Sexualethik

Culture Shift

Paul Bruderer beschreibt für „Daniel Option“, wie auf ihn innerhalb der evangelikalen Szene Druck in Sachen Sexualethik ausgeübt wurde: 

Ab 2014 traten die Forderungen immer häufiger und lauter an mich heran, gewisse Verhaltensweisen (z.B. ausgelebte Homosexualität oder sexuelle Intimität vor und ausserhalb der Ehe) grundsätzlich gutzuheissen, solange diese einvernehmlich unter Erwachsenen gelebt werden. Was mir bisher als ein respektvoller und willkommen heissender Umgang mit diesen Menschen schien, wurde nun immer mehr als etwas bezeichnet, das gegen diese Menschen gerichtet ist. Sogar als etwas Aggressives. Ich hätte eine aggressive Theologie, meinten einige. Die Forderung kam immer direkter und fordernder, meine Meinung grundlegend zu ändern.

Ich vergesse nicht, wie ein guter Freund von mir mich direkt und scharf konfrontierte: «Paul, wir haben als Christen unsere Meinung geändert in Bezug auf die Sklavenfrage und in der Frauenfrage. Wir werden (dieses Wort betonte er deutlich) unsere Meinung auch in der Frage ausgelebter Homosexualität ändern!»

Der Ball war bei mir. Ich hatte Hausaufgaben zu tun und nahm mir 2 Jahre Zeit. Inzwischen waren diese Fragen an der Basis meiner Kirchgemeinde angekommen. Ich bin meiner Gemeinde dankbar, dass sie mir die nötige Zeit gab, nochmals über die Bücher zu gehen. Und über die Bücher gehen musste ich tatsächlich! Ich war schon über 10 Jahre Pastor und Lehrer. Ich musste mir aber nochmals fast von Null auf überlegen, was die Bibel eigentlich ist und wie dieses Jahrtausend alte Buch, das in einer anderen Kultur geschrieben wurde, sich auf unsere Zeit übertragen lässt. Ich habe in dieser Zeit auch viel mit Menschen gesprochen, die persönlich mit diesen Themen und Fragestellungen leben.

Ich habe die Frage ernsthaft an mich herangelassen: Könnte es sein, dass wir als Christen während 2000 Jahre gleichgeschlechtlich empfindenden Menschen zu Unrecht abverlangt haben, ihre sexuelle Präferenz nicht auszuleben? Haben wir ihnen 2000 Jahre lang Unrecht getan? Progressiv-Liberale, die mich heute kennen, werden mir nicht glauben, dass ich diese Frage wirklich an mich herangelassen habe. Ich kann es ihnen nicht beweisen. Ich hoffe, sie glauben es mir. Es war mir eine Not, hier Gottes Wege zu finden, denn ich weiss, dass seine Wege für den Menschen gut sind. Ich will den Menschen auf jeden Fall dienen, aber nach Gottes Art und Weise.

Nach den 2 Jahren kam ich aus diesem Prozess heraus mit der Erkenntnis, dass die Sklaven- und Frauenfrage keineswegs dieselben sind wie die Frage, ob Homosexuelle ihre Präferenz mit Gottes Segen ausleben können. Nur der Neo-Marxismus unserer Zeit wirft alle drei Gruppen in einen Topf: alle drei werden der grossen Kategorie von unterdrückten Minderheiten zugeordnet. Sie unterscheiden sich lediglich im Mass an sogenannter Intersektionalität. Aber der Neo-Marxismus hat wenig Unterscheidungsvermögen und den einzelnen Menschen sieht er schon gar nicht!

Mehr: danieloption.ch.

Kann man bald Sexroboter heiraten?

Künstliche Intelligenz verspricht Upgrades für Sexroboter. Die Hersteller versprechen ihren Kunden nicht nur körperliche Befriedigung, sondern auch eine neue Form von „Beziehung“ mit Gefühlen. Vielleicht sollte der Ehe- und Familienbegriff weiter aufgebohrt werden, sodass bald das Heiraten von Robotern eine Möglichkeit wird? 

Melanie Mühl nimmt uns in ihrem Artikel „Kann man bald Sexroboter heiraten?“ mit auf die Reise in eine skurrile und – wie ich meine – perverse Welt, in der schnelle und immer verfügbare sexuelle Befriedigung sowie Liebe ohne Schmerz verkauft werden soll. Laut Umfragen können sich zehn bis vierzig Prozent der deutschen Männer vorstellen, Sex mit einem Roboter zu haben. Wenn der metaphysische Rahmen, der Sexualität Sinn und Schutz geboten hat, erst einmal zertrümmert ist, bleibt nur die Versklavung an das Begehren. Irgendwie kommt mir da Römer 2,24 in den Sinn.

Da ist es ein schwacher Trost, dass es noch Sexroboterkritiker gibt:

Zu den schärfsten Kritikern gehört die britische Ethikforscherin Kathleen Richardson, die sagt, Sexroboter seien ein Zeichen des Hasses gegen Frauen und würden aus Männern Vergewaltiger machen. Oliver Bendel hält Richardsons Behauptung für absurd. Erstens, sagt er, seien Puppenliebhaber meist sehr zärtlich zu ihren Puppen, und zweitens seien diese Männer auch keine Vergewaltiger, denn Vergewaltiger wollen Frauen erniedrigen. „Puppen können sie nicht erniedrigen, und deshalb ist es uninteressant, Gewalt über eine Puppe zu haben, die sich nicht wehren kann.“

Relevant ist die Frage nach der emotionalen Abstumpfung natürlich trotzdem. Denn genauso wie der Sexroboter durch jede Interaktion mit seinem Benutzer lernt, prägt auch die Gegenwart des unterwürfigen Sexroboters das Verhalten des Benutzer. Wessen Empathie in keiner Sekunde gefordert wird, der verlernt, Signale zu deuten und im Gesicht des anderen zu lesen, der kann ein falsches Lächeln irgendwann nicht mehr von einem echten unterscheiden. Man muss kein Pessimist sein, um zu befürchten, dass die vermeintliche Verschmelzung mit einer Maschine eine Liebesbeziehung mit einem Menschen nicht gerade leichter machen wird. 

Mehr: www.faz.net.

Warum Feministinnen armen Studentinnen „Sexarbeit“ empfehlen

Manche Studenten in Deutschland leben in Armut. Einige Feministinnen empfehlen Frauen daher den Verkauf ihres Körpers als Einnahmequelle und „Empowerment“. Das Feministische Referat der Universität Oldenburg plant für den 12. Januar 2024 sogar einen Workshop, in dem in die „Grundlagen zur Sexarbeit“ mit Fokus auf Pornografie eingeführt werden soll. Es geht dabei nicht – wie man vom Feminismus alter Schule erwarten könnte – um eine Kritik der Vermarktung weiblicher Sexualität, sondern im Gegenteil um eine „Handreichung, die das Produzieren von pornografischen Inhalten erklären und den Teilnehmern die Möglichkeiten des horizontalen Gewerbes näherbringen soll“, erklärt Ioannis Dimopulos für DIE WELT: 

Die Verherrlichung der „Sexarbeit“ als lässige und feministische Möglichkeit Geld zu verdienen und dabei gleichzeitig den meist männlichen Kunden das Geld abzunehmen, scheint dieser Sphäre unkritisch als erstrebenswert und selbstverständlich zu erscheinen. Das sollte entsetzen.

Die Aktivisten des Feministischen Referats Oldenburg reihen sich damit in eine innerhalb des Feminismus existierende Gruppe ein, die den Verkauf des eigenen Körpers zu sexuellen Zwecken als eine gleichartige Arbeit unter anderen umwerten. Damit sind sie weder in Deutschland noch im Rest der Welt allein. In Zürich etwa wurde die Veranstaltung „Sexarbeit: ein feministischer Widerspruch“ Anfang 2023 zu einer Relativierungsfeier der Kritik an Prostitution. Prof. Sabine Grenz, die an der Universität Wien im Bereich Gender Studies beschäftigt ist, wird von der Zürcher Studierendenzeitung etwa mit den Worten zitiert: „Jede Tätigkeit ist mit Feminismus vereinbar, weil es auf die politische Einstellung ankommt.“

Frauen mit Erfahrungen in der Realität der Prostitution sehen in dieser Relativierung eine erhebliche Gefahr. Doch ihre Kritik wird von den Sexarbeiter-Apologeten abgetan. Die Aktivistin und ehemalige Prostitutierte Huschke Mau durfte sich im April 2022 vom Allesbesserwisser Sascha Lobo erzählen lassen, wie falsch sie doch mit ihrer Kritik der Prostitution als Vergewaltigung läge.

Mehr (hinter einer Bezahlschranke): www.welt.de.

VD: BS

Silke Edelmann: „Lassen wir uns von dem Buch zum radikalen Weiterdenken herausfordern“

Silke Edelmann schreibt in ihrer ausführlichen Rezension des Buches Der Siegeszug des modernen Selbst von Carl Trueman (Bulletin, Nr. 27-28, 2023):

Das Verständnis von Sexualität und Sexualethik in der westlichen Welt, die man gemeinhin als christliche Zivilisation bezeichnet, hat sich in den letzten 60 Jahren rasant verändert. Wie es dazu kam, dem geht der englische Theologe und Kirchenhistoriker Carl R. Trueman nach. Die gesellschaftliche Debatte ist moralisch aufgeladen, doch die Ursachen des Wandels liegen tiefer. Wurde die Sexualität des Menschen seit jeher in einem spirituell-metaphysischen Rahmen gedeutet, wurde die metaphysische Rückbindung in der Neuzeit zunehmend aufgekündigt. Immer mehr verlagerte sich die maßgebliche moralische Instanz in das Innere des Subjekts, während äußere Maßgaben zunehmend hinterfragt wurden.

Anhand der Ideengeschichte arbeitet Trueman heraus, warum das Bekenntnis zu traditionellen Moralvorstellungen heute eine so heftige Gegenreaktion hervorruft. Gemäß den gängigen postmodernen Narrativen beruht die Rückbindung des Menschen an eine metaphysische Realität auf einer Fiktion. Im Rückgriff auf das marxsche Diktum, Religion sei Opium für das Volk, argumentieren vor allem linke Denker, dass jede metaphysische Weltanschauung das Instrument einer Elite zur Durchsetzung ihrer Interessen darstellt.

Christen, die ihre ethischen Erwägungen metaphysisch verankert wissen möchten, müssen ein Verständnis dafür entwickeln, wie der neuzeitliche Subjektivismus, der auch die Theologie geprägt hat, diese Verankerung erodiert, um Perspektiven aufzuzeigen, wie christliche Apologetik dem entgegenwirken könnte. 

Mehr: www.dijg.de.

Die Gamaliel-Strategie

Es gibt Sünden, vor denen die Bibel mit aller Schärfe warnt. Zu diesen Sünden gehören Götzendienst und Unzucht. Die Apostel eröffnen hier keinen Raum für Erwägungen und Dispute. Sie sagen uns: „Darum, meine Lieben, flieht den Götzendienst!“ (1Kor 10,14) oder „Flieht die Hurerei!“ (1Kor 6,18).

Es gibt Tatsünden, da muss ein Christ wie auf einem Lernfeld trainieren, nach dem Willen Gottes zu leben – ohne dass das Fliehen möglich ist. Ein Vater, der mit Zorn zu kämpfen hat und seine Kinder hin und wieder völlig unkontrolliert anschreit, kann nicht aufhören, Vater zu sein. Er muss Selbstbeherrschung im realen Leben lernen. Bei dem biblischen porneia, das wir mit „Unzucht“,  oder „sexueller Unmoral“ übersetzen können, ist die Lage anders. Wir sollen fliehen. 

In den evangelikalen Kreisen wird heute immer wieder einmal darauf verwiesen, dass wir zurückhaltender und abwägender im Blick auf sexuelle Sünde handeln sollten. Als Referenz taucht manchmal der jüdische Gesetzeslehrer Gamaliel auf, der in sokratischer Art und Weise die Mitglieder des Hohen Rats dafür warb, die Gruppe der Jesusjünger nicht vorschnell zu verurteilen: „Und nun sage ich euch: Lasst ab von diesen Menschen und lasst sie gehen! Ist dies Vorhaben oder dies Werk von Menschen, so wird’s untergehen; ist’s aber von Gott, so könnt ihr sie nicht vernichten – damit ihr nicht dasteht als solche, die gegen Gott streiten wollen“ (Apg 5,38–39). 

In einem zweiteiligen Gespräch zwischen Thorsen Dietz und Stephanus Schäl in der Zeitschrift Aufatmen, das in meinen Augen als Rückschritt im Disput zwischen Post-Evangelikalen und Evangelikalen zu werten ist, sagt Dietz zum Thema christliche Einheit:

„Ich wünsche mir, dass man biblisch vielleicht mal mit Gamaliel sagt: Wenn das von Gott kommt, dass sich eine neue Einsicht durchsetzt, werden wir es nicht stoppen können. Wenn es nicht von Gott kommt, wird das Ganze irgendwann scheitern, wird zusammenbrechen. Jetzt gucken wir Tag für Tag und bleiben im Gespräch.“

Der Elefant im Raum ist vor allem die christliche Sexualethik. Thorsten Dietz oder Tobias Faix sind Unterstützer der LGBTQ+-Bewegung. Die Evangelikalen lehnen die großen Anliegen der Regenbogen-Kultur mit Verweis auf die Bibel, 2000 Jahre Tradition und die Vernunft ab. Doch Schäl widerspricht Thorsten Dietz nicht scharf, sondern erklärt fast solidarisch:

„Ich will kein Schwarzmaler sein, aber ich behaupte mal, dass sich die sexualethische Frage nicht in den nächsten ein, zwei Jahren klären wird. Ich rechne mit zehn bis fünfzehn Jahren. Ich wünschte, es wäre schneller. Aber diese Spannung aushalten, zu sagen, ich ringe vielleicht einen Großteil meines Dienstlebens über diese Frage – und gleichzeitig Kurs zu halten. Im Rückblick wird man irgendwann sagen: Liebe Leute, warum habt ihr euch Bibelverse an die Köpfe geworfen? Dann schaut man auf unsere Zeit zurück und sagt: Das war ja die einfache Frage.“

Wie also ist das mit dem Rat des Gamaliel? Peter Bruderer hat einen Artikel dazu verfasst, auf den ich hier gern verweise. Er schreibt: 

Ich persönlich bin überzeugt, dass der Rat des Gamaliel immer wieder einmal ein guter Rat sein kann. Die Aussage, dass am Ende nur Bestand haben wird, was Gott bewirkt, hat natürlich eine Rückendeckung in biblischen Aussagen. Für den Seher Bileam war klar, dass er das gesegnete Volk Gottes nicht verfluchen konnte (4Mo 22–24). Der Segen Gottes würde sich durchsetzen. Wir werden in der Bibel als Christen auch aufgefordert, Gott wirken und richten zu lassen und nicht mit der Brechstange selbst Dinge erzwingen zu wollen, die wir als richtig und gut erachten (z.B. Röm 12:17–21). Tatsächlich ist das Abwarten manchmal eine gute und weise Strategie.

  1. Der Rat des Gamaliel wird in der biblischen Berichterstattung nicht weiter kommentiert oder bewertet. Es wird lediglich wiedergegeben, was passiert ist und was geredet wurde. Es liegt an uns, die Aussagen Gamaliels in im Kontext weiterer biblischer Aussagen einzuordnen und zu bewerten.
  2. Die Apostelgeschichte ist primär Geschichtsschreibung und nicht christliche Lehre. Gamaliel kommt nicht die Autorität eines Propheten oder Apostels zu. Seine Statements sollten erstmal als das gewertet werden, was sie sind: Aussagen eines einflussreichen jüdischen Geistlichen in einer heiklen Auseinandersetzung.
  3. Es bleibt unklar, was die Motivation von Gamaliel war. Die Sadduzäer glaubten nicht an die Auferstehung der Toten und waren möglicherweise auch deshalb darum bemüht, die Apostel hinter Gitter zu bringen (Apg 5:17). Diese verkündeten Jesus als den Auferstandenen. Pharisäer wie Gamaliel jedoch glaubten an die Auferstehung der Toten. Deshalb hatte Gamaliel möglicherweise nicht nur weniger Probleme mit den Auferstehungsberichten der Apostel, er hatte in diesem Konflikt auch eine Gelegenheit, der theologischen Konkurrenz im Hohen Rat eins auszuwischen.
  4. Eine weitere Möglichkeit ist, dass Gamaliel tatsächlich damit rechnete, dass die Apostel bald tot sein würden. Das Volk würde sich in irgendeiner Form gegen die Christen wenden oder es würde zu einer inneren Selbstzerfleischung in der Urgemeinde kommen. Auf diese Möglichkeit deutet seine Argumentation vor dem Rat hin, in welcher er zwei weitere Anführer erwähnt, deren Bewegungen vor nicht allzu langer Zeit von selbst mit dem gewaltsamen Tod ihrer Anführer ein Ende gefunden hatten (Apg 5:36–37).
  5. Nicht zuletzt kann der Apostel Paulus erwähnt werden. Im weiteren Verlauf der Apostelgeschichte erwähnt dieser, dass er selbst als junger Mann „zu Füssen Gamaliels“ unterrichtet worden war (Apg 22:3). So wurde aus Paulus ein religiöser Eiferer, der Christen verfolgte. Wir haben keine schriftlichen Informationen, ob es sich bei dem von Paulus erwähnten Gamaliel um den gleichen Mann handelt, der den Hohen Rat überzeugte, die Apostel freizulassen. Aber die Annahme hat aufgrund der Timeline eine gewisse Plausibilität.

Mehr: danieloption.ch.

Die Repressionsthese auf dem Prüfstand

Schon in seiner kulturtheoretischen Abhandlung „Die ‚kulturelle‘ Sexualmoral und die moderne Nervosität“ (enthalten in: Das Unbehagen in der Kultur und andere kulturtheoretische Schriften, 5. Aufl., Fischer, 2018) aus dem Jahre 1908 stellt Sigmund Freud einerseits die These auf, dass die Bändigung, Umleitung oder Veredlung des Sexualtriebs zur Kulturentwicklung beiträgt (Sublimierung). Andererseits behauptet er, dass der Triebverzicht gleichwohl psychische Erkrankungen fördert (er sprach von „Nervosität“). Die Neurose ist das negative Pendant zur Perversion, „weil sie dieselben Neigungen wie die positiv Perversen im ‚verdrängten‘ Zustand enthalten“ (S. 120).

Für Freud produziert die Sexualität selbst keine inneren Konflikte, wenn sie auf natürliche Weise ausgelebt wird. Erst durch die Regulierung mittels gesellschaftlicher Normen kommt es zu Spannungen und innerer Zerrissenheit. Die gesellschaftliche Repression der Triebe führe zu seelischen Erkrankungen (Repression). Das klingt dann so (S. 123):

Wer in die Bedingtheit nervöser Erkrankung einzudringen versteht, verschafft sich bald die Überzeugung, daß die Zunahme der nervösen Erkrankungen in unserer Gesellschaft von der Steigerung der sexuellen Einschränkung herrührt.

Anders gesagt: Um so weniger die Sexualität eingeschränkt wird, desto seltener treten nervöse Erkrankungen auf.

Freud war dennoch nicht dafür, Sexualität ungehemmt auszuleben. Das forderte erst später sein Schüler Wilhelm Reich. Ulrich Gutmair, Kulturredakteur der taz, schreibt:

Reich entwickelte aus der Freud’schen Idee der Libido eine psychosomatische Theorie. Er verstand psychische Strukturen als erstarrte Energie, die es freizusetzen gilt, um Panzerungen in Körper und Charakter zu lösen. Er war seiner Zeit voraus. Massenhaft suchten Patienten die sexualhygienischen Beratungsstellen auf, die Reich erst in Wien, dann in Berlin betrieb.

Aber sind die nervösen Erkrankungen mit der sexuellen Befreiung zurückgegangen?

Schauen wir mal nach Berlin. Sarah Obertreis hat kürzlich in der FAZ den interessante Artikel „Wo Monogamie out ist“ veröffentlicht. Sie zeigt dort anhand von Umfrageergebnissen und Beispielen, dass in der Hauptstadt die Verbindlichkeit in den Beziehungen verloren gegangen ist wie in keiner anderen Stadt Deutschlands. Sie schreibt:

Berlin ist nicht wie andere Millionenstädte. Es ist schnelllebiger, anarchischer und diverser als München, Köln oder Hamburg. Hier zählt das Leben oft mehr als die Arbeit – und Geld nur, wenn es mal nicht für die Miete reicht. Sesshaft zu werden sei hier viel schwerer als anderswo, konstatiert eine Psychologin. Was das für Auswirkungen hat, lässt sich in einem Lebensbereich besonders gut beobachten: dem Dating. Dutzende Umfragen zeigen: In der Hauptstadt folgt die Liebe anderen Gesetzen als im Rest der Republik.

Tatsächlich zeigen Statistiken: Berlin ist die Stadt der Partnerlosen. Je nachdem welche Studien man liest, reichen die Schätzungen von 30 bis 50 Prozent Singles. Gleichzeitig gibt es hier so viele junge und so viele offen queere Menschen wie kaum an einem anderen Ort in Deutschland. Sie treffen sich auf den Tanzflächen, in den Cafés, Parks und den berühmt-berüchtigten Sexclubs der Stadt. Oft zählt dabei der Austausch von Körperflüssigkeiten mehr als der Austausch von Gedanken.

Bei so viel ungehemmter Sexualität in der Hauptstadt erwartet man eigentlich – vorausgesetzt an Repressionsthese ist was dran, dass es dort deutlich weniger psychische Erkrankungen gibt als anderswo. Die Wirklichkeit sieht anders aus. Wie aus einem DAK-Report hervorgeht, gibt es in keinem anderen Bundesland es so viele Arbeitsausfälle aufgrund psychischer Erkrankungen wie in Berlin/Brandenburg (vgl. a. hier).

Natürlich soll das keine Widerlegung der Repressionsthese sein. Es soll lediglich dazu anregen, vielleicht mal darüber nachzudenken, ob wir für unverbindliche Sexualität einen sehr hohen Preis zahlen, der auch die „Nervosität“ betrifft.

Der letzte Absatz im Artikel „Wo Monogamie out ist“ zeigt übrigens, dass bei so viel Unverbindlichkeit in Beziehungsfragen die Sehnsucht nach Verlässlichkeit und Bindung zurückkehrt:

Deswegen erzählen Menschen wie Falk, die trotz allem eine glückliche verbindliche Beziehung gefunden haben, davon auch wie von einem Lottogewinn: ziemlich stolz, aber auch ein bisschen ungläubig und fast schon verschämt. Falk hat seine Freundin über Bekannte kennengelernt, nach ein paar Monaten fragte er: Könntest du dir eine Beziehung vorstellen? Sie antwortete: Ja, aber nur eine offene. Diesmal war Falk nicht bereit, seine Grenzen zu verschieben. Sie wurden trotzdem ein Paar, weil ihre Lust auf Falk größer war als die auf eine offene Partnerschaft. Und es fühlt sich für ihn gut an: „Jetzt bin ich seit sieben Monaten in einer ganz stinknormalen Beziehung und denke: Wow, ist Monogamie geil!“

Drag-Lesungen für Kinder

In München sollen Drag-Darsteller Mädchen und Jungen ab vier Jahren bei einer Lesung in „farbenfrohe Welten“ mitnehmen. Was die örtlichen Grünen als Vielfalt feiern, ist in Wahrheit knallharte queere Identitätspolitik. Hier werden Grenzen nicht nur überschritten, sondern eingerissen. Beatrice Achterberg kommentiert treffend:

Im Münchner Veranstaltungshinweis liest sich das so: Die Kinder sollen mitgenommen werden in «farbenfrohe Welten, die unabhängig vom Geschlecht zeigen, was das Leben für euch bereithält, und dass wir alles tun können, wenn wir an unseren Träumen festhalten». Queertheoretische Identitätspolitik, die das Geschlecht in den Mittelpunkt rückt, wird in kindliche Geschichten gewoben. Über diesen Umweg konfrontiert man kleine Kinder mit ihrer Geschlechtlichkeit. Darum geht es. Das ist die Absicht.

Mehr: www.nzz.ch.

Das Geschäft mit der neuen Lust

Was Silke Weber in ihrem Artikel „Das Geschäft mit der neuen Lust“ über die neue Sex-Ordnung schreibt, macht deutlich, wie bedeutsam die Kulturanalyse von Carl Truemann zum „neuen Selbst“ ist. 

Zitat: 

„Sexualität und Gender sind keine politischen Nebenschauplätze“, hat die britische Feministin Laurie Penny postuliert: In den vergangenen Jahren sei eine sexuelle Revolution angestoßen worden, die unser Verständnis von Sex, Macht und Widerstand neu bestimme. Und gleichzeitig stellen Frauen, Männer und LGBTQ überall die gewohnte Geschlechterbinarität infrage.

Einvernehmlichkeit, Gemeinschaft und Offenheit bilden eine neue Ordnung. Clubnächte werden zu sexpositiven Partys, bei denen Gäste, wenn sie wollen, einfach nackt tanzen können. Wenn sie Begehren verspüren, dürfen sie dieses auch ausleben. Auf einer Schaukel, einer Liege, im Darkroom. Die Großstädte werden zu Spielwiesen, in denen Shibari-Workshops angeboten werden, um die erotische Kunst des Fesselns zu erlernen.

Die Sicht auf Sexualität und der Umgang mit ihr haben sich in weiten Teilen der Gesellschaft über die vergangenen Jahre radikal verändert.

Mehr (hinter einer Bezahlschranke): www.faz.net.

Das dritte Geschlecht?

Vermutlich wird es etlichen Lesern des Blogs auf die Nerven gehen, dass ich hier immer wieder etwas zum Thema „Soziales Geschlecht“ publiziere. Ich selbst finde es auch langweilig. Aber da vor allem unseren Kindern in vielen Schulen und Medien ein neues Fühlen eingeimpft wird, werde ich auch in Zukunft dranbleiben.

Heute stelle ich das Video „Drittes Geschlecht? 11 Fakten über Gender“ ein, das mit den Einnahmen der Rundfunkbeiträge produziert wurde und junge Leute über das Geschlecht aufklären soll.

Der Beitrag transportiert – ich möchte es so drakonisch formulieren – fast nur „alternative Wahrheiten und Fakten“. Kinder und Jugendliche werden das aber nur merken, wenn wir mit ihnen darüber reden und darauf hinweisen, was hier alles FakeInfos sind. Denn es gibt eine wahrscheinlich unausgesprochene Übereinkunft zwischen den Ministerien, Medienhäusern, Konzernen und Instituten, die allesamt das neue Fühlen einführen möchten und auf ihren Kanälen in das gleiche Horn blasen.

Achtung: Wer anders darüber denkt als der Jugendkanal Funk, muss sich darauf gefasst machen, dass er versehentlich eine Gabel in den Oberschenkel gerammt bekommt.

Der Queer-Plan der Bundesregierung

Vor wenigen Wochen beschloss die Bundesregierung den sogenannten Aktionsplan „Queer leben“ (vgl. hier). Doch nicht etwa der Abbau der Diskriminierung steht darin im Vordergrund, sondern die umfassende Durchdringung der Gender-Ideologie in allen gesellschaftlichen Bereichen. Ganze 70 Millionen Euro Steuergelder werden dafür zur Verfügung gestellt. Rieke Hümpel hat einen aufrüttelnden Artikel dazu bei CICERO verfasst. Darin schreibt sie:

Am bedrückendsten empfinde ich Punkt 4.3, der das „Gesetz zum Schutz von Konversionsbehandlungen“ als Maßnahme vorschlägt und tatsächlich ein grausames Unrecht gegen Eltern beinhaltet. Das Gesetz soll verhindern, dass der Wunsch von Erwachsenen und Jugendlichen nach Transition angezweifelt werden darf. Selbst die bisherige Strafausnahme für Eltern soll nach Möglichkeit aufgehoben werden.

Dahinter versteckt sich: Eltern dürfen künftig den Wunsch ihrer Kinder nach einer Transition noch nicht einmal mehr kritisch hinterfragen! Der Staat entzieht allen Eltern dieses Landes auf Wunsch von Queer-Aktivisten bei einer derart existenziellen Frage die Gesundheitssorge! Im schlimmsten Fall müssten Eltern also künftig wortlos dabei zusehen, wie ihr Kind chemisch und operativ kastriert wird – selbst, wenn sie von einer Fehlentscheidung überzeugt sind.

Staatlich verordnetes Nichtssagen, wenn die über alles geliebte Tochter sich die Gebärmutter rausnehmen und die Busen abschneiden lässt. Unterstützendes Nicken, wenn dem eigenen Sohn der Penis abgetrennt wird. Wissend, dass die Kinder fortan lebenslang schreckliche Nebenwirkungen und ein erhöhtes Krankheitsrisiko bevorstehen. Ich kann mir kaum eine brutalere Situation für Eltern vorstellen. Es ist ein Alptraum.

Dabei sind mittlerweile weltweit warnende Stimmen laut geworden. Schweden hat die Verwendung von Pubertätsblockern und gegengeschlechtlichen Hormonen für alle Kinder unter 18 Jahren in diesem Jahr im ganzen Land eingestellt. Finnland wählte bereits 2020 die Psychotherapie als erste zu wählende Behandlung vor der Gabe von Pubertätsblockern. In Frankreich warnt die Nationale Akademie für Medizin in ihren neuen Leitlinien aufgrund fehlender Evidenz vor vorschnellen hormonellen und operativen Transitionen.

Mehr hier: www.cicero.de.

VD: HL

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