Christian Geyer

Jürgen Habermas’ Warnung vor Verflachung der christlichen Glaubensgehalte zieht Kreise

Christian Geyer berichtet in der FAZ darüber, dass das mahnende Wort von Jürgen Habermas sowohl in kirchlichen als auch in akademischen Kreisen eine gewisse Wirkung hinterlassen hat (FAZ, 05.11.2025, Nr. 257, S. 9):

Im Hintergrund steht die Auseinandersetzung um den christlichen Hoffnungsbegriff. Ist ein inhaltlich nicht näher bestimmtes Konzept „Hoffen auf die Hoffnung“, auf ein besseres Leben, auf eine gerechtere Welt begrifflich schon als „religiöse Glaubenspraxis“ ausweisbar? Oder verlangt der theistische Bezugsrahmen mehr als eine Modalität der Zuversicht, nämlich, wie Habermas meint, ein religiös gehaltvolles Hoffnungskonzept: „Die christliche Hoffnung richtet sich unter ande-rem auf die Auferstehung von den Toten und eine Erlösung von allen Übeln dieser Welt und ist ihrerseits abhängig vom Glauben an die Verheißung Gottes. Dieser Akt des Glaubens an das Eintreten des Verheißenen prägt auch den Modus des täglichen Lebens.“

Und weiter: 

Dass Habermas einen theologischen Nerv getroffen hatte, ist auch an Reaktionen aus dem akademischen Raum ablesbar, etwa wenn der Frankfurter Theologe Oliver Wiertz fragt, wie sich bei Habermas die Sorge um den Theismus mit dessen Prämisse des nachmetaphysischen Denkens verträgt, eine Prämisse, „die zwar interessant und aufschlussreich und über Jahrzehnte hinweg immer differenzierter formuliert worden ist, aber nicht nur unzutreffend, sondern letztlich auch unzureichend begründet ist“ (F.A.Z. vom 31. Oktober). Doch hat Habermas selbst im Zuge seiner jahrzehntelangen Differenzierung des nachmetaphysischen Paradigmas gezeigt, dass es sich hierbei nicht etwa um eine starre Prämisse im Sinne einer bornierten Weltanschauung handelt – wie sonst hätte er über den Themenkomplex Vernunft und Glaube in immer wieder neuen Anläufen derart eingängig handeln können? Die Habermas in seinem Lebenswerk vielfältig umtreibende Frage, wie sich religiöse Gehalte postmetapysisch übersetzen lassen, setzt das philoso-phische Interesse an einer theologisch konsistenten Metaphysik ja gerade voraus. Anderenfalls gäbe es aus dem theistischen Rahmen heraus eben nichts mehr zu übersetzen. Wessen Amtes wäre aber der Theismus zunächst, wenn nicht der Theologen?

Ablehnung erwünscht

Starke Aussage von Christian Geyer in seinem Artikel „Irrungen der Respektkultur: Ablehnung erwünscht“ (FAZ vom 22.02.2017. Nr. 45, S. N3):

Eine Kirche, die ihre Überzeugungen nicht länger in Abgrenzung zu und in Ablehnung von gegenteiligen Überzeugungen vertritt, bringt sich bei Freund und Feind um ihre epistemische Autorität. Sie ist gleichsam der institutionelle Extremfall jener verbreiteten, von Strenger erkannten „Selbstlähmung“ infolge eines unscharf gebrauchten Respektbegriffs.

VD: JS

Kann denn Liebe Sünde sein?

Seit der legendären Pillen-Enzyklika Pauls VI. wird kein päpstliches Lehrschreiben so kontrovers diskutiert wie Franziskus’ „Amoris laetitia“. Obwohl sich inzwischen herumgesprochen hat, dass die Worte des aktuellen Papstes nicht auf die Goldwaage gelegt werden sollten, deutet sich an, dass dieser den Duktus der Mehrdeutigkeit nutzt, um seinen Wünschen Verbindlichkeit zu verleihen.

Christian Geyer kommentiert: „Der Stil des Papstes …“

… vermeidet beinahe schon programmatisch Klarheit und semantische Festlegungen, als lägen die konträren Deutungen, die der Text zulässt, geradezu in der Absicht des Verfassers. Umso erstaunlicher dann der autoritäre Schnitt, insofern der Papst auf verwirrte Nachfragen, wie die Dinge denn jetzt genau gemeint seien, dann doch einen Master-Deuter lizenziert, hier eben den Wiener Kardinal, dessen wiederum eher gefühlige Interpretation die vom Text her möglichen anderen Interpretationen letztverbindlich aus dem Felde schlagen soll.

Tatsächlich pendelt dieses sich im „etc.“ (beziehungsweise in Fußnoten) kristallisierende Verfahren hermeneutisch zwischen „vage“ und „autoritär“ und prägt insgesamt den Duktus eines Dokuments, das Kardinal Walter Kasper auf die sphinxhafte, in der Sache aber wohl zutreffende Formel gebracht hat: „Der Papst ändert keine einzige Lehre, und doch ändert er alles.“ So, im überraschend autoritären und handwerklich nachlässigen Zugriff hat Franziskus auch die eheprozesslichen Normen (die Annulierungs-Frage sogenannter ungültiger Ehen) novelliert, und zwar an der Bischofssynode vorbei, trotz päpstlicher Beschwörung einer neuen Synodalität als dem angeblich leitenden Kirchenprinzips des dritten Jahrtausends.

Mehr: www.faz.net.

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