Aufarbeitungsartikel der TAZ). Gelten sollte, was entlastet: Sex mit Kindern sei „für beide Teile angenehm, produktiv, entwicklungsfördernd, kurz: positiv“ (DIE WELT vom 20. März 1985, S.4, hier zitiert). Berufen konnten sich die Kämpfer für die Freiheit der Kinder auf große Linksintellektuelle wie Jean-Paul Sartre, Michel Foucault, Simone de Beauvoir, Gilles Deleuze oder Herbert Marcuse. Nicht nur die Sexualmoral, sondern auch die Familie galt als repressives System, das aufzusprengen sei. Matthias Kamann verweist in seinem Beitrag „Zeitgeist förderte bei Grünen gefährliche Tendenzen“ auf diese Doppelmoral:
Auf dem Höhepunkt des Missbrauchsskandals in der katholischen Kirche versuchte im Februar 2010 der damalige Augsburger Bischof Walter Mixa die Verbreitung von Pädophilie bei Priestern zu erklären. Mixa sagte: „Die sogenannte sexuelle Revolution, in deren Verlauf von besonders progressiven Moralkritikern auch die Legalisierung von sexuellen Kontakten zwischen Erwachsenen und Minderjährigen gefordert wurde, ist daran sicher nicht unschuldig.“
Heftig widersprach ihm damals Grünen-Chefin Claudia Roth: „Es ist nicht nur haarsträubend, sondern auch eine beispiellose Verhöhnung der Opfer sexuellen Missbrauchs, wenn an diesem Skandal innerhalb der katholischen Kirche nun andere schuld sein sollen.“ Die anderen Bischöfe, so Roth in der „Augsburger Allgemeinen“, müssten sich „in aller Schärfe von diesen Entlastungsversuchen ihres Bischofs zu distanzieren“.
Falls Roth dies ernst gemeint hat, stehen die Grünen heute vor einem Problem.
Warum eigentlich erst heute? Nun, die Kultur des Zeitgeistes erstickte den Protest. Große Denker und die Masse hatten sich verrannt, schufen ein Klima, in dem die Namen für das Böse nicht mehr genannt werden durften. Wer nicht einverstanden war, galt als Spießer.
Was werden wir wohl in 40 Jahren über die Umbrüchen sagen, deren Zeuge wir heute sind?

Masha Gessen: Ehe abschaffen

Die russische Journalistin Masha Gessen bloggt für die New York Times und ist populäre Putin-Kritikerin. Als Lesbin setzt sie sich seit vielen Jahren kraftvoll für die Rechte der LGBT-Gemeinschaft ein. Kürzlich sprach sie auf dem Sydney Writers Festival über die gleichgeschlechtliche Ehe und bezeichnete den Einsatz für diese als [taktische] Lüge. Warum? Es werde vorgetäuscht, die LGBT-Gemeinschaft suche nur den rechtlichen Zugang zur Institution Ehe. Das allerdings sei nicht der Fall. Tatsächliches Ziel sei – so  Gessen unter unter tösendem Beifall –, die  Neudefinition und letztendliche Abschaffung der Ehe.

Ich bin dankbar für ihre aufrichtige Argumentation. Hier ein Mitschnitt:

Geburtenrate: Das Ende des Machbarkeitsglaubens

Mit großem Aufwand werden seit 2009 die Hilfen für Familien auf ihre Wirkung überprüft. Es stellt sich Ernüchterung ein. Es geht eben nicht nur um Geld. Uta Rasche kommentiert:

„Eine rein ökonomische Betrachtung von familienbezogenen Leistungen greift zu kurz“, sagte Schröder gegenüber der F.A.Z. In der Tat gibt es immer mehr Anzeichen dafür, dass kulturelle und religiöse Werte, Erfahrungen aus der Herkunftsfamilie und die Qualität der Paarbeziehung wichtiger sind für die Realisierung von Kinderwünschen als monetäre Leistungen. Ein gewisser Machbarkeitsglaube, der in die Familienpolitik Einzug gehalten hatte, scheint an seine Grenzen gekommen zu sein.

Nun, für diese Einsicht hätte wohl das Studium der Geschichte ausreichen können. 

Mehr: www.faz.net.

Wenn Kinder Steuereinnahmen untergraben

Das ifo-Institut warnt vor einer Erhöhung des Kindergelds. Denn das könnte die Vereinbarkeit von Familie und Beruf stören. Es haben gefälligst beide Eltern zu arbeiten. Sind mit dieser Logik Kinder noch vereinbar?, fragt Jasper von Altenbockum: 

Die Formel „Vereinbarkeit von Familie und Beruf“ verhüllt, was gemeint ist: die Anpassung der Familie an die Bedürfnisse des Erwerbslebens. Jeder Familienpolitiker wird das bestreiten. Doch wenn Arbeitgeber, Gewerkschaften und ihr jeweiliger parteipolitischer Dunstkreis ein- und dasselbe wollen, darf man unterstellen, dass es ihnen um vieles, aber nicht um Familien geht. Sie wollen den Doppelverdienerhaushalt, möglichst ohne Teilzeit. Das bremst Lohnzuwachs, schafft Fachkräfte und bringt mehr Steuereinnahmen.

Eine Studie des Ifo-Instituts hat jetzt festgestellt, dass auch eine Erhöhung des Kindergelds gegen die „Vereinbarkeit“ verstoße, weil es ein Anreiz dafür sei, dass einer der beiden Eltern (vulgo: die Mutter) zuhause bleibe. Sie empfehlen, das Geld stattdessen in die „Infrastruktur“ zu stecken, womit Betreuungsplätze gemeint sind.

Hier: www.faz.net.

VD: JS

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