Ulrich Wilckens

Ulrich Wilckens (1928–2021)

Der Bischof em. Prof. Dr. Ulrich Wilckens ist am 25. Oktober 2021 heimgegangen. Wilckens bekehrte sich zu Jesus Christus, nachdem er im Schützengraben von einem Panzer überrollt wurde und überlebt hat. Er studierte Theologie und lehrte später in Marburg, Berlin und Hamburg. Von 1981 bis 1991 war er Bischof der Nordelbischen Evangelisch-Lutherischen Kirche, die 2012 der Nordkirche zugeschlagen wurde.

Gegen Ende seiner Amtszeit erkrankte Wilckens schwer an Krebs. Dass er überraschend geheilt wurde, schrieb er Gottes Eingreifen zu und nutzte die verbleibenden Jahre für tief schürfende theologische Untersuchungen, die nicht dem Mainstream entsprachen. Er kritisierte die historisch-kritische Methode und verfasste eine sechsbändigen Theologie des Neuen Testaments (siehe meinen Buchhinweis hier: Wilckens.pdf).

Wilckens änderte auch seine Sichtweise auf die Sexualethik. Er überarbeitete seine Kommentar zum Römerbrief und schrieb auf evangelisch.de: Ein Christ müsse „sein sexuelles Verhalten ganz nach dem Willen Gottes ausrichten und daher wissen, dass gleichgeschlechtliches Zusammenleben – wie alle außereheliche Sexualität – dem Gotteswillen widerspricht“.

Im Gedenken an seinen kirchlichen Dienst hier ein längeres Zitat aus seinem Buch Kritik der Bibelkritik:

Es ist zu entscheiden, ob die historisch-kritische Auslegung der Bibel dem Anspruch gerecht wird, den ursprünglichen Sinn der biblischen Schriften zu erfassen, und zu prüfen, ob ihre Zeugnisse von der Wirklichkeit Gottes als wahr anzuerkennen sind – nämlich der Wirklichkeit seines Handelns in der Geschichte Israels und im Wirken und Geschick Jesu als Heilgeschehens für alle Menschen aller Zeiten. Eine solche Prüfung erfordert, beides ernst zu nehmen: die Aussagen der Zeugen in den biblischen Texten und die kritische Absicht der Ausleger.

Was die Prüfung der Letzteren betrifft, so gilt es nicht nur, die behaupteten »Ergebnisse« der modernen Bibelwissenschaft nachzuprüfen, sondern vor allem auch die darin angewandten Methoden auf ihre Voraussetzungen hin zu hinterfragen. Ihrem historisch-kritischen Anspruch entspricht es, dass auch ihre Überprüfung historisch-kritisch verfährt. Und das heißt: Die Geschichte der modernen Bibelforschung ist selbst historisch-kritisch zu verfolgen.

Die göttliche Autorität des Alten Testaments

Ulrich Wilckens schreibt über die Autorität des Alten Testaments (Theologie des Neuen Testaments, 2014, Bd. 2, S. 61):

Was zunächst das Alte Testament betrifft, so ist zunächst noch einmal daran zu erinnern, daß dessen Zeugnis in der Urkirche nicht nur in fester Schriftform vorlag (»es steht geschrieben«; Mose oder einer der Propheten »haben geschrieben«), sondern daß es eigentlich der »heilige« Gott selbst ist, der in dem von Menschen »Geschriebenen« zu Wort kommt. Weil Gott heilig ist, gelten die Schriften als »heilig« (Röm 1,2). Was sie »lehren«, gilt uns, »damit wir durch die Geduld und durch die Tröstung (die Gott uns in ihnen zuspricht) an der Hoffnung festhalten« (Röm 15,4). Daß alle Schriften prophetisch auf Christus verweisen (Lk 24,27), dient »uns« Christen zur Bekräftigung unseres Glaubens an den Messias Jesus als Gottes Sohn, in dem Gott das seinem Volk zugedachte Heil vollendet hat. Jede zitierte Schriftstelle ist insofern als Christuszeugnis immer auch Zeugnis des heilsgeschichtlichen Handelns Gottes in der Geschichte Israels, seines wirkkräftigen »Redens« einst zu den Vätern und jetzt zu uns (Hebr 1,1f.). Darum ist die Schrift von göttlicher Autorität, so daß Paulus im Streit um die jeweils höchste Autorität von Menschen in der Gemeinde von Korinth die Grundregel aktuell zur Geltung bringt: »nicht über das hinaus, was geschrieben steht!« 1Kor 4,6).

U. Wilckens: Wort und Glaube

Starke Worte von Prof. Ulrich Wilckens (Theologie des Neuen Testaments, 2014, Bd. 2, S. 9):

Daß die Verkündigung des Evangeliums als Wort Gottes gehört (1Thess 2,13) und im Glauben angenommen wird (1Kor 15,1f.), ist alles andere als selbstverständlich. Das liegt nicht an der mehr oder weniger starken intellektuellen Überzeugungsfähigkeit und rhetorischen Begabung, auch nicht an der persönlichen Ausstrahlungskraft unterschiedlicher Prediger. Menschen mögen Menschen von sich überzeugen – aber darum geht es in der Verkündigung des Evangeliums nicht. Dessen Inhalt ist: »Jesus Christus als der Herr« (2Kor 4,5), der für unsere Sünden gekreuzigte Messias, den Gott auferweckt hat (1Kor 15,3-5; 2Kor 5,14f.). Dies zu vermitteln, vermag nur Gott selbst. Daß in den Herzen Glauben entsteht (Röm 10,8f.), ist ein schöpferischer Akt Gottes wie der, mit dem er im Anfang »aus der Urfinsternis Licht aufstrahlen ließ« (2Kor 4,6) und Nicht-Seiendes ins Sein gerufen hat (Röm 4,17; Hebr 11,3).

Wie die Bibel wieder zur Heiligen Schrift werden kann

NewImageDer emeritierte Neutestamentler Ulrich Wilckens hat Ende 2012 einen Zwischenbilanz seiner Kritik der Bibelkritik vorgelegt.

  • Ulrich Wilckens: Kritik der Bibelkritik: Wie die Bibel wieder zur Heiligen Schrift werden, Neukirchener Verlag, 2012, 172 S.

 

Der Verlag schreibt über das Buch:

Wenn aus dem biblischen Gott eine Idee wird, eine Vorstellung, und aus der Heiligen Schrift ein bloßes Buch – was geschieht dann? Dann ist die Folge, dass im Umgang mit der Bibel in Predigt, Konfirmanden- und Schulunterricht ein hohes Maß an Willkür vorherrscht.

Liegt das an der historisch-kritischen Exegese? Ja und nein. Ja – denn die biblischen Texte werden uns durch diese Art der Auslegung fremd und verlieren ihre Lebendigkeit, sodass es eines wachsenden Spielraums eigener Phantasie bedarf, um die Kluft zwischen ihrem damaligen Sinn und einem für uns heute annehmbaren Sinn zu überbrücken. Nein – denn der christliche Glaube hat seine Grundlage in der Geschichte Gottes mit uns Menschen. Und weil diese Geschichte im Alten und Neuen Testament bezeugt wird, muss sie in der Auslegung der Bibel auch historisch ernst genommen werden. Ulrich Wilckens stellt sich daher der Aufgabe, die Rede von Gott von der Ebene religiöser Subjektivität auf die Ebene der objektiven Wirklichkeit Gottes des biblischen Zeugnisses zu transportieren. Dazu hilft vor allem das Ernstnehmen der alttestamentlichen Gotteserfahrung in der Geschichte seines Handelns mit Israel. Unter diesem Aspekt gewinnt sodann das neutestamentlich bezeugte Heilsgeschehen in Jesus Christus einen überzeugenden Sinn. Dieser ist, historisch ausgelegt, der gemeinsame Horizont aller zentralen Glaubensaussagen in den verschiedenen Schriften des Neuen Testaments, ihrer Verfasser und der Sprache des Gottesdienstes der urchristlichen Gemeinden.

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Für die Freiheit des Glaubens und die Einheit der Kirche

Renommierte evangelische Theologen wie Ulrich Wilckes, Rainer Mayer oder Reinhard Slenczka rufen Christen in einem Papier mit dem Titel »Für die Freiheit des Glaubens und die Einheit der Kirche« zum gemeinsamem Zeugnis in sieben aktuellen Grundaussagen des christlichen Glaubens ein. In der Einführung zum Dokument heißt es:

Seit langem schon wird in unseren Kirchen und Gemeinden die zentrale Heilsbedeutung des Todes Christi und seiner Auferstehung bestritten und behauptet, sie seien für heutige Christen unannehmbar. Dagegen haben sich kaum ein Bischof oder Synoden zur Wehr gesetzt. Aber diese Grundaussagen der Heiligen Schrift sind auch heute die entscheidende Mitte des christlichen Glaubens und der tragende Grund de Bekenntnisse der Kirche. Darum müssen sich die Christen zusammentun, gemeinsam dafür werben und notfalls auch dafür streiten, dass die Bekenntnisse der Kirche Jesu Christi neu ernstgenommen werden.

Folgende sieben Punkte werden erörtert:

  1. Die Institution Ehe und die Lebensformen
  2. Die Ehe und der Gottesglaube
  3. Pfarramt und Lebensvollzug
  4. Bibel und Bibelauslegung
  5. Auftrag und Ordnung der Kirche
  6. Lehre und Seelsorge
  7. Unterscheiden und Zuordnen

Das Dokument kann hier heruntergeladen werden: EinheitderKirche.pdf.

Die Antwort von Bischof Wilckens

Sollen homosexuelle Geistliche mit ihrem Partner im Pfarrhaus leben dürfen? An dieser Frage hat sich in den vergangenen Wochen eine heftige ethische und theologische Diskussion entzündet. Auslöser war ein offener Brief von acht evangelischen Altbischöfen, die gleichgeschlechtliche Sexualität für bibelwidrig halten. Einer von ihnen ist der pensionierte nordelbische Bischof Ulrich Wilckens. Er hat nun seine Position weiter erläutert:

In der Tat habe ich mich in der Erstauflage von 1978 dagegen ausgesprochen, die scharf verurteilenden Sätze des Apostels Paulus in Röm 1,26f. »heute noch in dem Sinne zu übernehmen, daß Homosexualität ein sittlich verwerfbares Vergehen sei«. Es ist Ebach jedoch entgangen, dass ich diesen Satz in der 3. durchgesehenen Auflage von 1997 getilgt habe. Erst im Zusammenhang meines Bischofsdienstes 1981-1991 nämlich bin ich genötigt worden, nicht nur über die jüdische Herkunft dieses Urteils des Apostels, sondern vor allem zugleich über die theologische Begründetheit seines großen Gewichts im Zusammenhang biblischer Theologie im ganzen neu verantwortlich nachzudenken. Überhaupt hat mein verantwortlicher Dienst in der kirchlichen Praxis meine wissenschaftliche Exegese theologisch vertieft, wie es meine »Theologie des Neuen Testaments«, die ich danach in meinem Ruhestand erarbeitet habe, erweist. Ich wünschte Herrn Ebach in seinem Ruhestand eine entsprechend intensive Neubegegnung mit der Bibel als der Heiligen Schrift der Kirche – so würde ihm seine Art, über ernste Dinge so herablassend »spöttisch« zu denken und zu reden, ganz von selbst vergehen.

Hier sein Beitrag: www.evangelisch.de.

Acht evangelische Alt-Bischöfe attackieren die Homo-Ehe für Pfarrer

In der evangelischen Kirche ist ein Streit über die Homo-Ehe für Geistliche ausgebrochen. In einem beispiellosen Schritt haben sich acht evangelische Altbischöfe gegen einen Beschluss der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) gewandt, Pastoren künftig zu ermöglichen, mit gleichgeschlechtlichen Partnern im Pfarrhaus zu wohnen (siehe das neue Pfarrdienstgesetz der EKD hier). Homosexuelle Partnerschaften seien »widernatürlich und schöpfungswidrig«, heißt es in einem gemeinsamen Brief der Bischöfe, den die ZEIT-Beilage »Christ & Welt« heute veröffentlicht hat.

»Die Kirche muss homosexuellen Menschen raten, bindungslos zu bleiben«, erklärte der Sprecher der Reformgegner, Altbischof Ulrich Wilckens, gegenüber dem Blatt. Dazu müsse die Kirche stehen, »auch wenn die Gesellschaft Druck ausübt«. Die Bischöfe fordern von den 22 Mitgliedskirchen der EKD, Widerstand gegen die geplante Änderung des Pfarrergesetzes zu leisten und sich ausdrücklich gegen homosexuelle Partnerschaften von Geistlichen auszusprechen.

Der Beschluss war auf der EKD-Synode im vergangenen November einstimmig verabschiedet worden. Er muss aber noch von den Landeskirchen ratifiziert werden. An sie richtet sich der Brief der acht. Für die Bischöfe ist der Beschluss der EKD-Synode ein Zeichen, dass biblische Normen »leider auch in unserer Kirche vielfach nicht mehr ernst genommen werden, bis hinein in die Lebenspraxis mancher Pfarrer«. Eine Diskriminierung von Minderheiten können die Bischöfe in ihrer Position nicht erkennen. Ein Nein zur Lebensweise von Homosexuellen bedeute nicht, »dass diesen ihre Menschenwürde abgesprochen« werde. Die Bischöfe machen auch geltend, dass eine Öffnung für homosexuelle Partnerschaften die Beziehung zur katholischen Kirche und den orthodoxen Kirchen belaste.

Mit ihrem Vorstoß brechen die Bischöfe mit dem ungeschriebenen Gesetz, dass sich ehemalige leitende Geistliche nicht in die Entscheidungen ihrer Nachfolger einmischen. Zu den Unterzeichnern gehören der württembergische Altlandesbischof Gerhard Maier, sein Vorvorgänger Theo Sorg, der frühere Thüringer Bischof und Vorsitzende des Bundes der Evangelischen Kirchen in der DDR, Werner Leich, sowie der braunschweigische Altbischof Gerhard Müller.

Nachtrag vom 21.01.2011: DIE ZEIT hat inzwischen das PDF freigeschaltet: brief-altbischoefe.pdf.

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