Bibelwissenschaft

Das tausendjährige Reich

Unter Eschatologie versteht man den Bereich der christlichen Theologie, der sich mit dem Studium der letzten Dinge befasst. Es geht um die zukünftige Wiederkunft Christi, die Auferstehung, die Entrückung, das Endgericht und die ewige Seligkeit der Erlösten mit Christus sowie die ewige Strafe der Verdammten ohne Christus. Bekanntlich gibt es zu diesen Themen ein beträchtliches Meinungssprektrum. In dem Artikel „Ansichten zum Tausendjährigen Reich“ stellt Alan S. Bandy verschiedene Sichtweisen zum „Millennium“ vor:

Die verschiedenen Eschatologien, die im Laufe der Geschichte von Theologen vertreten wurden, lassen sich in drei allgemeine Systeme einteilen: Amillennialismus, Postmillennialismus und Prämillennialismus. Die Bezeichnungen unterscheiden sich jeweils durch eine Vorsilbe, die dem Begriff „Millennium“ vorangestellt ist, der sich aus den beiden lateinischen Begriffen mille (tausend) und annus (Jahr) zusammensetzt.1 Diese Fachbezeichnungen sind deshalb entstanden, weil im Laufe der Zeit jede der drei Sichtweisen durch ihre Auslegung von Offenbarung 20,1–10 bekannt wurde, insbesondere was die Frage des Zeitpunkts der Wiederkunft Christi in Bezug auf den dort erwähnten Zeitraum von 1.000 Jahren betrifft. Daher erwarten Amillennialisten kein Millennium (die Vorsilbe A- bedeutet „kein“); Postmillennialisten glauben, dass Christus nach dem Millennium wiederkommt (die Vorsilbe Post- bedeutet „nach“); und Prämillennialisten glauben, dass Christus vor dem Millennium wiederkommt (die Vorsilbe Prä- bedeutet „vor“).

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Das Alte Testament vom Glaubensbekenntnis her verstehen

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An das Buch Das Alte Testament vom Glaubensbekenntnis her verstehen von Benjamin Kilchör erinnere ich mich gern. Eine Rezension ist bei Evangelium21 erschienen. Ein Auszug:  

Das Apostolische Glaubensbekenntnis in der uns vorliegenden Form entstand wahrscheinlich im 5. Jahrhundert. Es ist nicht apostolisch in dem Sinne, dass es von jenen Jüngern formuliert wurde, die Jesus noch selbst gesehen haben (vgl. 1Kor 9,1). Als apostolisch gilt es, weil es nach Überzeugung der Alten Kirche die Botschaft der Apostel verdichtet in einem trinitarischen Bekenntnis zusammenfasst. Auch die Reformatoren erkannten es im 16. Jahrhundert zusammen mit dem nicaenischen und athanasischen Bekenntnis als für den christlichen Glauben grundlegend an. In meinem Regal stehen ein paar Bücher, die sich mit der Auslegung des Apostolischen Glaubensbekenntnisses befassen. Die meisten dieser Werke sind darum bemüht, das alte Bekenntnis aus der Perspektive zeitgenössischer Theologie heraus zu interpretieren. Demnach enthalte das Apostolikum nach wie vor ein „unverzichtbares Grundmuster unseres christlichen Glaubens“ (so etwa H.G. Pöhlmann, Das Glaubensbekenntnis, 2003, S. 7). Aber die Aussagen mit ihren „alten Formeln“ müssten freilich durch neue Zugänge für die Menschen von heute „freigelegt“ werden. Das bedeute dann zum Beispiel, dass der Glaube an „Gott, den Vater“ zu überdenken sei, da „uns die ständige Anrede Gottes als Vater auf ein bestimmtes Gottesbild“ festlege (so Theodor Schneider, Was wir glauben, 2014, S. III). Benjamin Kilchör, Professor für Altes Testament an der STH in Basel (Schweiz), hat für sein neues Buch einen anderen Weg gewählt.

Er geht davon aus, dass das alte Bekenntnis „ganz zeitlos formuliert ist“ (S. 11) und wie ein Konzentrat das biblische Wort zusammenfasst. Das Apostolikum führt seiner Meinung nach in das biblische Wort hinein – auch in das Alte Testament. Es eigne sich sogar dafür, zu zeigen, dass das Alte Testament nicht nur eine Verstehenshilfe für das Neue Testament ist, sondern dass beide Teile der Heiligen Schrift eine Einheit bilden.

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Eckhard J. Schnabel: New Testament Theology

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Viele Leute in Deutschland kennen Eckhard J. Schnabel noch aus der Zeit, in der er in Deutschland lebte und an der Freien Theologischen Hochschule unterichtete. Inzwischen ist er Mary French Rockefeller Distinguished Professor für Neues Testament am Gordon-Conwell Theological Seminary (Hamilton, MA, USA). Kürzlich hat er eine Theologie des Neuen Testaments mit 1176 Seiten vorgelegt. Paul Gesting hat sie gelesen und stellt und das Buch vor:

Schnabel zeigt seine Affinität zur deutschen Wissenschaft in der Art, wie er sein Material anordnet. Er folgt eher einer historischen Gliederung des Materials (Johannes der Täufer, Verkündigung Jesu, dann Paulus, dann andere neutestamentliche Autoren) als den eher thematischen Ansätzen, die viele der englischsprachigen Standardwerke zur neutestamentlichen Theologie bevorzugen. Er lehnt jedoch die Methode des 19. Jahrhunderts (wie sie von William Wrede und in jüngerer Zeit von Heikki Räisänen vertreten wurde), das Neue Testament nur durch die historische Linse und ohne theologische Annahmen oder Agenda zu betrachten, ab. Schnabel sieht seine Arbeit zu Recht in den „theological convictions of the exegete“ (theologischen Überzeugungen des Exegeten) verortet (S. 9).

Schnabel verfolgt in seinem Projekt insgesamt jedoch eher einen „thematischen Ansatz“, indem er das Thema „Jesus als Messias“ als verbindendes Prinzip anführt, auch wenn seine einzelnen Kapitel dem historischen Ansatz folgen. Auf diese Weise wird versucht, die Einheit des Neuen Testaments über alle Autoren hinweg zu bewahren, anstatt die „Theologien“ der einzelnen Autoren zu betrachten (wie es in einigen Büchern der neutestamentlichen Theologie der Fall ist).

Das verbindende Thema „Jesus ist der Messias“ wird in Kapitel 3 umrissen und zieht sich durch das ganze Buch. Allerdings sieht Schnabel weitere ähnlich verbindende Themen in der Erfüllung von Gottes Verheißungen (§ 8.3, Kapitel 10 u. 21) und in der neuen Schöpfung (Kapitel 15 u. 26).

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Die Dreiteilung des alttestamentlichen Gesetzes

Die klassische Dreiteilung des alttestamentlichen Gesetzes wird heute von vielen Theologen abgelehnt, mitunter auch von jenen, die in der Tradition der reformierten Theologie stehen. Zumindest sind viele gegenüber dieser Unterscheidung misstrausch.

Um ein Beispiel zu nennen: D.A. Carson hält es für möglich, dass sich die Kategorien Moralrecht, Zivilrecht und Zeremonialgesetz aus der Schrift entwickeln lassen – auch wenn sie dort nicht ausdrücklich gelehrt werden. Aber diese Unterscheidung ist problematisch, wenn wir sie a priori in die Schrift eintragen. Er schreibt („Mystery and Fulfillment: Toward a More Comprehensive Paradigm of Paul’s Understanding of the Old and the New“, in: P.T. O’Brien u. M.A. Seifrid (Hrsg.), Justification and Variegated Nomism: The Paradoxes of Paul, Bd. 2, Baker Academic; Tübingen: Mohr Siebeck u. Grand Rapids, MI: Baker Academics, 2004, S. 429):

Kurz gesagt, das Problem mit der Dreiteilung des Gesetzes, die als Mittel zur Erklärung von Kontinuität und Diskontinuität zwischen den Testamenten auf Thomas von Aquin zurückgeht, besteht darin, dass sie versucht, ein apriorisches Raster zu konstruieren, um herauszufinden, welche Teile des Gesetzes Christen halten oder tun müssen, und dass sie davon ausgeht, dass Paulus ein solches Raster übernommen haben muss, auch wenn er es nicht ausdrücklich nennt. Wenn wir uns stattdessen in dieser Hinsicht enger an die paulinische Terminologie halten, können wir immer noch sinnvollerweise von der Dreiteilung aus einer a posteriori-Perspektive sprechen: Nachdem wir die Muster von Kontinuitäten und Diskontinuitäten, die Paulus aufstellt, beobachtet haben, können jene Gesetze des alten Bundes, die Christen in einer Weise „erfüllen“, die ihrer Funktion innerhalb des alten Bundes am ehesten entspricht, sicher als „moralisch“ bezeichnet werden, ohne zu befürchten, dass eine a priori-Definition Paulus‘ Denken domestiziert.

Das Buch From the Finger of God: The Biblical and Theological Basis for the Threefold Division of the Law von Philip S. Ross untersucht die biblische und theologische Grundlage für die klassische Unterteilung des alttestamentlichen Gesetzes. Es beleuchtet einige der Auswirkungen dieser Unterteilung auf die Lehre von der Sünde und der Sühne und kommt zu dem Schluss, dass die Theologen diese Unterteilung zu Recht als in der Heiligen Schrift verwurzelt und die Zehn Gebote als ewig verbindlich ansahen.

Auch für jene, die die Dreiteilung ablehnen, liefert das Buch eine solide Darstellung und Erklärung der alten Differenzierung. Es verfolgt die Spuren nicht nur zurück bis zu den Kirchenvätern, sondern sucht schon im Judentum nach Indizien und macht dafür Anleihen bei den Untersuchungen von Walter Kaiser (S. 20): 

Kaiser weist darauf hin, dass die Suche nach den Ursprüngen der Dreiteilung, die bei den Kirchenvätern endet, nicht weit genug zurückreicht. Obwohl er nicht behauptet, dass sie von den Rabbinern stammt, zitiert er Montefiores und Dalmans Zeugnis über die Unterscheidung zwischen „schweren“ und „leichten“ Geboten durch die Rabbiner.

Wenn Montefiore recht hat, kannten die Rabbiner die Unterscheidung zwischen zeremoniellen und moralischen Geboten, und im Großen und Ganzen betrachteten sie die „moralischen“ als wichtiger und grundlegender als die „zeremoniellen“ – sie akzeptierten eine Zweiteilung. Dies mag den Grundstein für den von einigen Kirchenvätern bevorzugten Ansatz gelegt haben, und in späteren Kapiteln wird sich zeigen, dass der Vorrang des „moralischen“ Gesetzes eine fest etablierte Ansicht war.

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J.G. Machen: Gesetzesgerechtigkeit in der anti-reformatorischen Exegese

Grasham Machen über die Gesetzesgerechtigkeit in der anti-reformatorischen Exegese (Christentum und Liberalismus, 213, S. 167–168):

Dem modernen Liberalismus nach bedeutet Glaube dasselbe wie „Jesus im eigenen Leben zum Herrn machen“. Durch diesen Akt des „Jesus zum Herrn machen“ soll das Wohlergehen der Menschen erwirkt werden. Doch das bedeutet schlichtweg, dass Erlösung durch unseren eigenen Gehorsam gegenüber Jesu Befehlen erreicht werden soll. Solch eine Lehre ist nur eine vergeistigte Form von Gesetzlichkeit. Nicht das Opfer Jesu, sondern unser eigener Gehorsam wird zum Grund der Hoffnung.

Auf diesem Weg werden alle Ergebnisse der Reformation zunichtegemacht, und man kehrt zurück zur Religion des Mittelalters. Zu Beginn des sechzehnten Jahrhunderts erweckte Gott einen Mann, der begann, den Brief an die Galater mit eigenen Augen zu lesen. Das Ergebnis war die Wiederentdeckung der Lehre von der Rechtfertigung allein durch Glauben. Auf dieser Entdeckung ruht unsere ganze evangelische Freiheit. Ausgelegt von Luther und Calvin wurde der Galaterbrief zur Magna Charta der christlichen Freiheit. Doch der moderne Liberalismus ist zu der alten Interpretation des Galaterbriefes zurückgekehrt, die von den Reformatoren so bekämpft wurde. Deswegen ist Professor Burtons raffinierter Kommentar [A Critical and Exegetical Commentary on the Epistle to the Galatians. International critical commentary on the Holy Scriptures of the Old and New Testaments, 1920) über diesen Brief, trotz aller modernen und wertvollen Gelehrsamkeit, in einem Punkt ein mittelalterliches Werk. Es ist zurückgekehrt zu einer anti-reformatorischen Exegese, nach der Paulus in seinen Briefen lediglich die nur bruchstückhaften Moralvorstellungen der Pharisäer anprangern soll. In Wirklichkeit ist das Ziel der Attacke des Paulus der Gedanke, dass ein Mensch sich seine Akzeptanz durch Gott auf irgendeine Weise verdienen könne. Paulus Hauptinteresse besteht nicht darin, gegen einen rein äußerlichen Kult für eine spirituelle Religion zu werben, sondern gegen menschliche Verdienste die freie Gnade Gottes zu betonen.

Die Gnade Gottes wird vom modernen Liberalismus abgelehnt. Das Resultat besteht in Sklaverei, der Versklavung unter das Gesetz, eine elende Gefangenschaft, in welcher der Mensch die unmögliche Aufgabe angeht, mithilfe seiner eigenen Gerechtigkeit vor Gott bestehen zu können. Auf den ersten Blick mag es seltsam erscheinen, dass ausgerechnet der Liberalismus, ein Begriff, der ja „Freiheit“ bedeutet, in Wahrheit zu elender Sklaverei führt. So merkwürdig ist dieses Phänomen aber gar nicht. Die Emanzipation vom heilsamen Willen Gottes bringt automatisch die Abhängigkeit von einem schlimmeren Zuchtmeister mit sich. Das ist der Grund, warum von der liberalen Kirche gesagt werden kann, dass sie „mit ihren Kindern in der Knechtschaft lebt“, wie es zu Paulus Zeiten von Jerusalem gesagt wurde (vgl. Galater 4,25). Gebe Gott, dass sie wieder umkehrt zur Freiheit des Evangeliums Christi.

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Die Gegenwart Christi im Alten Testament

Überlegungen zur Frage nach der Präexistenz Christi und seiner Gegenwart im Alten Testament werden heute selten angestellt. Selbst in der evangelikalen Literatur der letzten Jahrzehnte gibt es dazu oft eigenartiges Schweigen. Der Alttestamentler Benjamin Kilchör (STH) bezieht Stellung und schreibt:

Gerade im Rahmen einer Hermeneutik, die verneint, dass Christus im Alten Testament anwesend ist – im besten Falle vielleicht anwesend in der Ankün­digung des Abwesenden – besteht im christlichen Kontext die Gefahr, das Alte Testament nur als Sprungbrett ins Neue Testament zu benutzen, als Verstehenshintergrund für das Neue Testament, vielleicht sogar als Negativfolie, vor welcher das Neue Testament umso heller leuchtet. Wenn wir aber sehen, dass Christus im Alten Testament ebenso gegenwär­tig ist wie im Neuen (nicht in derselben Weise, nämlich nicht im Fleische, wohl aber vermittelt durch denselben Geist), wenn wir darum vom Christus­ ereignis des Neuen Testaments ins Alte zurückkehren und Christus selbst als das Wort und die Herrlichkeit Gottes erblicken, die im Alten Testament, ins Geheimnis gehüllt, erscheint, dann müssen wir nicht ständig aus dem Alten Testament ins Neue springen, sondern können Christus aus dem Alten Testa­ ment selbst verkündigen. Wenn wir also das Alte Testament auslegen, nicht nur mit einem histori­schen Interesse, sondern als Gottes eigenes Wort für die christliche Gemeinde, dann können wir durchaus die Dynamik, die sich im Text selbst findet, her­ ausarbeiten, ohne nach einem christologischen „Plus“ zu suchen. 

Der Aufsatz„Hermeneutische Überlegungen zur Gegenwart Christi im Alten Testament“ (Biblisch erneuerte Theologie, 2019, S. 31–52) kann hier heruntergeladen werden: BeTh2019-Kilchoer.pdf.

Das Herrsein des Christus

Emil Brunner beschreibt das Thema des Römerbriefes anhand von Röm 1,1–7 mit folgenden Worten (Der Römerbrief, 1959, S. 9): 

Damit ist bereits das Thema des ganzen Briefes angegeben. Von Gott aus:
das Herrsein des Christus, des Offenharers der Gottesliebe; vom Menschen aus: der „Gehorsam des Glaubens“. Daß Christus wirklich mein Herr wird: das ist der Glaube; und nicht anders kann Christus mein Herr sein als dadurch, daß ich in ihm den erkenne und anerkenne, indem Gott mich zu seinem Eigentum macht.

Generation Woke: Queere Bibel

Die Aktivisten der Woke-Kultur sind besonders „wach“, was die Inhalte und Botschaften von Vorträgen, Büchern oder Filmen anbetrifft. Frühere moralische Bewegungen wandten sich gegen Verletzungen von Bürger- oder Frauenrechten und alles, was den Weltfrieden gefährdet. Sie haben sich mit der Politik und Gesetzen befasst. Die Woken sind basisorientiert. Susanne Keuchel schreibt in Politik & Kultur über ihre Anliegen (S. 15):

Die Kritik der Woke-Aktivisten vollzieht sich dagegen „bottom-up“. Kritisiert wird „unkorrektes“ Verhalten innerhalb des sozialen Umfelds, aber auch bezogen auf Buch- oder Filminhalte. Ihr Anspruch besteht darin, Gesellschaft von innen heraus zu verändern. Das Bereinigen von überlieferter Literatur gehört zu den Aufgaben der Generation „Woke“. Romane und Erzählungen werden daraufhin abgeklopft, ob sie dem Mainstream der Gegenwart entsprechen. Falls nicht, werden sie verbannt, geschönt oder zumindest durch erklärende Anmerkungen ergänzt. 

So ist es alles andere als überraschend, dass postmoderne Bibelausgaben darum bemüht sind, Textstellen zu ergänzen, die feministischen oder queeren Lesarten im Weg stehen. Mentari Baumann und Meinrad Furrer arbeiten an so einem Update für die Heilige Schrift. Die Bibel soll der queeren Community zugänglich gemacht werden. Um das Ziel zu erreichen, werden vermeintlich queerfreundliche Bibelstellen hervorgehoben und queerfeindliche Texte um neu geschaffene Textschichten erweitert. Ausgangspunkt ist die Zürcher Bibelübersetzung.

Der SRF berichtet: 

„Jetzt schreibe ich Paulus einen Brief und erkläre ihm, was ich an seinen Gedanken spannend finde und was aus heutiger Sicht problematisch ist. Ich erzähle ihm, was sein Text für eine Wirkungsgeschichte hatte und wie wir das heute lesen“, sagt Furrer. Dieser literarische Antwortbrief liegt dann auf einem gesonderten Blatt der entsprechenden Stelle in der Zürcher Bibel bei. Meinrad Furrer will zudem vermeintlich queerfreundliche Stellen hervorheben, etwa in der Josefsgeschichte. Dort heisst es, dass Josef von seinem Vater ein Gewand erhält, das an anderen Stellen als Prinzessinnenkleid bezeichnet wird. Furrer macht daraus eine Geschichte über einen begabten, hypersensiblen jungen Mann und wie er damit in seiner Familie umgeht. Er stellt die Frage, was eine queere Identität damit zu tun haben könnte. Es sind Erweiterungen wie diese, die in der Luzerner Bibel enthalten sind.

Und dann gibt es einige Textstellen in der Bibel, die gar keine Sexualität enthalten, die man aber queer denken könnte. So gibt es Passagen, die aussagen: So wie ich gemacht bin, bin ich gut. „Es gibt viele solcher inspirierenden Stellen, und wir heben diese hervor“, betont Meinrad Furrer.

Die Frage, ob es sinnvoll ist, die Heilige Schrift an den Zeitgeist anzupassen, wird von den Aktivisten wie folgt beantwortet: „Die biblischen Bücher sind in einem sehr langen Prozess von Neudeutungen entstanden. Das kann die Forschung belegen“, erklärt Furrer: „Es ist vollkommen natürlich, die Bibel weiterzuschreiben und neues Wissen in die alten Texte miteinfliessen zu lassen.“

Das ist natürlich Quatsch. Ich vermute alleredings, im nächsten Schritt wird ergänzend zur geschlechtergerechten Bibel direkt in die Texte eingegriffen und eine „Queere Bibel“ herausgegeben. Wohl dem, der dann noch nach der zutreffenden Übersetzung fragt und vergleichen oder übersetzen kann. Dass die queeren Deutungen mit einer gründlichen Exegese der Bibel nichts zu tun haben, zeige ich übrigens in dem Artikel „Hermeneutisches Cruising“

Mehr: www.srf.ch.

VD: AS

König David: „Denn da ich es wollte verschweigen“

„Wohl dem Menschen, dem der HERR die Schuld nicht zurechnet, in dessen Geist kein Falsch ist! Denn da ich es wollte verschweigen, verschmachteten meine Gebeine durch mein tägliches Klagen“ (Ps 32,2–3). Beat Weber schreibt zu diesem Psalm (Werkbuch Psalmen, Bd. 1, Die Psalmen 1 bis 72, Verlag W. Kohlhammer, 2001, Logos-Ausgabe, S. 556): 

Der zweite (altkirchliche) „Busspsalm” (nach Ps 6) trägt seinen Namen zu Recht – das zeigt nicht zuletzt auch die Aufnahme von 1f. durch Paulus im Zusammenhang seiner Ausführungen über die Glaubensgerechtigkeit (Röm 4). Dabei führt Offenlegung von Schuld und Busse zur Vergebung vonseiten Gottes, und diese wieder bewirkt Freude und soll in den Gottes-Lobpreis ausmünden (1f.7c.11). Wo ein Mensch dagegen Schuld zu- und nicht aufdeckt, wird diese von Gott nicht zugedeckt bzw. weggenommen (vgl. 1. Joh 1,8f.). Wer Schuld verschweigt und ein Geständnis verweigert, verursacht (unnötiges!) Leid (3f.). „Depression” kann offensichtlich auch durch schuldhaftes Verhalten und Verharren darin zustande kommen. Die Absolution nach der Beichte ist mit nachfolgender ethischer Wegweisung verbunden (8), d.h. nach der Umkehr vom Fehlverhalten bedarf es der Wegleitung für das rechte Verhalten.

„Fleisch“ bei Augustinus

Vor rund 10 Jahren hatte ich in dem Beitrag „‚Fleisch‘ bei Paulus“ unter Inanspruchnahme von Herman Ridderbos darauf verwiesen, dass bei Paulus der Begriff „Fleisch“ oftmals nicht für eine Substanz oder den Leib, sondern für den der Macht der Sünde unterworfenen Menschen steht. Gerade habe ich entdeckt, dass das auch der Kirchenvater Augustinus so gesehen hat. In seinen Retractationen schreibt er rückblickend über seine Schrift „Der christliche Kampf“ (Retractationen, Ferdinand Schöningh, 1976, S. 153): 

Das Buch „Christlicher Kampf“ ist in seiner sehr einfachen Sprechweise für die Brüder verfaßt, die in der lateinischen Sprache wenig bewandert sind. Es enthält die Glaubensregel und Lebensvorschriften. Ich schreibe darin: „Hören wir nicht auf jene, die die kommende Wiederauferstehung des Fleisches leugnen und sich dabei auf den Apostel Paulus berufen, der sagt: Fleisch und Blut werden das Reich Gottes nicht besitzen (1 Kor 15, 50), ohne zu verstehen, was der Apostel gleich danach sagt: Erst muß dieser vergängliche Leib sich mit der Unvergänglichkeit bekleiden und dieses Sterbliche das Unsterbliche anziehen (ebda 53). Denn wenn es einmal dazu kommt, wird es kein Fleisch und Blut mehr geben, sondern nur noch einen himmlischen Leib“ (32, 34).

Das ist nicht so aufzufassen, als ob die Substanz des Fleisches nicht mehr existieren sollte, sondern mit den Worten Fleisch und Blut will der Apostel die Verderblichkeit selbst von Fleisch und Blut bezeichnen, eine Verderblichkeit, die ganz sicher in jenem Reich nicht mehr existieren wird, wo das Fleisch unverderblich sein wird; obzwar es auch anders zu verstehen ist und man sagen könnte, daß der Apostel mit Fleisch und Blut die Werke von Fleisch und Blut bezeichnen will, und daß jene eben nicht das Gottesreich besitzen werden, die diese Werke geliebt haben und ihnen verfallen blieben.

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