Von allerlei Ängsten und steigenden Auflagen

Der linksliberale Zeitgeist mokiert sich über die Ängstlichen, die noch nicht den Status souveräner Weltoffenheit erreicht haben. Aber könnte es nicht sein, dass viele Menschen gar keine Angst haben, sondern nur andere politische Präferenzen? Der Philosoph Konrad Paul Liessmann analysiert eine verbreitete politische Phrase: „Die Ängste der Menschen ernst nehmen“. In der NZZ schreibt er:

Unterstellte Ängste sind ein Hinweis auf paternalistische Besorgnis. Wie Kindern, die sich vor Gespenstern fürchten, versprechen die politischen Vormünder, den Menschen die Ängste zu nehmen. Vielleicht sollte man weniger die Ängste der Menschen als vielmehr diese selbst ernst nehmen. Aber genau das erzeugt offenbar ganz andere Ängste. Denn dieselben besorgten Intellektuellen, die die Ängste der Menschen ernst nehmen wollen, bekennen gerne, dass ihnen die aktuellen autoritären Tendenzen und die zunehmende Fremdenfeindlichkeit wirklich Angst machen. Sind diese Ängste wirklich um so viel begründeter als die der anderen? Haben die Tapferen, die Angst vor den Ängstlichen haben, wirklich nur die Menschenrechte und die Demokratie im Auge? Geht es nicht auch ein klein wenig um den drohenden Verlust von Macht und Einfluss?

Dass es sich lohnt, näher bei den Menschen zu sein, zeigt eine neue Entwicklung in Frankreich. Seit Jahren schrumpft dort die Presse. Mit einer erfreulichen Ausnahme: Die Tageszeitungen legen zu. Ein Grund für die neue Lust an der Zeitung ist die handwerklich gute Arbeit der Journalisten. Sie interessieren sich mehr für die Menschen und legen Wert auf solide Information (FAZ vom 05.06.2018; Nr. 127, S. 13):

Im Zeitalter der Beliebigkeit, Vulgarität und der Fake News ist bei den Anzeigenkunden eine neue Wertschätzung für ein anspruchsvolles, verlässliches redaktionelles Umfeld zu beobachten. Aber auch die Leser setzen wieder mehr Vertrauen in die Tageszeitungen. Die Pressekrise hatte für ihr Selbstbewusstsein durchaus heilsame Folgen. Die Zeitungen treten heute weniger arrogant und ideologisch auf, es ist ein Genuss, täglich den „Figaro“, „Libé“ und den „Monde“ zu lesen. Und weil es im Kiosk gar nichts mehr kostet, eben auch „L’Equipe“ und „Le Parisien“. Es gibt eine neue Lust an der Zeitung. In der jährlichen Umfrage von „La Croix“ sprechen in diesem Jahr 52 Prozent der Franzosen der Gattung Tageszeitung als Informationsmedium ihr Vertrauen aus. Das ist noch immer wenig – aber vor einem Jahr waren es 44 Prozent. Leicht besser schneidet nur der Rundfunk ab. Generell werden die traditionellen Medien wieder als verlässlicher wahrgenommen.

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Ernst
6 Jahre zuvor

Und wenn die Fremdenfeindlichkeit durch gezielte Verbrechensberichte in unseren Medien ganz bewusst angestachelt wird, wer weiß?

Oder gibt es noch jemand, der glaubt, es existiere so etwas wie eine „objektive“ Berichterstattung? Ist nicht die öffentliche Meinung viel zu wichtig, als sie der Öffentlichkeit zu überlassen?

Die Zeiten, derlei Gedanken unter dem Verdikt des „VT-Frames“ zu subsumieren, sind hoffentlich ein für allemal vorbei.

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