Huldrych Zwingli

Zwingli: Zur Frage der Erwählung von Kindern

41e5hg53XoL SX330 BO1 204 203 200Die Frage, was mit früh verstorbenen Kindern geschieht, beschäftigt nicht nur Eltern, die Kinder verloren haben, sondern alle Christen, die um die Erlösungsbedürftigkeit der Menschen wissen. Pierrick Hildebrand hat in seinem Aufsatz „Die Einheit von Bund und Erwählung bei Huldreich Zwingli“ die Position des Schweizer Reformators zusammengefaßt. Ich gebe den entsprechenden Abschnitt hier unkommentiert wieder (aus: Ariane Albisser u. Peter Opitz (Hg.), Die Züricher Reformation in Europa: Beiträge der Tagung des Instituts für Schweizerische Reformationsgeschichte 6.-8. Februar 2019 in Zürich, Zürcher Beiträge zur Reformationsgeschichte, Bd. 29, Zürich: TVZ, S. 141–153, hier S. 151):

An beiden Schriften, Fidei ratio und De providentia Dei also, lässt sich … die Rolle des Glaubens in diesem erwählungs- bzw. bundestheologischen Zusammenhang klären. Fidei ratio ist eine Bekenntnisschrift, die in Hinsicht auf den Augsburger Reichstag verfasst worden ist. Dort artikuliert Zwingli erneut seine Erbsündenlehre in ähnlichen Bahnen wie in De peccato. Er fügt aber hinzu, man müsse zurückhaltend sein, Kinder von Heiden als de facto verdammt anzusehen. Warum? Da «Glaube Folge der Erwählung» ist, und nicht umgekehrt. Analog zum Bundeszeichen, das im ordo salutis auf die Erwählung folgt, so auch hier der bekennende Glaube. Daraus, dass Kinder vor dem Erreichen des Vernunftsalters den christlichen Glauben (fides quae) nicht verstehen noch bekennen können – darin ist sich Zwingli übrigens mit den Täufern einig –, lässt sich nicht ableiten, dass sie nicht erwählt wären. In Bezug auf Kinder von gläubigen Eltern hingegen ist sich Zwingli sicher, dass sie nicht verdammt sind, das heisst erwählt sind und dem Bund Gottes zugehören. Aufgrund der bundestheologischen Kontinuität gilt nämlich: «Zur Kirche der Juden gehörten aber deren Kinder genauso wie die Juden selbst. Ebenso gut wie einst die [Kinder] der Juden gehören daher unsere Kinder zu Kirche Christi», obwohl sie als Kind (noch) nicht glauben. In De providentia hat Zwingli mit dieser Auffassung nun explizit die Sakramentenlehre nicht so sehr der Täufer, sondern diejenige von Luther angegriffen. In dieser Abhandlung kommt der Bund ins Bild, als Zwingli nach der allgemeinen Vorsehungslehre nun die providentia specialis bzw. die Erwählung anspricht. Er definiert sie als «[…] die freie Bestimmung des göttlichen Willens derjenigen, die selig werden sollen.» In einem Exkurs über den Glauben spricht er dann die Frage nach der Kindertaufe an. Zwingli wendet sich den «Sakramentariern» zu. Mit diesem abwertenden Spitznamen wurden Zwinglianer von seinen lutherischen Gegnern bezeichnet. Zwingli dreht nun den Spiess um und wendet ein, dass die wahren Sakramentarier diejenigen sind, die das Zeichen mit dem Bezeichneten verschmelzen.

500 Jahre Zwingli

In der Schweiz wird 500 Jahre Reformation gefeiert. Die Kirche könne vom Reformator Ulrich Zwingli lernen, dass die Gottesfrage zentral sei, sagt die sehr gelehrte Berliner Kirchenhistorikerin Dorothea Wendebourg in einem interessanten Gespräch mit dem DLF. 

Hier: 

 

Die falschen Hirten

201210240914.jpgDer Reformator Huldrych Zwingli (1484–1531) hat bereits in den Anfangsjahren der Züricher Reformation erkannt, dass eine nachhaltige geistliche Erneuerung der Kirche aufs engste mit den Pfarrhäusern verbunden ist. Das geistliche Amt – immer anfällig für Missbrauch – war einerseits in der mittelalterlichen katholischen Kirche tief abgesunken. Zahlreiche Kleriker verwalteten ihr Amt gänzlich ohne Verkündigungsdienst. Andererseits förderte die reformatorische Betonung des allgemeinen Priestertums beim täuferischen Flügel eine chaotische und oft bildungsfeindliche „Narrenfreiheit“.

Zwingli strebte eine am Ganzen des Wortes Gottes geschulte Wiederherstellung des Pfarramtes an. Entscheidend für ihn war die Verkündigung des Evangeliums als Exegese der entsprechenden Bibelstellen zur Kirche. Zur Festigung des Hirtendienstes gehörte für ihn aber auch, dass die Hirten Vorbilder sind. Dieses Hirtenverständnis führt täglich ans Kreuz.

Über die falschen Hirten, also über die Wölfe, schrieb Zwingli 1524 in seinem Der Hirt:

I. Alle, so nit leerend, sind nüts denn wolf, ob sy schon Hirten, bischof oder küng genennt werdind. Sich hieby, wie vil sind der leerenden Bischöfen? II. Welche denn schon leerend, und nit das wort gottes, sunder tröum leerend, sind aber wolf. III. Welche das wort gottes leerend , doch nit zü der eer gottes , sunder uf sich und ir houpt, den papst, zü schirm irs erdichten hohen stanbs ziehend, sind schädlich wolf tummend in den lleideren der schafen. IV. Welcheelche schon leerend, und leerend ouch mit dem wort gottes, und aber die grossen verärgrer, die höupter, nit anrürend, sunder tyranny wachsen lassend , sind schmeichlend wolf oder Verräter des volks. V. Welche nit mit den werken übend, das sy mit dem wort leerend, sind nüts under dem christenen volk, brechend vil mee mit den werken, denn sy mit wort buwind. VI. Welche der armen nit achtend, sy verdrucken lassend und beschweren, sind falsch Hirten. VII. Welche namen der Hirten tragend, und aber weltlich herrschend, sind die bösten wärwolfen. VIII. Welche rychtag zemmen legend, sack, seckel, spycher und teller füllend, sind ware wärwolf. Und endlich, welche anders mit der leer weder erkanntnuß, liebe und kindliche furcht gottes under den menschen fürnemend ze pflanzen, die sind falsche Hirten. Und nun bald mit jnen von den schafen, oder aber sy fressends gar. IX. Daby ouch lychtlich verstanden wirt, daß alle die falsche Hirten sind, die an die creaturen von dem schöpfer fürend.

Professor Hans Scholl hat einen hervorragenden Aufsatz über das Pfarramt und Pfarrerbild bei Huldrich Zwingli geschrieben „Nit fürchten ist der Harnisch: Pfarramt und Pfarrerbild bei Huldrych Zwingli“ in: Zwingliana XIX,1, Zürich 1992, S. 361–392). Zum 9. Merkmal des falschen Hirten heißt es dort (S. 380):

Zwinglis Liste zum falschen Hirten schließt mit „9. Daby ouch lychtlich verstanden wirt, das alle die valsche Hirten sind, die an die creaturen von [weg von] dem Schöpfer füerend. Zwingli kann mit dieser Formel „vom Schöpfer weg auf das Geschöpf lenken alles zusammenfassen, was er am spätmittelalterlichen Amtsverständnis kritisiert und ablehnt: die Vernachlässigung der Wortverkündigung zugunsten der Kirchengesetze, die Verkehrung des kirchlichen Dienstauftrages in Herrschaftsstrukturen usw. Überall geschieht das gleiche: An die Stelle des creator wird die creatura gesetzt. Die Ehre, die dem Schöpfer zukommt, wenn der Mensch richtig leben und atmen soll, wird auf das Geschöpf umgebogen. Aus dieser Verkehrung kommt der ganze Zerfall.

Der vollständige Aufsatz kann hier heruntergeladen werden: www.zwingliana.ch.

Scholls Buch Verantwortlich und frei mit Studien zu Zwingli und Calvin gibt es hier:

Zwingli und Bucer

Martin_Bucer.pngZur Zeit denken reformierte Christen zu Recht gern und viel an Johannes Calvin (1509–1564), da er 2009 seinen 500. Geburtstag feiert. Neben Martin Luther (1483–1546) gehören aber auch Huldrych Zwingli (1484–1531) und Martin Bucer (1491–1551) zu den großen Persönlichkeiten der Reformation. Gerhard Gronauer vergleicht auf 68 Seiten das Leben der beiden letztgenannten Reformatoren in einer übersichtlichen Zeittafel:

  • Gerhard Gronauer, »Zeittafel von Zwingli und Bucer«, MBS Texte 86, Reihe: Reformiertes Forum, 2007

Die Ausarbeitung kann hier frei herunter geladen werden: mbstext086.pdf.

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