Thomas von Aquin

800 Jahre Thomas von Aquin

Im Januar 1225, also vor 800 Jahren, wurde Thomas von Aquin geboren. Er war zweifelsohne einer der einflussreichsten christlichen Philosophen. In einer turbulenten Epoche entwickelte er ein Denken, das das Abendland lange prägte. Richard Kämmerlings stellt uns den „Nicht-Revolutionär“ vor und schreibt über die Entdeckung von Aristoteles im 12. Jahrhundert:

Die entscheidende Konstellation jener Jahrzehnte war die Begegnung mit der Aristotelischen Philosophie in seiner ganzen Breite: Zwar gehörten etwa dessen logische Schriften schon zuvor zum Kanon, vor allem im Studium der Artes liberales, der freien Künste, dem „Vorstudium“ zur Theologie. Aristoteles’ Hauptwerke aber waren in der christlichen Welt unbekannt. Erst die sogenannte „Renaissance des 12. Jahrhunderts“ hatte eine intensive Auseinandersetzung mit der arabischen Philosophie ausgelöst, in der Aristoteles umfangreich überliefert und kommentiert worden war.

Das muslimische Andalusien, speziell Cordoba, war eine Drehscheibe des Austauschs und der Übersetzung. Schriften wie die „Nikomachische Ethik“ oder „Über die Seele“ werden erst jetzt bekannt, zusammen mit ihren scharfsinnigen arabischen Kommentatoren wie Ibn Sina (Avicenna) oder Ibn Ruschd (Averroes) oder auch dem jüdischen Denker Moses Maimonides, der sich ebenfalls intensiv an Aristoteles abarbeitete.

In diesem komplexen geistesgeschichtlichen Prozess der Aneignung oder Umschmelzung dieser nichtchristlichen, antik-paganen, islamischen oder auch jüdischen Wissenskomplexe spielen Albertus und Thomas eine entscheidende Rolle – im zähen Widerstand gegen Traditionalisten und Autoritäten (mehrfach werden aristotelische Lehrsätze in Paris verboten), aber auch im Kampf gegen allzu direkte, problematische Übernahmen, die ans Eingemachte christlicher Grundüberzeugungen gingen. Die Hauptfrage lautete: Lassen sich religiöser Glaube und Wissenschaft, Offenbarungswahrheit und weltliche Philosophie verbinden? Und wenn ja, wie?

Mehr (hinter einer Bezahlschranke): www.welt.de.

Evangelikale Schwärmerei für Aquinas?

Leonardo De Chirico hat für CT die neuerliche evangelikale Begeisterung für Thomas von Aquin differenziert bewertet. Ich schließe mich seinem Urteil an. Auszüge:

Frühere Generationen protestantischer Gelehrter kamen angesichts seiner Größe und Bedeutung für die Theologie nicht um Aquin herum, aber er wurde immer mit selektiven Augen gelesen. Heute gibt es jedoch eine zunehmende Tendenz zu denken, dass man nicht richtig orthodox (im „katholischen“ Sinne) sein kann, wenn man die grundlegenden Lehren des Thomismus nicht annimmt.

Was von diesen evangelikalen Anhängern oft übersehen wird, ist die umstrittene Geschichte des Aquinismus. Seit der Reformation und darüber hinaus hat der römische Katholizismus Aquinas als seinen Hauptverfechter für seine antireformatorische Haltung und die daraus resultierenden antibiblischen Entwicklungen betrachtet, wie z. B. das marianische Dogma der leiblichen Himmelfahrt Mariens von 1950.

Was ist von diesem Streit um Aquin zu halten? Was sind die Stärken und Schwächen, wenn nicht gar die Gefahren, wenn wir Aquin für die Theologie heute wiederentdecken? Es geht nicht darum, Aquin zu studieren oder Aquin unkritisch zu meiden, sondern darum, die theologische Landkarte bereitzustellen, mit der sich Evangelikale ihm nähern können.

Wir sollten Aquin lesen wie Petrus Lombardus, Bonaventura, Duns Scotus und andere mittelalterliche Theologen, die von Aquins Einsichten und Lehren profitierten, aber auch Probleme benannten, wenn sein System von der Heiligen Schrift abwich.

Wir dürfen uns weder vor Aquin fürchten noch ihn zum absoluten Maßstab für die christliche Orthodoxie erheben – weder sein Denksystem ablehnen noch es naiv übernehmen. Die evangelikale Theologie muss eine realistische Lesart von Aquin anstreben, die sich der höchsten Autorität der Schrift unterordnet und im Dienst des Evangeliums steht.

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Warum ich meine Meinung über Thomas von Aquin geändert habe

Scott Clark erzählt in einem Beitrag für das Journal Credo, dass er durch den Einfluss von Cornelius Van Til und Francis Schaeffer große Vorbehalte gegenüber Thomas von Aquin entwickelt hatte. Bei der Lektüre klassischer reformierter Theologen fiel ihm dann freilich auf, dass sie Thomas durchaus schätzten. Daher änderte auch Clark seine Meinung über den größten Theologen des Mittelalters.

Er schreibt:

Als ich in den Jahren 1980/81 durch Francis Schaffer und Cornelius Van Til damit begann, das reformierte Glaubensbekenntnis für mich zu entdecken, hatte ich eine ziemlich starke Voreingenommenheit gegenüber Thomas, den ich selbst nie gelesen hatte. Ich kannte ihn nur als den römisch-katholischen Theologen par excellence. Von Van Til kannte ich Thomas nur als „den großen Meister der Scholastik“, und ich schloss daraus, dass „Scholastik“ ein Code für Rationalismus war, d.h. dafür, dass man der Vernunft die Position eines Lehrers (magister) statt der eines Dieners (ancilla) zubilligte. Ich hatte den Eindruck, dass Thomas von Aristoteles vereinnahmt worden war. Tatsächlich wurde mir der Eindruck vermittelt, dass Thomas die Quelle für vieles war, was das Christentum krank macht. In einer Tour de Force springt Van Til von Aristoteles über Aquin zu Immanuel Kant (1724–1804). Die beiden wichtigsten Dinge, die ich aus meinen kurzen frühen Begegnungen mit Thomas mitnahm (mea culpa), waren, dass er versuchte, die Existenz Gottes auf „fünf Wegen“ zu beweisen (ST, 1a.2, Art. 3), und dass er einen „Natur-Gnaden-Dualismus“ lehrte.

Als ich begann, die orthodoxen reformierten Autoren selbst zu lesen, war ich jedoch überrascht, wie positiv sie Thomas gegenüber eingestellt waren. Das stellte mich vor die Wahl: entweder die neo-calvinistische Darstellung unseres Verhältnisses zu Thomas (und anderen) oder der klassische reformierte Ansatz. Nachdem ich mich eingehender mit Thomas beschäftigt hatte, entschied ich mich schließlich für Letzteres.

Falls sich jemand fragt, wie ich zu dieser Frage (und vielleicht auch der „Debatte“ zwischen Westminster Philadelphia und California) stehe: Ich kann Scott Clark gut verstehen und ermutige dazu, Thomas mal aus erster Hand zu lesen. Im Bereich der Gotteslehre wünsche ich mir, noch viel von Thomas zu lernen. Ich habe auch nichts gegen sauberes methodisches Vorgehen im Bereich von Theologie und Philosophie. Es ist schade, dass die Protestanten die Teleologie so vernachlässigt haben. Aquin war ein Genie. Zugleich bin und bleibe ich möglicherweise Thomas gegenüber kritischer als Clark, nicht nur im Blick auf einzelne Lehrpunkte wie Eucharistie oder Erwählung, sondern auch in Bezug auf sehr grundsätzliche Fragen wie Offenbarungslehre, Epistemologie und Soteriologie. So genau weiß ich das allerdings nicht, da ich Clark zu diesen Themen weder gelesen noch gehört habe. 

Hier der Artikel: credomag.com.

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