Neuheidentum

Der Verlust des biblischen Weltbildes

Peter Jones schreibt in seinem hochinteressanten Buch Das andere Weltbild (CV, 2024, S. 160–162: 

John Oswalt, ein Spezialist für antike Religionen, stellt fest: 

„Sobald ein Mensch oder eine Kultur die Vorstellung annimmt, dass diese Welt alles ist, was es gibt – wie es für den heidnischen Mythos typisch ist -, treten bestimmte Folgen ein – unabhängig von der Primitivität oder der Modernität des Menschen oder der Kultur. Dazu gehören die Abwertung der einzelnen Person, der Verlust des Interesses an der Geschichte, die Faszination für Magie und Okkultismus und die Leugnung der individuellen Verantwortung. Das Gegenteil hiervon, zu dem auch das gehört, was wir für den Ruhm der modernen westlichen Kultur gehalten haben, sind Begleiterscheinungen der biblischen Weltanschauung. So wie diese Weltanschauung bei uns zunehmend verloren geht, verlieren wir auch die Begleiterscheinungen. Weil wir nicht erkennen, dass es sich um Begleiterscheinungen handelt, sind wir überrascht, sie verschwinden zu sehen, ohne eine wirkliche Erklärung dafür zu haben.“

Da unsere Kultur die biblische Weltanschauung verloren hat, verfügt sie nicht mehr über die mentalen Mechanismen, um sich gegen die abwegigen Äußerungen von Radikalen zu wehren, die entschlossen bis an die Grenzen gehen. Wie der Apostel Paulus sagte: „Obwohl sie Gottes Rechtsforderung erkennen, dass die, die so etwas tun, des Todes würdig sind, üben sie es nicht allein aus, sondern haben auch Wohlgefallen an denen, die es tun“ (Röm 1,32).

Wenn das Licht der Welt systematisch ausgelöscht wird, wird die Welt in moralische und geistige Finsternis gehüllt. Und wie viele Christen werden auf diese Täuschung hereinfallen? Wir haben zweifellos einen Wendepunkt erreicht. Wie Judas 7 deutlich zeigt, ist Sodom ein Beispiel für eine Stadt, die wegen ihrer Gottlosigkeit und sexuellen Perversion von Gott verurteilt wurde. Ein weiteres Beispiel ist das alte Volk Israel, das selbst als Volk Gottes trotzig behauptete: „Wir haben einen Bund mit dem Tod geschlossen und mit dem Scheol einen Vertrag gemacht. Wenn die einherflutende Geißel hindurchfährt, wird sie uns nicht erreichen, denn wir haben Lüge zu unserer Zuflucht gemacht und in Trug uns geborgen“ (Jes 28,15). In der Anfangszeit der christlichen Gemeinde sprach Paulus davon, dass „das Geheimnis der Gesetzlosigkeit wirksam“ ist (2Thes 2,7), prophezeite dann aber, dass sich die Dinge noch verschlimmern würden, wenn der „Gesetzlose offenbart werden“ (2,8) wird, der „mit Satans Hilfe“ (2,9; NeÜ) und „mit seinen Verführungskünsten“ an denen wirkt, die „es abgelehnt haben, die Wahrheit zu lieben, die sie gerettet hätte“ (2,10; NeÜ). Auf geheimnisvolle Weise ist auch Gott daran beteiligt, denn er „liefert … sie der Macht der Täuschung aus, dass sie der Lüge glauben“ (2,11; NeÜ). Der kulturelle Zusammenbruch ist unvermeidlich, wenn die Menschen Gott und seine geoffenbarte Weisheit entschieden ablehnen.

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Was die Rückkehr des Heidentums mit der Kindstötung zu tun hat

T.S. Eliot hatte 1939 in einer Reihe von Vorlesungen an der Universität von Cambridge eine berühmt gewordene Weggabelung beschrieben. Die westliche Zivilisation könnte den christlichen Weg weitergehen, sagte er voraus, oder sie könnte das „moderne Heidentum“ annehmen. Eliot, der zum Christentum konvertiert war, hoffte auf das Erstere, befürchtete aber, dass wir uns bereits auf das Letztere eingestellt haben.

Die britische Journalistin Louise Perry beschreibt in einem Artikel für FirstThings, dass die Wiederkehr der Kindstötung, die – wie wir wissen – durch das Christentum verdrängt wurde und nun etwa in Kanada wieder erlaubt werden soll, singnalisieren könnte, dass das Heidentum mit aller Wucht zurückkehrt ist. Das läge auch daran, dass das Christentum in mancher Hinsicht immer heidnisch geblieben sei.

Sie schreibt: 

Eliots Dualismus ist die Grundlage eines 2018 erschienenen Buches des Rechtshistorikers Steven Smith mit dem Titel Pagans and Christians in the City. Man könnte vernünftigerweise fragen, warum unsere Wahlmöglichkeiten auf diese beiden Optionen beschränkt sein sollten, nämlich Heiden oder Christen zu sein. Wenn wir das Christentum vollständig aufgeben, so sagen die säkularen Reformer, sollte das dann nicht den Weg für eine neuere und bessere Leitphilosophie frei machen?

Während Kanada [im Blick auf die gewünschte Sterbehilfe] immer mehr auf die schiefe Bahn gerät, wird in der kanadischen Regierung bereits in aller Ruhe über die Legalisierung der Kindstötung diskutiert. Im Oktober erklärte Louis Roy vom Quebecer Ärztekollegium vor dem „Gemeinsamen Sonderausschuss für ärztliche Sterbehilfe“, dass Eltern die Möglichkeit haben sollten, den Tod von Säuglingen bis zu einem Jahr zu arrangieren, wenn „sehr schwere und schwerwiegende Syndrome“ festgestellt werden. Wenn die Kindstötung wieder legalisiert wird – zuerst in Kanada und dann unweigerlich in der ganzen entchristlichten Welt – werden wir mit Sicherheit wissen, dass sich das Christentum in die Katakomben zurückgezogen hat. Und das Datum wird, so vermute ich, als eine klare historische Linie angesehen werden: der Moment, in dem wir an T.S. Eliots Weggabelung angekommen sind und den älteren, dunkleren Weg gewählt haben.

Das Christentum wird oft als Wasser vorgestellt. „Aber das Recht fließe wie Wasser und die Gerechtigkeit wie ein immerwährender Strom“: die Worte aus Amos 5,24, die von Martin Luther King Jr. neu interpretiert wurden. „Wer an mich glaubt“, verspricht Christus, „aus seinem Herzen werden Ströme lebendigen Wassers fließen.“ Wasser tauft, spendet Leben, löscht den Durst, reinigt den Schmutz, vertreibt die Flammen, verwandelt die Dinge zum Besseren. Wenn das Christentum Wasser ist, dann ist es eine unaufhaltsame Kraft: Es fließt nach unten und sickert nach oben, egal wie groß das Hindernis ist.

Was aber, wenn das Christentum kein Wasser ist? Was wäre, wenn wir stattdessen das christliche Zeitalter als eine Lichtung in einem Wald verstehen? Der Wald ist das Heidentum: dunkel, wild, kraftvoll und bedrohlich, aber auf seine Weise auch magisch. Zweitausend Jahre lang haben die Christen den Wald zurückgedrängt, mit Brennen und Hacken, aber auch mit Beschneiden und Kultivieren, um auf der Lichtung einen Garten mit Blick zum Himmel zu schaffen.

Aber sehen Sie, wie sich die Wurzeln ausbreiten und neue Triebe aus dem Boden sprießen. Das Stückchen Himmel weicht zurück. „Das Heidentum musste nicht neu erfunden werden“, schreibt Steven Smith: Es ist nie verschwunden. „In gewissem Sinne ist die westliche Welt wohl immer mehr heidnisch als christlich geblieben. In mancher Hinsicht war das Christentum eher eine Verkleidung als eine substantielle Realität.“

Da es niemanden mehr gibt, der den Garten pflegt, erobert sich der Wald seinen Boden zurück.

Mehr: www.firstthings.com.

Die Rückkehr des Heidentums

Ross Douthat meint, dass das postchristliche Nordamerika zum Neuheidentum zurückkehrt. Er schreibt in der NEW YORK TIMES:

Was ist das für eine Vorstellung? Einfach gesagt: Die Göttlichkeit ist grundsätzlich innerhalb der Welt und nicht außerhalb, dass Gott oder die Götter oder das Sein letztendlich Teil der Natur und nicht Schöpfer außerhalb von ihr sind, und dass Bedeutung und Moral und metaphysische Erfahrung in einer volleren Gemeinschaft mit der immanenten Welt und nicht in einem Sprung zum Transzendenten zu suchen sind. Dieses Heidentum ist nicht materialistisch oder atheistisch; es erlaubt den Glauben an spirituelle und übernatürliche Wirklichkeiten. Es akzeptiert sogar die Möglichkeit eines Jenseits. Aber es ist bewusst agnostisch in Bezug auf das Endgültige, das, was jenseits der Ufer dieser Welt wartet, und es ist skeptisch gegenüber der Vorstellung, dass es einen asketischen, weltabweisenden moralischen Standard gibt, nach dem wir streben sollten. Stattdessen sieht es den Zweck von Religion und Spiritualität im Therapeutischen, als Mittel zur Suche nach Harmonie mit der Natur und dem Glück im Alltag …

Mehr: www.nytimes.com.

VD: WH

Briten erheben Druidentum zur Religion

Sie himmeln die Sonne an und beschwören Geister, die aus Flüssen aufsteigen: die Druiden. In Großbritannien dürfen sie ihr Neuheidentum nun offiziell als Religion leben – Steuervorteilen eingeschlossen.

Das Druidentum spreche Menschen an, die sich von monotheistischen Religionen abwendeten, aber trotzdem Sehnsucht nach einem spirituellen Aspekt in ihrem Leben hätten, erklärt Adrian Rooke, Druide und Rechtsberater. Die alte Tradition »erhebt die Seele«. Angesichts der zunehmenden Knappheit von Ressourcen werde es immer wichtiger, dass die Menschen eine Beziehung mit der Natur gestalten könnten.

Bei Druidenzeremonien kommen Rituale wie Tänze und Gesänge zum Einsatz. Manche Druiden beschwören Geister, die aus Bergen und Flüssen aufsteigen. In Großbritannien gibt es etwa 10.000 praktizierende Druiden – Tendenz steigend, wie die Mitglieder erklären.

Das Druidentum gilt als eine der ältesten spirituellen Aktivitäten der Menschheit. In vorchristlicher Zeit sollen Druiden bei den Kelten als religiöse Führer, Richter und Weise gewirkt haben – vor allem auf dem Gebiet der heutigen Länder Irland, Großbritannien und einem Teil Frankreichs, dem früheren Gallien.

Hier der Beitrag: www.spiegel.de.

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