Menschenrechte

Der »Frontal 21«-Beitrag »Sterben für Jesus«

Am 4. August wurde im ZDF bei »Frontal 21« ein Beitrag über die angeblich unverantwortliche Missionspraxis der Evangelikalen ausgestrahlt. Der Beitrag kann hier als Video eingesehen werden. Außerdem steht das Manuskript zur Sendung als PDF-Datei für eine Auswertung bereit.

Ein kritischer Kommentar zu »Sterben für Jesus« ist beim Medienmagazin pro zu finden. Der Deutschlandfunk (DLF) hat heute in »Tag für Tag« über den Vorfall und die Beschwerde der Arbeitsgemeinschaft Evangelikaler Missionen (AEM) berichtet. Die Sendung kann auf der Internetseite des DLF als Podcast herunter geladen werden.

Es bleiben für mich viele Fragen:

  • In dem Beitrag werden Christen und islamistischen Terroristen auf eine Stufe gestellt: »Bereit sein, für Gott zu sterben: Das klingt vertraut – bei islamischen Fundamentalisten. Doch auch für radikale Christen scheint das zu gelten.« Das ist wirklich ein Griff in die rhetorische Trickkiste. Islamisten wollen ihre politischen Machtansprüche mit Gewalt durchsetzen und sind dafür bereit, ihr Leben zu opfern. Das ist etwas völlig anderes als eine friedliche und unpolitische Missionspraxis. Steht ein lebensvernichtender Selbstmordattentat auf einer Stufe mit dem lebenserhaltenden Pflegedienst im Krankenhaus?
  • In dem Beitrag wird der Eindruck vermittelt (trotz oder gerade wegen der Einblendung »Kursteilnehmer«), Bibelschüler aus Brake hätten gesagt, sie seien bereit, für die Mission ihr Leben zu geben. Bei den Interviewten handelte es sich allerdings nicht um Bibelschüler, sondern überwiegend um Teenager, die als Gäste die Ausbildungsstätte besucht hatten.
  • Die Redaktion von »Frontal 21« behauptet nachhaltig, es sei völlig normal, eine Veranstaltung der AEM von als Studenten getarnten Journalisten besuchen zu lassen. Das Drehen mit verdeckter Kamera sei in diesem Fall ein »legitimes und legales Mittel«, heißt es. Aber was ist mit dem Schutz des nicht öffentlich gesprochenen Wortes? Im § 201 des Strafgesetzbuches steht: »Mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe wird bestraft, wer 1. unbefugt das nichtöffentlich gesprochene Wort eines anderen auf einen Tonträger aufnimmt oder 2. eine so hergestellte Aufnahme gebraucht oder einem Dritten zugänglich macht.« In § 201a können wir lesen: »(1) Wer von einer anderen Person, die sich in einer Wohnung oder einem gegen Einblick besonders geschützten Raum befindet, unbefugt Bildaufnahmen herstellt oder überträgt und dadurch deren höchstpersönlichen Lebensbereich verletzt …«. Sich hier im Sinne einer Pflichtenabwägung auf ein überragendes öffentliches Interesse zu berufen, scheint mir abwegig.
  • Das Hauptargument: Lasse alles, was gefährlich ist, klingt wenig überzeugend. (Wie kann man so etwas denken und beispielsweise gleichzeitig den Widerstand von Mahatma Gandhi gegen das Kastensystem gutheißen?)
  • Der tatsächliche Skandal, dass nämlich in vielen Ländern den Menschen das Recht auf Mission und einen Glaubenswechsel verweigert wird, kommt im Beitrag überhaupt nicht zur Sprache.

Die einseitigen und oft desinformierenden oder diffamierende Berichterstattungen über die Evangelikalen nehmen zu. Als indirekt Mitbetroffener (auch wenn ich kein klassicher Evangelikaler bin) und, wenn man so will, ›Kenner‹ der Szene, kann man über das Ethos der Journalisten nur staunen. Wie schlecht es um die Qualität des Journalismus allgemein bestellt ist, lässt sich leicht erahnen, wenn man davon ausgeht, dass wahrscheinlich in anderen Bereichen genau so ›vorurteilsfrei‹ und sensationslüstern gearbeitet wird.

Übrigens prognostiziere ich, dass es heute Abend gleich weitergeht. Der DLF strahlt um 19:15 Uhr ein Dossier mit dem vielsagenden Titel: »Fossiles Denken als Gottesbeweis – Die Allianz christlicher und muslimischer Kreationisten« aus.

Viele Länder unterdrücken christliche Minderheiten

4_0Obwohl das Recht auf Religionsfreiheit seit Jahrzehnten als Menschenrecht international anerkannt ist, wird es in der Praxis leider in zahlreichen Regionen der Erde auf vielfache Weise missachtet. Heimo Schwilk hat für DIE WELT einen Beitrag über die neue Dokumentation Religionsfreiheit weltweit – Bericht 2008 von der Organisation »Kirche in Not« verfasst. Er schreibt:

Während in Deutschland Advent gefeiert wird, werden Christen fast überall dort, wo sie Minderheit sind, verfolgt. Sie werden an der freien Religionsausübung gehindert, ihnen werden Berufe verwehrt. Streng islamische Staaten drohen praktizierenden Christen mit der Todesstrafe.

Hier der vollständige Artikel: www.welt.de.

Zur Situation der Christen in Zimbabwe

Josef Jäger, ein Kollege aus dem Arbeitskreis für Religionsfreiheit und Menschenrechte der Evangelischen Allianz, hat freundlicherweise folgenden Bericht der Weltweiten Evangelischen Allianz über die Situation der Christen in Zimbabwe übersetzt.

Zimbabwe: »Wir werden verfolgt«

»Religionsfreiheit« nur für Angehörige der Staatsreligion ist keine Religionsfreiheit. »Religionsfreiheit«, die keinen Religionswechsel erlaubt, ist keine Religionsfreiheit. Genau so wenig ist eine »Religionsfreiheit«, die von der politischen Loyalität zu einer bestimmten Partei abhängig gemacht wird, echte Religionsfreiheit.

Was 2001 als Einmischung der Regierung in die Angelegenheiten der anglikanischen Kirche in Zimbabwe begonnen hat, hat sich zu schwerwiegenden Verstößen gegen die Religionsfreiheit entwickelt, die so weit gehen, dass sich »Dissidenten« unter den Anglikanern, und das sind die meisten der Anglikaner in der Hauptstadt Harare, nur noch unter Lebensgefahr versammeln können. Und es spricht nichts dafür, dass die Unterdrückung und Verfolgung bei den Anglikanern von Harare ein Ende hat. Auch die katholische Kirche und verschiedene protestantische Organisationen, die sich für Gerechtigkeit einsetzen, haben den Hass des Regimes bereits zu spüren bekommen.

In Harare wurden tausende Anglikaner aus den Kirchen ausgesperrt? Warum? Weil die anglikanische Kirche den Mut und die Integrität hatte, sich dem von Mugabe eingesetzten korrupten Bischof Dr. Nolbert Kunonga zu widersetzen. 2001 hatte die Geheimpolizei die Bischofswahl zugunsten von Kunonga beeinflusst. Kunonga hatte in den USA Theologie der Befreiung am „Unification Seminary“ der Vereinigungskirche von Rev. Sun Myung Moon in Barrytown im Bundesstaat New York gelehrt. Sein aussichtsreicher Gegenkandidat Tim Neill hatte sich beim Regime unbeliebt gemacht, da er dessen Menschenrechtsverletzungen anprangerte. Ein Beispiel für die Einschüchterung dieses an der Universität Oxford ausgebildeten Theologen: er erhielt einen Brief einer Regierungsstelle, in dem er gewarnt wurde, er würde sich um einen »Reisepass in die Hölle« bewerben. Kunonga begann nach seiner Ernennung zum Bischof, die Diözese in einen religiösen Arm der Regierungspartei ZANU-PF umzuwandeln. Er vertrieb die weißen Priester und »säuberte« die Priesterschaft von allen, die nicht als regimetreu galten. Das führte dazu, dass die Hälfte der afrikanischen Priester ins Ausland flohen. Um die verwaisten Kanzeln zu besetzen, begann er Personen ohne theologische Ausbildung zu Priestern zu ordinieren, darunter auch Mitglieder der Geheimpolizei. 2003 wurde der Fall von Bischof Kunonga vor ein Kirchengericht gebracht, und zwar wegen mehrerer Annklagepunkte von Häresie und Betrug bis zur Anstiftung zum Mord an zehn Priestern, die seiner Linie nicht folgen wollten. Das Verfahren vor dem Kirchengericht konnte nicht abgeschlossen werden, da die im Ausland befindlichen Zeugen aus Furcht um ihr Leben nicht nach Zimbabwe zurückkehren wollten, um auszusagen. Doch Kunonga hatte seinen Einfluss bereits verloren. Zuletzt versuchte er, die Diözese Harare von der Kirchenprovinz Zentralafrika – einer Gruppe von Diözesen in Botswana, Malawi, Sambia und Zimbabwe – herauszulösen, um seine Position zu erhalten. Gläubige und Priester wandten sich von ihm ab. Der politisch motivierte Spaltungsversuch scheiterte.

Daraufhin setzte die anglikanische Kirche der Kirchenprovinz Zentralafrika Kunonga wegen des Versuchs der Kirchenspaltung als Bischof von Harare ab. Dr. Sebastian Bakare, der 66-jährige ehemalige Bischof von Manicaland (Region an der Grenze zu Mozambique) wurde aus dem Ruhestand geholt, um Kunongas Position als Bischof von Harare zu übernehmen. Kunonga focht die Entscheidung vor einem weltlichen Gericht (Harare High Court) an. Dieses gestand der anglikanischen Kirche jedoch das Recht zu, ihre eigenen Angelegenheiten selbst zu regeln, bestimmte aber, dass die beiden die Kathedrale teilen sollten. Kunonga widersetzte sich und verbarrikadierte sich mit etwa 40 Jugendmilizionären der ZANU-PF in der Kathedrale. Anfang Mai wies der Oberste Gerichtshof die Berufung Kunongas ab. Bei aller Gesetzlosigkeit und dem bedrohlichen Klima im Land ist dies eine mutige Entscheidung der Höchstrichter, die damit bereit sind, sich auch dem Zorn Mugabes auszusetzen.

Kunonga wurde inzwischen von der Kirchenprovinz Zentralafrika der Anglikanischen Kirche exkommuniziert.

Explodierende Gewalt

Seither ist es zu einer Explosion staatlich angezettelter Gewalt gegen die Anglikaner von Harare gekommen. Mugabes Polizei hat alle Kirchen und kirchlichen Grundstücke beschlagnahmt und »Dissidenten« unter den Anglikanern zu Verrätern gestempelt. In einer Schilderung eines Übergriffs am 16. Mai (Bericht New York Times) heißt es: »Die Gläubigen standen aufgereiht zur Heiligen Kommunion, als die Polizei die große St. Franziskuskirche in Harare, der Hauptstadt Zimbabwes, stürmte. Helm tragende Polizisten mit schwarzen Stiefeln schlugen mit ihren Schlagstöcken gegen die Kirchenbänke, während verängstigte Gottesdienstbesucher zu den Toren drängten. Ein Polizist schwang seinen Schlagstock in gefährlichen Bögen und traf alte Frauen, ein Mädchen und eine Großmutter, die gerade ihre Bibel aufheben wollte. Eine einzelne Frau begann aus einem Kirchenlied in der Shone Sprache zu singen: ›Wir werden Gott anbeten, egal welche Prüfungen uns begegnen!‹ Hunderte Frauen stimmten ein.«

In der St. Paulskirche in Highfield, einem Außenbezirk von Harare, weigerten sich die Gläubigen, zu gehen und sangen weiter »Gloria in Excelsis De«, als am 4. Mai ungefähr ein Dutzend Polizisten in die Kirche eindrangen. Der Kommandant funkte nach Verstärkung. Etwa 50 Polizisten vertrieben dann einige hundert Gläubige durch Lärm, indem sie mit ihren Schlagstöcken gegen die Kirchenbänke schlugen. Einige Gläubige photographierten die Polizisten mit ihren Handys. Nachdem die Polizei auf einige Gottesdienstbesucher eingeschlagen hatte, wurde ihnen gesagt: »Geht nach Hause, ihr habt hier nichts zu suchen«.

Bischof Bakare erklärte: »Als Theologe, der viel über die Verfolgung der ersten Christen gelesen hat, fühle ich mich wirklich verbunden mit ihrer Geschichte. Wir werden verfolgt.«

Bischof M. Thomas Shaw von der Episkopalkirche aus Massachusetts hat kürzlich Zimbabwe besucht. Auch er berichtet über Kirchenschließungen, Verhaftungen, konfiszierte Konten und Fahrzeuge der anglikanischen Kirche. Die Einheimischen berichteten ihm über Polizeigewalt, Schläge, Einkerkerung und Einschüchterung durch Polizeihunde als alltägliche Elemente im Leben der Anglikaner von Harare. Bischof Shaw erlebte einen Gottesdienst am 18. Mai, den die Polizei aufzulösen versuchte. Die Menschen weigerten sich zu gehen, obwohl die Atmosphäre sehr bedrohlich war. Sie blieben, beteten und sangen mehr als 2 Stunden lang, während die Polizei sie bedrohte und gegen die Bankreihen schlug. Es waren auch Polizeihunde vor Ort. Weiter berichtet er: »Am Sonntag ging ich in dieses arme Stadtviertel. Es waren ungefähr 400 Menschen zum Gottesdienst in einem Hof eines Privathauses versammelt. Die Reihen reichten bis auf die Straße. Es war ein unglaubliches Erlebnis. Die Freude und Begeisterung dieser Leute ist wirklich tief gehend.«

Weiter kompliziert wird die Situation der Christen durch ein seit Mitte Mai in Kraft befindliches Verbot von öffentlichen Versammlungen, darunter auch Gebetsversammlungen. Dies betrifft alle Konfessionen. Pastor Useni Sibanda von der Vereinigung der Kirchen von Bulawayo, erklärte gegenüber dem ökumenischen Nachrichtendienst Ecumenical News International: »Letzte Woche haben sie uns gesagt, dass die Kirchen keine Gebetsversammlungen im Freien mehr abhalten dürfen, außer auf dem Kirchengelände. Das ist schwer einzuhalten, wenn wir aus unseren Kirchen ausgesperrt sind.«

In den letzten Wochen hat die Polizei Razzien in Büros von Menschenrechtsorganisationen und christlichen Organisationen durchgeführt, darunter auch bei der christlichen Allianz Zimbabwes, der christlichen Studentenbewegung von Zimbabwe und der ökumenischen Organisation Ecumenical Support Services. Dabei wurden einige Personen festgenommen. Doch der Generalstaatsanwalt weigerte sich, die Verhafteten anzuklagen. So wurden sie wieder freigelassen.

Die Kirche im Schatten des Kreuzes

Anfang Juni haben die anglikanischen Bischöfe der Provinz Zentralafrika eine Pastoralbotschaft veröffentlicht, in der sie ihre tiefe Sorge und Bestürzung über die Eskalation der Gewalt zum Ausdruck bringen und die Gewalttäter aufrufen, das Gesetz zu respektieren.

Schmerzliche Niederlagen für den Lebensschutz

Die 1984 gegründete Juristen-Vereinigung Lebensrecht e. V. (JVL) hat ihren Sitz in Köln und tritt für den wirksamen Schutz des menschlichen Lebens in all seinen Phasen ein. Nachfolgend gebe ich das Eingangsreferat wieder, das der Vorsitzende Bernward Büchner am 2. Mai 2008 anlässlich eines Symposiums zum Lebensschutz gehalten hat. Richter a. D. Büchner diagnostiziert sehr scharf, wie durch eine schleichende sprachliche Neubesetzung der Lebensrechtsthemen die Gesellschaft auf einen Bewusstseinswandel vorbereitet wird.

In den letzten Wochen mussten wir zwei schmerzliche Niederlagen für den Lebensschutz in Deutschland und Europa erleben: die Entscheidung des Bundestags vom 11. April, den im Stammzellgesetz festgelegten Stichtag für den möglichen Import menschlicher embryonaler Stammzellen um 5 Jahre hinauszuschieben, und wenige Tage später dann die Resolution der Parlamentarischen Versammlung des Europarats in Straßburg vom 16. April zum angeblichen »Recht auf Abtreibung«.

Dem Stammzell-Beschluss des Bundestags ist eine lebhafte und intensive öffentliche Debatte vorausgegangen, an der sich die Lebensrechtsorganisationen rege beteiligt haben, insbesondere der Bundesverband Lebensrecht, dessen Vorsitzende, Frau Dr. Claudia Kaminski, ich bereits begrüßen konnte. Auf Initiative des BVL fand in Berlin ein Hearing statt und wurde mit dem Internet-Portal www.deine-stammzellen-heilen.de eine Kampagne gestartet, mit der eine hervorragende Information geleistet wurde und in deren Rahmen sich eine große Zahl namhafter und sachverständiger Persönlichkeiten zu Wort gemeldet haben. Bei einer vom BVL in Auftrag gegebenen, repräsentativen Meinungsumfrage von Infratest haben sich etwa zwei Drittel der Befragten gegen eine Verwendung menschlicher embryonaler Stammzellen zu Forschungszwecken und für die Forschung und Therapie mit adulten Stammzellen ausgesprochen. Eine ganz große Mehrheit der Bevölkerung Deutschlands will also nicht, was der Bundestag beschlossen hat.

Auch unsere Vereinigung hat sich in der Stammzell-Debatte wiederholt zu Wort gemeldet. Dabei haben wir insbesondere betont, dass es verwerflich ist, sich die Früchte einer Unrechtshandlung selbst für Heilungszwecke zunutze zu machen, und dass bereits die – wenn auch eingeschränkte – gesetzliche Erlaubnis des Imports menschlicher embryonaler Stammzellen, die nur durch Tötung von Embryonen gewonnen werden können, gegen die Pflicht zur Achtung der Menschenwürde verstößt. Insbesondere Herr Professor Hillgruber, stellvertretender Vorsitzender unserer Vereinigung, hat diesen Standpunkt in der NJW, in der FAZ und bei einer Anhörung des Bundestages dezidiert vertreten. Von dieser Grundposition ausgehend haben wir ein Import- und Forschungsverbot für embryonale Stammzellen gefordert.

Die beschlossene Verschiebung des Stichtags ist angesichts der Fülle und des Gewichts der Gegenargumente unverständlich und zumindest, was die Höhe des Abstimmungsergebnisses betrifft, nicht zu erwarten gewesen. Insbesondere die CDU/CSU-Fraktion bot dabei ein Bild der Zerrissenheit. Nur 89 Unionsabgeordnete votierten für ein Forschungsverbot, 102 für die Verschiebung des Stichtags, nur 113 dagegen und 31 Fraktionsmitglieder stimmten sogar für die völlige Streichung des Stichtags.

Eine besonders unrühmliche Rolle spielte die Forschungsministerin Schavan. Es lohnt sich, noch einmal nachzulesen, wie sie ihren forschungsfreundlichen Standpunkt in der abschließenden Parlaments-Debatte begründet hat. Die embryonalen Stammzelllinien, sagte sie, würden aus solchen Embryonen gewonnen, »bei denen die Entscheidung bereits getroffen wurde, sie nicht für eine Schwangerschaft einzusetzen, also solche, denen die Voraussetzung zum Leben bereits genommen ist«. In derselben Rede erklärte Frau Schavan, das Embryonenschutzgesetz stehe nicht zur Diskussion. Es sei unbestritten. Das sei der umfassendste Schutz der Embryonen. Dabei bleibe es. Damit täuscht sie darüber hinweg, dass ihre zuvor wiedergegebene Argumentation einem Rückfall hinter den Erkenntnisstand gleichkommt, der dem Embryonenschutzgesetz zugrunde liegt. Danach darf es menschliche Embryonen, die künstlich für einen anderen Zweck erzeugt wurden als die Einführung in die Gebärmutter zur Herbeiführung einer Schwangerschaft während eines Zyklus’, also die so genannten überzähligen Embryonen, von denen Frau Schavan sprach, gar nicht geben. Eine Forschungsministerin, die derart schillernd argumentiert, verdient nicht das Vertrauen, dass bei ihr der Embryonenschutz in guten Händen ist. Sie wird immer Wege finden, um der Forschung auch künftig einen »Korridor« auf Kosten dieses Schutzes offen zu halten. Auch dafür wird dann wieder das eigene Gewissen bemüht werden. Die inflationäre Berufung auf das Gewissen vermag die vernunftgeleitete Argumentation jedoch nicht zu ersetzen, wie Professor Sala kürzlich in einem Leserbrief zu Recht bemerkte.

Eine nicht geringere Katastrophe als der Stammzell-Beschluss des Bundestags ist die bereits erwähnte, gegen die Stimmen der Abgeordneten der EVP verabschiedete Resolution der Parlamentarischen Versammlung des Europarats. Diese Resolution behauptet ein »Recht auf sicheren und legalen Zugang zur Abtreibung« und soll Mitgliedsstaaten dazu anhalten, die Abtreibung vollends zu legalisieren. Die Tötung Ungeborener wird dabei als selbstverständliche ärztliche Dienstleistung verstanden, zu der Ärzte verpflichtet sein sollen. Die dabei angewandte Taktik ist von internationalen Konferenzen längst bekannt. Nun ist wohl erstmals in einem parlamentarischen Dokument von einem »Recht auf Abtreibung« die Rede.

Vermutlich haben bisher nicht alle Anwesenden von dieser Resolution erfahren. Denn in den Medien war von ihr kaum die Rede. Und Kritik an ihr war meines Wissens nur seitens der katholischen Kirche und aus unseren Reihen zu vernehmen. Warum dieses verbreitete Schweigen? Ist der Bewusstseinswandel inzwischen bereits so weit voran geschritten, dass die Behauptung eines »Rechts auf Abtreibung« kaum noch Anstoß erregt oder gar als selbstverständlich empfunden wird? Dabei versteht es sich doch eigentlich von selbst, dass es im Einklang mit dem Menschenrecht auf Leben ein Recht auf Abtreibung, d. h. ein Recht zum Töten, nicht geben kann. Wie es im Urteil des Bundesverfassungsgerichts von 1993 ausdrücklich heißt, ist es nicht möglich, ein Recht zum Schwangerschaftsabbruch einzuräumen, »weil Schwangerschaftsabbruch immer Tötung ungeborenen Lebens ist«. Sicher ist eine Abtreibung insofern, als sie für das ungeborene Kind den sicheren Tod bedeutet. Von einer für die Frau sicheren Abtreibung kann nur sprechen, wer ihre häufigen physischen und psychischen Folgen ausblendet.

In der Debatte über die Änderung des Stammzellgesetzes ist von einer »ethischen Wanderdüne« die Rede gewesen. Eine solche Wanderdüne ist auch bezüglich der Abtreibung zu beobachten. Der so genannte gesellschaftliche Kompromiss fand in der Formel »straffrei, aber rechtswidrig« seinen Ausdruck. Inzwischen ist die Rechtswidrigkeit einer Abtreibung nahezu in Vergessenheit geraten. Wie sollte es auch anders sein angesichts des Angebots des tötenden Eingriffs in einem flächendeckenden Netz von Einrichtungen als Staatsaufgabe und seiner nahezu ausnahmslosen Finanzierung aus den Länderhaushalten? Das nächste Ziel auf dem Weg der Wanderdüne ist die Verfestigung des Bewusstseins von der Abtreibung als Recht. Nicht die Behauptung eines solchen Rechts wird kritisch hinterfragt. Vielmehr muss sich rechtfertigen, wer es bestreitet. Den Veranstaltern des Christivals in Bremen z. B. wird in der jüngsten Ausgabe des »Spiegel« vorgeworfen, sie machten mobil auch »gegen das Recht auf Abtreibung« [Anmerkung R. K.: Der Spiegel 18/2008, S. 38].

Wenn die Leben schützende Wirkung des gesetzlichen »Beratungskonzepts« ganz wesentlich auch eine Frage des Bewusstseins ist, wie die Karlsruher Richter meinten, müssten sich alle an einem wirksamen Lebensschutz Interessierten längst Gedanken darüber gemacht haben, wie es zu diesem negativen Bewusstseinswandel kommen konnte und wie ihm zu begegnen wäre. Wo – bitte sehr – wird diese Frage gestellt? Und wo sind die Verfechter des gesetzlichen Konzepts, die heute noch bereit sind, dessen Grundbedingungen in Erinnerung zu rufen?

Zeichen eines neuen Nachdenkens gibt es dennoch, besonders in der jungen Generation, auch innerhalb der Kirchen, wie kürzlich eine Erklärung des Diözesanrats der Katholiken der Erzdiözese München und Freising zur Abtreibungsmentalität und -praxis mit dem Titel »Zeit zum Umdenken«. Dieses Nachdenken zu wecken und zu fördern, ist eine bleibende Aufgabe für uns. Das unablässige und geduldige Arbeiten an dieser Aufgabe, wird uns so bald keine spektakulären Erfolge bescheren. Doch auf Dauer wird es nicht vergeblich sein.

Wiedergabe des Beitrags mit freundlicher Genehmigung von VRiaVG a. D. Bernward Büchner, Vorsitzender der JVL.

Iranische Regierung will Todesstrafe für Apostaten

Als alarmierenden Verstoß gegen die Menschenrechte und die Religionsfreiheit bezeichnet die Islamwissenschaftlerin Prof. Dr. Christine Schirrmacher vom Institut für Islamfragen das geplante iranische Gesetz zur Festlegung der Todesstrafe für muslimische Apostaten. Da bisher eine gesetzliche Festlegung dieser Strafe fehlte, konnten die Richter auch entsprechend lange Gefängnis- oder harte Arbeitsstrafen verhängen. Da sich der Gesetzesentwurf nach Artikel 112 auf alle Aktionen gegen die innere und äußere Sicherheit des Landes bezieht, wären künftig auch iranische Christen, die aus Deutschland oder anderen Ländern abgeschoben würden, von einer Verurteilung bedroht und in Lebensgefahr. Nachdem der Gesetzesentwurf bereits im Januar vom Kabinett genehmigt wurde, steht die erwartete Zustimmung des Parlaments noch aus. Das Gesetz würde neben Konvertiten zum Christentum auch liberale Denker und Mitglieder der religiösen Minderheit der Baha’i betreffen.

Die vollständige Pressemitteilung gibt es hier: PM0034.pdf.

The Big Clash

Es gibt mutige Menschen. Wafa Sultan, eine syrisch-amerikanische Psychologin, gehört zu diesen bewundernswerten Persönlichkeiten, die ihre privaten Bequemlichkeiten zurückstellen, um den Probleme dieser Welt offen ins Auge zu schauen. Sehen Sie selbst, was diese Säkularistin im Jahre 2006 in einer Sendung des arabischen Sender Al Jereeza über Huntingtons These vom »Kampf der Kulturen« gesagt hat: www.memri.org. Frau Sultan steht inzwischen unter Polizeischutz.

Jahrbuch zur Christenverfolgung »Märtyrer 2007« erschienen

Von den weltweit rund 2,1 Milliarden Christen leiden ca. 200 Millionen wegen ihres Glaubens unter Diskriminierungen, schwerwiegenden Benachteiligungen und zum Teil heftigen Anfeindungen bis hin zu Verfolgung. Informationen dazu liefert das neue Jahrbuch zur Christenverfolgung, das von den Herausgebern, der Deutschen Evangelischen Allianz (DEA) und der Internationalen Gesellschaft für Menschenrechte (IGFM), bei einer Presskonferenz am 10. Oktober in Bonn vorgestellt worden ist.

Im vergangenen Jahr ist die Lage der meisten betroffenen Christen gleichbleibend angespannt geblieben oder hat sich sogar noch weiter verschlechtert. Vor allem im Irak hat sich die Situation dramatisch zugespitzt. Drei Viertel der christlichen Iraker haben wegen gezielter Einschüchterungen, Übergriffen und Entführungen ihre Heimat verlassen. Auch in Indien und Pakistan ist die Zahl der Drohungen und Gewalttaten durch nichtstaatliche Extremisten weiter gestiegen. Völlig neu sind in Pakistan Drohungen gegen Christen, entweder zum Islam überzutreten oder vertrieben zu werden.

Informationslage hat sich verbessert

Bei der Vorstellung des Jahrbuches in Bonn erläuterte Prof. Dr. mult. Thomas Schirrmacher, Vorstandsmitglied der IGFM und Geschäftsführer des Arbeitskreises Menschenrechte der Deutschen Evangelischen Allianz:

Es ist erfreulich, dass es wie bei anderen Menschenrechtsverletzungen immer selbstverständlicher wird, Verletzungen der Religionsfreiheit und Verfolgung aus religiösen Gründen zu dokumentieren und anzuprangern und Medien und Politik das Thema nicht mehr verschämt verschweigen.

Dass der Weg von der Dokumentation von Verbrechen bis zu ihrer Überwindung noch lang ist, betonte IGFM Mitarbeiter Max Klingberg:

Es ist erschreckend, wie sehr sich unsere Gesellschaft an die alltägliche Entrechtung christlicher Minderheiten gewöhnt hat. Nimmt man internationale Rechtsstandards als Maßstab, so ist die Lage von Millionen von Christen haarsträubend und zum Teil auch eine einzige Katastrophe. Im beschaulichen Mitteleuropa braucht es ein gehöriges Maß an Vorstellungskraft, um sich auch nur annähernd in die tägliche Lebenswirklichkeit von Millionen anderer Christen hinein zu denken.

Religiös und politisch motivierte Verfolgung von Christen

Dabei ist die Liste der Staaten, in denen Christen diskriminiert, ja zum Teil heftig diskriminiert oder verfolgt werden, bedrückend lang. Dazu zählen neben Indien, in dem extremistische Hinduisten für eine Vielzahl von Gewaltverbrechen an Christen verantwortlich sind, vor allem die verbliebenen Einparteiendiktaturen sozialistischer Prägung und auch das neomarxistische Regime in Eritrea. Bei der Mehrheit der Länder, in denen Christen um ihres Glaubens willen leiden, handelt es sich allerdings um islamisch geprägte Staaten. Darunter sind mitnichten nur die ärmsten Entwicklungsländer, sondern auch wohlhabende Golfstaaten und Urlaubs-»Paradiese« wie Ägypten.

Zum Inhalt des Jahrbuches

Das Jahrbuch dokumentiert unter anderem den Beschluss des Bundestages, der die Bundesregierung auffordert, sich weltweit gegen Christenverfolgung und Verfolgung anderer Religionen einzusetzen, so wie die Rede der menschenrechtspolitischen Sprecherin der Unionsfraktion Erika Steinbach in der dazugehörenden Bundestagsdebatte. Fachleute, wie Dr. Tessa Hofmann vom Osteuropa-Institut der Freien Universität Berlin, liefern geschichtliche und aktuelle Länderberichte zu Indonesien und der Türkei. Thomas Schirrmacher legt seinen Vortrag zugunsten eines Ethik-Codes der Weltweiten Evangelischen Allianz gemeinsam mit Vatikan und Weltkirchenrat vor. Die Gesellschaft für bedrohte Völker warnt vor dem Ende der christlichen Minderheit im Irak. Open Doors dokumentiert die Lage weltweit sowie Übergriffe gegen Christen in Indien. Dazu gibt es weitere Dokumente und Informationen, so eine Darstellung des wegweisenden Asyl-Urteils des Verwaltungsgerichts Stuttgart zugunsten einer zum Christentum konvertierten Iranerin und Hintergrundinformationen zur Ermordung von drei Christen in Malatya (Türkei).

Literaturangaben

Studien zur Religionsfreiheit / Studies in Religious Freedom – ISSN 1618-7865, Bd. 12
Max Klingberg, Thomas Schirrmacher, Ron Kubsch (Hg.): Märtyrer 2007 – Das Jahrbuch zur Christenverfolgung heute, zugleich idea-Dokumentation 10/2007, 234 S. Pb. 9,90 €, ISBN 978-3-938116-35-7.

Menschenrechtslage in China weiterhin bedrohlich

 

Chinesische FlaggeDie Menschenrechtslage ist in China vor Beginn der Olympischen Spiele 2008 nach wie vor dramatisch. Vor sechs Jahren, am 13. Juli 2006, beschloss das IOC die Vergabe der Olympischen Spiele 2008 an Peking. Nachfolgend erklärte das IOC, es werde die Menschenrechtslage in China beobachten und die Beachtung fundamentaler Rechte fordern. Doch nach Auffassung der Internationalen Gesellschaft für Menschenrechte (IGFM) hat sich bis heute nichts an der Situation geändert. Ein Beispiel für die anhaltende Verletzung von Menschenrechten durch chinesische Behörden ist der inhaftierte blinde Menschenrechtsaktivist Chen Guangcheng. Er wurde am 16. Juni auf Anweisung von Gefängniswärtern von Mitinsassen misshandelt. Deswegen und weil ihm anschließend eine medizinische Versorgung verwehrt wurde, trat er aus Protest in Hungerstreik.

Chen Guangcheng leitete eine Kampagne gegen die Zwangsabtreibung und Zwangssterilisation in der chinesischen Stadt Linyi, die im Süden der Provinz Shandong liegt. Die Kommunalbehörden zwingen Frauen, sich sterilisieren zu lassen, damit die staatlich verordneten Quoten der Familienplanung eingehalten werden.

Von September 2005 an wurde der blinde Menschenrechtler wegen angeblich »vorsätzlicher Zerstörung von Kollektiveigentum und der Behinderung des Straßenverkehrs« zunächst für zehn Monate unter Hausarrest gestellt und später zu vier Jahren und drei Monaten Haft verurteilt. Seine Berufungsklage hatte zunächst Erfolg und das Verfahren musste aufgrund mangelnder Beweise wiederholt werden. In dem darauf folgenden Verfahren wurde er jedoch wegen derselben Vorwürfe am 12. Januar 2007 zu exakt derselben Haftstrafe verurteilt.

Nach den Übergriffen wurde Chen Guangcheng mitgeteilt, dass er wegen »ungehorsamen Verhaltens« – er beharrt darauf, Rechtsmittel beim Oberen Provinzgericht einzulegen – bestraft wurde. Guangcheng, der in früher Kindheit erblindete, ist beim Verfassen des Antrags auf Hilfe seines Anwalts oder seiner Frau angewiesen. Besuch wird ihm jedoch nur einmal im Monat für maximal 30 Minuten gewährt. Dadurch ist es ihm unmöglich, Einwände gegen seine Haftstrafe zu Papier zu bringen.

Obwohl er sich seit Jahren intensiv mit Rechtshilfe beschäftigt, besitzt Chen Guangcheng keinen akademischen Abschluss, da ihm in China aufgrund seiner Blindheit das Erlangen eines Universitätsabschlusses verboten wurde. Daher war es ihm lediglich nur möglich, sich sein Wissen autodidaktisch anzueignen.

Ungeachtet der Zusagen der chinesischen Regierung, die Menschenrechtslage vor Beginn der Olympischen Spiele zu verbessern, stehen Misshandlung, Folter und Drangsalierung von Menschenrechtlern und Rechtsanwälten auf der Tagesordnung. Regelmäßig werden Betroffene in unfairen Prozessen zu Freiheitsstrafen verurteilt.

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