Katholische Kirche

Enzyklika „Laudato si“

Die Umweltenzyklika von Franziskus polarisiert. Es gibt vie Lob für den „grünen Papst“, aber auch viel Kritik. Von Wirtschaft hat er keine Ahnung, meint der Volkswirt, Publizist und Katholik Michael Rutz.

Hier die gute Analyse:

Der Papst verfolgt hier ein Gesellschaftsmodell, das mit dem der westlichen Demokratien wenig gemein hat. Das wäre nicht weiter erwähnenswert, wenn es sich nicht um dem Papst der größten Kirche der Welt handelte, die sich in langen Kämpfen der Kirchengeschichte zu einem freiheitlichen Menschen- und Gesellschaftsbild durchgerungen hat und es mit freiheitlichen und demokratischen Macht­systemen zu vereinigen wusste.

In diesem päpstlichen Sendschreiben ist davon nicht viel übrig. Niemand wird dem Papst die ernsthafte Sorge um das ökologische System des Erdballs absprechen können, dafür hat es tatsächlich an zu vielen Stellen Schaden genommen. Aber wie kommt er darauf, dafür das marktwirtschaftliche System haftbar zu machen? Wer hat ihn da beraten? Wer hat ihm die Theorie und Praxis der knappheitsanzeigenden und ressourcenschonenden Preisbildung vorenthalten?

Warum hat man ihm die katastrophalen Misserfolge jeder Planwirtschaft nicht ausreichend dokumentiert? Und weitere Fragen: Wieso hat er sich in dieser Enzyklika nicht mit den Vorzügen der sozialen Marktwirtschaft auseinandergesetzt und ihren verteilungspolitischen Maßgaben? Warum hat er vielleicht das »Kapital« von Karl Marx, aber nicht das von Reinhard Marx gelesen, in dem Wirtschaft und Gesellschaft daran gemessen werden, »ob sie der Personenwürde und Freiheit des Menschen dienen oder sie beeinträchtigen«, weshalb »der sozialistische Kollektivismus für die Kirche nie eine bedenkenswerte Alternative« sein könne?

Vor allem aber: Wie kommt er darauf, dass eine nachhaltige Umweltpolitik und marktwirtschaftliche Mechanismen im Gegensatz zueinander stünden?

Mehr: www.christundwelt.de.

Ohne mich

Die Redakteurin Liane Bednarz beschreibt für Christ & Welt, warum sie aus der Evangelischen Kirche in Deutschland ausgetreten ist und was sie an der Katholischen Kirche anzieht. Authentisch und irgendwie verständlich! Ein tieferer Blick hinter die Kulissen der Katholische Kirche dürfte freilich zeigen, dass dort die Nöte vergleichbar groß sind. Das Zeugnis verdeutlicht insgesamt, dass wahrheitssuchende Menschen sich vom „sozialen Evangelium“ betrogen fühlen und der Bedarf für einen geistlichen und intellektuellen Aufbruch immens ist. Kyrie eleison.

Man verstehe mich bitte nicht falsch: Natürlich ist auch ein religiöser empathieloser Rigorismus abzulehnen, der nur noch auf das Jenseits starrt und sich allein um das eigene Seelenheil sorgt. Aber die Umdeutung zentraler biblischer Begriffe wie »Friede« und »Gerechtigkeit« in diesseitige Politik schreckte mich zutiefst ab. Und meistens, wenn ich diese Irritation gegenüber Vertretern der evangelischen Kirche zum Ausdruck brachte, stieß ich auf Verständnislosigkeit.

Eigentlich wurde fast alles, was in der Bibel steht, relativiert. Im Jahre 2013 mit der »Orientierungshilfe« sogar das grundsätzlich auf die Ewigkeit angelegte Versprechen der Ewigkeit der Ehe. Wenn man selbst miterlebt hatte, wie allein der Vers »Was Gott zusammengefügt hat, soll der Mensch nicht trennen« (Markus 10,2), die Ehe von zwei Menschen ungeachtet aller Turbulenzen an dem einstigen Versprechen hat festhalten lassen, war man verwundert. Gleichzeitig, auch das soll nicht verschwiegen werden, hat mich der enorm strenge, oftmals antiintellektuelle Kurs einiger Freikirchen abgeschreckt. Und so bin ich jahrelang zwischen evangelischen Landeskirchen einerseits und Freikirchen andererseits mäandert.

Im Mai 2011 schließlich kam es für mich zu einer Wende. Ausgelöst durch das Buch »Das katholische Abenteuer« des Journalisten Matthias Matussek begann ich, mich mit dem Katholizismus zu beschäftigen, und entdeckte in diesem eine aus meiner Sicht stringentere und sowohl intellektuelle als auch im Herzen verankerte Form der Suche nach der ewigen Wahrheit, die letztlich zu meinem Austritt führte.

Ich erlebe vor allem in den Predigten katholischer Priester insgesamt eine größere Ernsthaftigkeit der Erhabenheit Gottes und der Frage nach dem Jenseits gegenüber. Auch wenn ich damit vielen Menschen in der evangelischen Kirche ihren tiefen Glauben selbstverständlich nicht absprechen möchte. Konvertiert bin ich noch nicht, da ich immer noch offene Fragen habe. Aber ich glaube, ich befinde mich auf dem Weg dorthin.

Mehr: www.christundwelt.de.

VD: AG

Ein ökologisches Manifest

Daniel Deckers hat für die FAZ die neue päpstliche Enzyklika „Laudato si“ kommentiert:

Das zweite Franziskus-Motiv, das Lob Gottes in seiner Schöpfung, steht als Fixstern über dem Lehrschreiben „Laudato si“, das an diesem Donnerstag veröffentlicht wurde. Auch dieses ist beispiellos, allem voran in der guten Absicht, allen Menschen guten Willens Wege zu weisen, wie die natürlichen und die gesellschaftlichen Grundlagen der Menschheit vor unwiderruflicher Zerstörung bewahrt werden können: Die von Menschen gemachte Klimaveränderung und die Übernutzung der natürlichen Ressourcen sind lebens- und damit gottesfeindlich. So klar hat noch kein Papst gesprochen. Beispiellos auch die kluge Abwägung von Nutzen und Risiken der Gentechnik, erhellend und ganz und gar unbestreitbar auch die Bestimmung der Umwelt als „Kollektivgut“ und die Erinnerung an die Gemeinwohlpflichtigkeit des Privateigentums.

Freilich sind die Be- und Zuschreibungen der Krisenphänomene über weite Strecken in einem ebenso schlichten wie schrillen Ton gehalten, prophetischer Weckruf entpuppt sich als abgestandene Polemik. Immer wieder verbinden sich die klassisch-katholischen Vorbehalte gegen eine ordoliberale Wirtschafts- und Gesellschaftsordnung mit den üblichen Verurteilungen aller möglichen Ismen von Anthropozentrismus über Konsumismus bis Hedonismus zu einem moralinsauren Gebräu. Versatzstücke von Verelendungs- und Weltverschwörungstheorien machen dieses ökologische Manifest mitunter ungenießbar.

Es ist kein Trost, dass auch Franziskus dem klassischen Dilemma der sogenannten katholischen Soziallehre nicht entgeht: Moralische Intuitionen und Sozialprinzipien wie Personalität, Solidarität und Subsidiarität gingen regelmäßig mit tendenziösen Beschreibungen und unterkomplexen Analysen der Wirklichkeit einher. Das Ergebnis: Bestenfalls ein geschwätziges Einerseits-Anderseits, meist ein Steinbruch für Argumentsfragmente jeder Art. „Laudato si“ ist keine Ausnahme.

Bedenklicher noch: Wenn Franziskus behauptet, heute würden immer mehr Menschen ausgeschlossen und ihrer grundlegenden Menschenrechte beraubt, dann zeichnet er ein Zerrbild der Realität. Durch die Anstrengungen der Weltgemeinschaft sind seit den neunziger Jahren viel mehr Entwicklungsziele verwirklicht worden oder ihrer Verwirklichung näher gekommen, als viele Skeptiker es vorhergesagt hatten. Wird überdies Politik wie schon in dem ersten Schreiben „Evangelii Gaudium“ als ein willenloses Instrument im Dienst einer gewinnmaximierungsfixierten Wirtschaft und eines unkontrollierbaren Finanzwesens karikiert, dann wird auf beispiellose Weise Autorität verwirkt, so viel Schönes, Gutes und Wahres Papst Franziskus auch sonst zu sagen hat.

Mehr: www.faz.net.

VD: LG

Hat der Papst die Mafia exkommuniziert?

Als ich in Samstagabend auf der Autobahn einen Radiobericht über die mutigen Worte des Papstes in der Camorra-Hochburg Caserta hörte, erklärte der Moderator selbstsicher, Papst Franziskus habe kürzlich in einer Predigt die Mafia exkommuniziert. Schon als ich das erste Mal von der Exkommunikation hörte, meldeten sich bei mir einige Fragen: Kann der Papst ohne Anhörung und Verfahren exkommunizieren? Kann er eine juristische Organisation oder gar eine Geheimorganisation aus der Kirche ausschließen? Was meint er mit „Mafia“, denkt er beispielsweise auch an die vielen minderjährigen Kinder (vgl. Can. 1323), die im Auftrag der Camorra unterwegs sind, oder nur an die Chefs? Was sagt das katholische Kirchenrecht dazu? Wie kann so ein allgemeiner Ausschluss überprüft werden?

Also: Das Kirchenrecht unterscheidet zwischen zwei Arten von Exkommunikation, nämlich der Exkommunikation als Tatstrafe „poena latae sententiae“ und der als Spruchstrafe „poena ferendae sententiae“.
Im ersten Fall tritt die Exkommunikation automatisch ein, zum Beispiel bei einer Abtreibung. Im Can. 1398 lesen wir: „Wer eine Abtreibung vornimmt, zieht sich mit erfolgter Ausführung die Tatstrafe der Exkommunikation zu.“ Die allermeisten Strafen sind jedoch Spruchstrafen (vgl. Can. 1314). Spruchstrafen werden durch einen ausdrücklichen Urteilsspruch seitens des Bischofs oder des Papstes nach einem ordentlichen Prozess verhängt.

Die Machenschaften der Mafia verlangen eine Spruchstrafe. Der Papst hat demnach die Mafiosi nicht aus der Kirche ausgeschlossen, sondern sie zur Umkehr aufgerufen.

Radio Vatikan stellt klar:

Um zu verstehen, was der Papst meint, muss der erste Teil des Satzes in den Blick genommen werden: Wer so handelt, ist nicht in Gemeinschaft mit Gott! Es geht also vor allem um den moralischen Charakter der Sünde, und – zumindest zuerst einmal – nicht um die Rechtsfolgen. Der Papst wollte also sagen: Mafiosi stellen sich außerhalb der Gemeinschaft der Kirche, die die Familie Gottes ist. Das mindert aber keineswegs die Schärfe des Appells. Denn höchstwahrscheinlich hatte der Papst nicht so sehr kirchenrechtliche Spitzfindigkeiten im Blick (siehe unten), sondern es ging ihm um die Ungeheuerlichkeit der Verbrechen der Mafia und ihre absolute Unvereinbarkeit mit dem Glauben. Mutig hat er die Menschen aus dem Glauben heraus zum Widerstand gegen dieses Krebsgeschwür nicht nur der süditalienischen Gesellschaft aufgerufen.

Wo Franziskus falsch liegt

Das Apostolische Schreiben EVANGELIA GAUDIUM von Franziskus enthält allerlei gute Impulse. Mir gefällt zum Beispiel der erste Absatz:

Die Freude des Evangeliums erfüllt das Herz und das gesamte Leben derer, die Jesus begegnen. Diejenigen, die sich von ihm retten lassen, sind befreit von der Sünde, von der Traurigkeit, von der inneren Leere und von der Vereinsamung. Mit Jesus Christus kommt immer – und immer wieder – die Freude.

Mich würde es nicht überraschen, wenn so mancher hohe Amtsträger innerhalb der EKD gar keine Ahnung davon hat, worüber Franziskus hier überhaupt spricht.

Doch ist das Schreiben nicht rundweg stark. Obwohl ich einige theologische Vorbehalte hege, möchte ich hier darauf verweisen, dass dort, wo Franziskus in die Welt der Wirtschaft abtaucht, das Dokument sehr pauschal und letztlich schwach wird. Wir finden eine Mischung aus populärer Kapitalismus- und Globalisierungskritik sowie eine gute Portion Befreiungstheologie. Rev. Robert A. Sirico, selbst Katholik, macht in einem Videostatement auf Schwächen dieser Analyse aufmerksam.

Ebenso trifft Christoph Schäfer einen wunden Punkt:

Auch jenseits aller Deutungsfragen ist zu prüfen, ob sich die Thesen des Papstes empirisch überhaupt halten lassen. Seine Behauptung etwa, „während die Einkommen einiger weniger exponentiell steigen, sind die der Mehrheit immer weiter entfernt vom Wohlstand dieser glücklichen Minderheit“, greift zu kurz. Anders als es der Papst nahe legt, ist die Zahl der sehr armen Menschen einer aktuellen Studie der Weltbank zufolge in den vergangenen drei Jahrzehnten um mehr als 700 Millionen Menschen auf 1,2 Milliarden gesunken. „Wir sind Zeugen eines historischen Moments, in dem sich die Menschen selbst aus der Armut befreien“, sagte Weltbank-Präsident Jim Yong Kim, als er die Studie im Oktober präsentierte. Das Millenniumsziel, die Zahl der Menschen, die von weniger als 1,25 Dollar am Tag leben müssen, bis 2015 zu halbieren, sei fünf Jahre früher erreicht worden. „Unsere Erwartungen wurden übertroffen“, so Kim. Verantwortlich dafür sind allen Zahlen zufolge vor allem China und Indien – Länder, die seit den siebziger Jahren zunehmend marktwirtschaftliche Prinzipien einführten und so die Zahl der Hungertoten drastisch reduzierten.

Auch die anklingende Globalisierungskritik und die Aussage des Papstes, wonach „die soziale Ungleichheit immer klarer zu Tage tritt“, ist zu hinterfragen. Der Volkswirt Norbert Berthold von der Universität München etwa kommt in seiner Studie „Wie ungleich ist die Welt?“ zum Ergebnis, „dass im neuen Jahrtausend die Ungleichheit deutlich abgenommen hat“. Die zunehmende Globalisierung sei „mit einem Rückgang der Ungleichheit“ einhergegangen. Auch die päpstliche These, wonach „die Ungleichverteilung der Einkommen die Wurzel der sozialen Übel ist“, überzeugt Wirtschaftswissenschaftler nicht. Sie sehen in leistungsgerechter Entlohnung den wesentlichen Antrieb, der Wohlstand schafft und unsere Sozialsysteme erst bezahlbar macht.

Hier der FAZ-Artikel: www.faz.net.

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Nachtrag vom 02.12.2013: Rainer Hank bemängelt ebenfalls die Kritik der Markwirtschaft von Papst Franziskus: www.faz.net.

Der Vatikan und die Freimaurer

Der Orden der Jesuiten pflegt traditionell gute Beziehungen zu den Freimaurern. Wird es unter dem neuen Papst eine Annäherung zwischen dem Vatikan und den Freimaurer-Logen geben? Diese Frage wird derzeit in Italien leidenschaftlich diskutiert, wie der nachfolgende DLF-Beitrag zeigt. Verbindliche Antworten gibt es freilich keine.

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