Psychatrie

Psycho-Revolution

Die Diagnose „Persönlichkeitsstörung“ hat es in sich. Nicht ein besonderer Bereich, sondern die ganze Person gilt dann nämlich als krank und letztlich mehr oder weniger unheilbar. Kritiker meinen: Das sind Schubladen, in die Patienten nicht hineingehören. Das überarbeitete Diagnosehandbuch der Weltgesundheitsorganisation will Persönlichkeitsstörungen in Zukunft deshalb differenziert erfassen. Das ICD-11 hat zum 1. Januar 2022 die bisherigen spezifischen Persönlichkeitsstörungen ganz aus dem Katalog gestrichen. Kein Narzissmus mehr, keine paranoide oder dissoziale Persönlichkeitsstörung. Es gibt nur noch die allgemeine Diagnose: „Persönlichkeitsstörung“.

Martin Hubert hat für den DLF das Thema geschickt aufbereitet. Ich hätte mir gewünscht, dass die Kritiker dieses Einschnitts mehr Raum bekommen hätten, kann aber gut damit leben, dass zumindest Schwächen der „Dimensionale Diagnose“ (so heißt das jetzt) erwähnt werden.

Ich empfehle Seelsorgern, Pastoren und natürlich Psychologen und Therapeuten diesen Beitrag aber nicht, weil ich ein Gegner oder Befürworter der „Dimensionale Diagnose“ bin. Vielmehr macht der Beitrag sichtbar, wie kompliziert das mit psychiatrischen Diagnosen ist und das diese Diagnosen immer auch abhängig sind von der Kultur, in der die Kriterien entwickelt werden (vgl. dazu auch den Beitrag Zweifelhafte Therapeutisierung).

Also hier:

Die Kartierung der Schizophrenie

Es könnte ein Durchbruch in der Erforschung von Schizophrenie sein. In der bisher größten Studie der biologischen Psychiatrie wurden 108 Orte im Genom entdeckt, die mit der Entwicklung von Schizophrenie assoziiert sind. Die FAZ berichtet heute in ihrem Teil „Natur und Wissenschaft“ (Nr. 168, Mittwoch, 23. Juli 2014, S. N1) ausführlich über die Studie.

Wenn es die Neuroleptika noch nicht geben würde, dann könnte diese Gruppe von Psychopharmaka jetzt entwickelt werden – auf diese Formel bringen die Autoren einer in dieser Woche in der Zeitschrift „Nature“ erscheinenden Studie ihre Ergebnisse (doi:10.1038/nature13595). Forschungsgruppen aus vierzig Instituten weltweit – darunter mehreren deutschen – haben die bislang größte Untersuchung zur Genetik der Schizophrenie vorgelegt. Die Arbeit identifiziert 108 Genorte, die mit Schizophrenie assoziiert sind; 83 davon werden zum ersten Mal in einer wissenschaftlichen Arbeit genannt.

Stephan Rippe, einer der Autoren der Studie, wird mit folgenden Worten zitiert:

Wir wussten bisher einige wenige Dinge über die Biologie der Schizophrenie, weil bekannt war, wie die durch Zufall gefundenen Medikamente wirken, die bereits mehr als fünfzig Jahre alt sind. Unsere große Hoffnung ist jetzt, dass man durch den Umweg der Genetik auch die Forschung und Entwicklung im Hinblick auf Medikamente wieder anstoßen kann.

Von einer Vorhersage der Erkrankungswahrscheinlichkeit anhand des genetischen Befundes sei man jedoch noch weit entfernt.

Mehr Informationen in der genannte FAZ-Ausgabe oder bei Nature.

Europa leidet an einer dissoziativen Identitätsstörung

„Wir wissen nicht, wer wir sind. Unsere Identität ist in Teile zerfallen, und wir haben keine Ahnung von unserer Geschichte“, meint Sophie Dannenberg. Kurz: „Ganz Europa leidet offensichtlich an einer dissoziativen Identitätsstörung.“

Hier das Interview mit Sophie Dannenberg über ihr neues Buch Teufelsberg: www.welt.de.

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