Peter Eisenberg

Gendergerechte Sprache: Duden knickt ein

Der Streit über den Umbau des Deut­schen zur geschlech­ter- oder gender­ge­rech­ten Spra­che nimmt Fahrt auf. Inzwischen gab der Duden-Verlag bekannt, die Online-Version seines Wörterbuchs in Zukunft gendersensibel zu gestalten. „Die Redaktion habe“ – so ist beim DLF zu lesen – „seit einiger Zeit immer Zuschriften gekriegt, in der eine Gleichstellung der Geschlechter im Online-Duden gefordert wurde“. Der Vorstand der Deut­schen Gesell­schaft für Sprach­wis­sensch­schaft (DGfS), des größ­ten und mit Abstand mäch­tigs­ten Berufs­ver­ban­des der Diszi­plin, hat einen Blog gestar­tet, in dem die Mitglie­der sich zum Antrag auf Ände­rung der Satzung im Sinne einer „geschlech­ter­in­klu­si­ven Schrei­bung“ – das ist eine konse­quen­te Schrei­bung mit Gender­stern – äußern sollen. Also wird auch dort die Umstellung auf eine gendergerechte Sprache erwogen. Außerdem wird eine von etwa zwei­hun­dert Sprach­wis­sen­schaft­lern unter­zeich­ne­te Erklä­rung lanciert, die Kriti­kern des Gen­derns pole­mi­sche Unwis­sen­schaft­lich­keit vorwirft. Der Text wurde – so schreibt Peter Eisenberg in der FAZ  – in der Ausgabe 1/2021 der Zeit­schrift Forschung und Lehre abge­druckt.

Eisenberg, der bis zu seiner Emeritierung als Profes­sor für Deut­sche Spra­che der Gegen­wart an der Univer­si­tät Potsdam gelehrt hat, sieht diese Entwicklung kritisch. Er schreibt: 

Wozu dient der Stern also? Eine expli­zit poli­ti­sche Einlas­sung auf einer Dele­gier­ten­kon­fe­renz der Grünen 2015 in Berlin laute­te: „Um sicher­zu­stel­len, dass alle Menschen glei­cher­ma­ßen genannt und dadurch mitge­dacht werden, wird in unse­ren Beschlüs­sen ab jetzt der Gender-Star benutzt. Trans­se­xu­el­le, trans­gen­der und inter­se­xu­el­le Perso­nen werden so nicht mehr unsicht­bar gemacht und diskri­mi­niert.“ Hier wird keine inten­dier­te Bedeu­tung oder sprach­li­che Funk­ti­on genannt, sondern eine Einstel­lung des Benut­zers. Dieser stellt etwas sicher und folgt damit der Vorga­be, die mit dem Stern verbun­den ist. Das ist, zurück­hal­tend formu­liert, eine Geste der Aner­ken­nung für ein bestimm­tes Verständ­nis von sprach­li­cher Sicht­bar­ma­chung. Weni­ger zurück­hal­tend formu­liert, handelt es sich um das Einfor­dern einer Unter­wer­fungs­ges­te. Der Gender­stern ist ein sprach­li­cher Gess­ler­hut, mit dem signa­li­siert wird, dass sein Träger einer von den Propo­nen­ten vertre­te­nen Geschlech­te­r­ideo­lo­gie folgt. Eine ausge­führ­te Gram­ma­tik des Sterns liegt nicht vor. 

Wer die Argumente im Einzelnen kennenlernen möchte, muss sich die Ausgabe Nr. 6 der FAZ (08.01.2021, S. 12) besorgen. 

Eine kleine Sex-Grammatik

Wann begreifen die Leute endlich, dass das grammatische Geschlecht mit dem biologischen Geschlecht nichts zu tun hat? Der Linguist Peter Eisenberg hatte schon im Februar in der FAZ eine Verstehenshilfe veröffentlicht und kommt zu dem Fazit (geschützter Bereich):

Das Ganze gipfelt in der Behauptung: „Aus dem Sprachsystem des Deutschen ergibt sich kein sachlicher Grund für die Verwendung des sogenannten ‚generischen Maskulinums‘. Letzteres stellt eine bestimmte Art des Sprachgebrauchs dar, die verändert werden kann.“ Manipulation des Sprachgebrauchs, Manipulation der Sprachnorm und Ridikülisierung der Grammatik: der Preis, der für eine Anbiederung an den Zeitgeist gezahlt wird, ist hoch. Für Wissenschaftlerinnen viel zu hoch.

Der Sprachwissenschaftler Helmut Glück meinte gestern, ebenfalls in der FAZ (geschützter Bereich): Wer behauptet, in generischen Maskulina seien „die Frauen nicht mitgemeint“, verkennt eine elementare Funktion von Sprache.

Die Forderung, alle personenbezeichnenden Maskulina zu gendern, verkennt die Tatsache, dass Maskulina in Bezug auf Sexus grundsätzlich unmarkiert sind. Genus ist ein grammatischer Mechanismus, über den niemand nach Gusto verfügen kann. Die Behauptung eines amtierenden Professors für Linguistik, das Gendern sei eine Frage der Moral und des Anstands, ist eine sozialpädagogische Anmaßung und hat keine grammatische Grundlage … Das grassierende Gendern sexualisiert die Sprache, es missbraucht die Sprache. Denn die Sprache ist weder Männchen noch Weibchen. Zum „kleinen Unterschied“ trägt sie nur so viel bei, dass man über ihn sprechen und schreiben kann. Zum Schutz von Menschenrechten taugt das Gendern nicht. Es gibt Felder, auf denen es wirklich nötig ist, für die Rechte der Frauen einzutreten.

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