Gender Mainstream

Kritiker der geschlechtergerechten Sprache sind kleinbürgerliche Würstchen

Hundert deutsche Intellektuelle haben eine Petition mit dem Titel „Schluss mit dem Gender-Unfug!“ gestartet (siehe hier). Im Interview erklärt Walter Krämer vom Verein Deutsche Sprache, warum er für die Gleichberechtigung von Mann und Frau und gegen Sternchen in Wörtern ist.

Sprache soll effizient sein. Wenn sich die Länge eines Textes verdoppelt, handelt es sich um eine überflüssige und kommunikationshemmende Änderung. Stellen Sie sich vor, Sie sehen abends im Fernsehen Werbung, und dann kommt der Hinweis: «Zu Risiken und Nebenwirkungen fragen Sie Ihren Arzt oder Ihre Ärztin oder Ihren Apotheker oder Ihre Apothekerin.» Natürlich ist mit dem Arzt auch die Ärztin gemeint. In meinem Bekanntenkreis sind die meisten Mediziner Frauen. Und wenn deutsche Kinder, die heute zwölf Jahre alt sind, den Begriff «Bundeskanzler» hören, denken sie auch an eine Frau. Die kennen es gar nicht, dass dieses Amt auch ein Mann ausüben kann. Ob mit einem Wort ein Mann oder eine Frau gemeint ist, entscheidet nicht die Obrigkeit, sondern die soziale Wirklichkeit. Angela Merkel hätte keinen Tag früher Regierungschefin werden können, wenn im Grundgesetz das Wort «Kanzlerin» gestanden hätte. Da steht aber nur zwanzigmal «Kanzler». Ihren Aufstieg hat das in keiner Weise behindert.

Hochinteressant kommentiert die TAZ den Aufruf des Vereins Deutscher Sprache. Daniel Kretschmar, Chef vom Dienst bei der Zeitung, nennt die Unterzeichner „lauter Witzfiguren und Wutbürger“. Und er sagt Folgendes:

Traurig an dieser jämmerlichen Parade kleinbürgerlicher Würstchen ist der Zuspruch einzelner Künstler*innen, deren Sprachverständnis doch jenseits bürokratisch-nationalistischer Selbstvergewisserung liegen sollte. Schreibt und denkt doch was ihr wollt, Katja, Judith, Reiner, Günter, aber macht anderen keine Vorschriften, sondern Mut. Mut, Konventionen zu brechen. Mut, sich vom Kollektiv zu lösen, dabei auch Fehler zu machen, albern oder lächerlich zu sein.

Das muss man sich mal vorstellen. Ein Interessenvertreter genau jener Bewegung, die einen „Neusprech“ an den Hochschulen und Behörden verbindlich machen möchte, also die Menschen zwingen will, eine neue Sprache zu benutzen, beschwert sich darüber, dass die Initiatoren sich gegen solche Vorschreibungen zur Wehr setzen.

Ich kann Studenten, Schülern, Lehren, Sozialarbeitern, Professoren nur ermutigen, sich von dieser arroganten, linken Pseudoelite in den Redaktionen, Behörden, Schulen und Politbüros nichts vorschreiben zu lassen. Habt den Mut, die Konventionen und Gesetze der Genderlogen zu brechen!

Hier das NZZ-Interview: www.nzz.ch.

Aufruf zum Widerstand

Ich bin kein Freund von Petitionen. Aber den Sprach-Appell des Vereins Deutsche Sprache habe ich sofort unterzeichnet. Es heißt darin:

Aus Sorge um die zunehmenden, durch das Bestreben nach mehr Geschlechtergerechtigkeit motivierten zerstörerischen Eingriffe in die deutsche Sprache wenden sich Monika Maron, Wolf Schneider, Walter Krämer und Josef Kraus mit diesem Aufruf an die Öffentlichkeit:

Die sogenannte gendergerechte Sprache beruht erstens auf einem Generalirrtum, erzeugt zweitens eine Fülle lächerlicher Sprachgebilde und ist drittens konsequent gar nicht durchzuhalten. Und viertens ist sie auch kein Beitrag zur Besserstellung der Frau in der Gesellschaft.

Der Generalirrtum: Zwischen dem natürlichen und dem grammatischen Geschlecht bestehe ein fester Zusammenhang. Er besteht absolut nicht. Der Löwe, die Giraffe, das Pferd. Und keinen stört es, dass alles Weibliche sich seit 1000 Jahren von dem Wort „das Weib“ ableitet.

Die lächerlichen Sprachgebilde: Die Radfahrenden, die Fahrzeugführenden sind schon in die Straßenverkehrsordnung vorgedrungen, die Studierenden haben die Universitäten erobert, die Arbeitnehmenden viele Betriebe. Der Große Duden treibt die Gendergerechtigkeit inzwischen so weit, dass er Luftpiratinnen als eigenes Stichwort verzeichnet und Idiotinnen auch. Und dazu kommt in jüngster Zeit als weitere Verrenkung noch der seltsame Gender-Stern.

Nicht durchzuhalten: Wie kommt der Bürgermeister dazu, sich bei den Wählerinnen und Wählern zu bedanken – ohne einzusehen, dass er sich natürlich „Bürgerinnen- und Bürger meister“ nennen müsste? Wie lange können wir noch auf ein Einwohnerinnen- und Einwohnermeldeamt verzichten? Wie ertragen wir es, in der Fernsehwerbung täglich dutzendfach zu hören, wir sollten uns über Risiken und Nebenwirkungen bei unserm Arzt oder Apotheker informieren? Warum fehlt im Duden das Stichwort „Christinnentum“ – da er doch die Christin vom Christen unterscheidet?

Und dann tragen solche Verzerrungen der Sprache nicht einmal dazu bei, den Frauen zu mehr Rechten zu verhelfen. Auch im Grund gesetz gibt es dafür kein Indiz: In 13 Artikeln spricht es 20mal vom Bundeskanzler, zusätzlich auch vom „Gewählten“ und vom „Vorgeschlagenen“. Hier mehr Informationen: vds-ev.de.

Reiner Kunze: „Frauen sind eben doch die besseren Zuhörerinnen“

Auch wenn es einige Leser des TheoBlogs langweilt. Ich verweise immer wieder mal auf Kritiker der Gendersprache hin. Diesmal auf einen Text des Dichters Reiner Kunze, der in der DDR die repressive Macht einer Ideologie kennenlernen musste. Den behördlichen Eingriff auf die deutsche Sprache nimmt er mit Widerwillen wahr und erkennt Aspekte einer aggressiven Ideologie:

Die Sexualisierung der Sprache durch die Diskreditierung geschlechtsübergreifender Wortbedeutungen hat eine eklatante Verarmung und Bürokratisierung der Sprache, die Denunzierung aller Sprechenden, die sich dagegen verwahren, und eine Einschränkung der Freiheit des Denkens zur Folge. Der Sprachgenderismus ist eine aggressive Ideologie, die sich gegen die deutsche Sprachkultur und das weltliterarische Erbe richtet, das aus dieser Kultur hervorgegangen ist.

Hier mehr: www.pnp.de.

Leitfaden zur Neutralisierung der Welt

Die Durchsetzung der politisch korrekten Sprache wird an den Hochschulen in den Dienst einer vermeintlich guten Sache gestellt. Dabei wird verschleiert, dass es um eine massive Sprachsteuerung von oben geht. Wolfgang Kirsch kritisiert für in der FAZ die Etablierung der Gendersprache an den deutschen Hochschulen.

Einige Zitate:

Fast jede Hochschule verfügt inzwischen über Leitfäden und Empfehlungen, die die „Dozierenden“ und „Studierenden“ in die korrekte Sprachbahn lenken. Die Meinung, das grammatische Genus spiegele das biologische Ge-schlecht, hat hier den Rang eines Glaubenssatzes, den keine noch so begründete Kritik erschüttern kann.

Was außerdem in kaum einem Ratgeber zum gendersensiblen Sprachgebrauch fehlt, ist die Behauptung, man folge ja nur einem sowieso stattfindenden Sprachwandel. Das suggeriert, hier ginge es um grammatische Verschiebungen, die sich, ungeplant wie ein Trampelpfad, aus der Summe ungezählter Sprechakte allmählich von selbst ergeben, so wie „boll“ zu „bellte“ und „geschlocken“ zu „geschluckt“ wurde. Verschleiert wird, dass es sich um eine massive Sprachlenkung von oben handelt, die nicht nur die Wortwahl, sondern auch den Gebrauch grammatischer Formen zu steuern sucht und darüber hinaus mit den gegenderten Bildungen in das grammatische System eingreift. 

Die Sprachlenkung ist ein Spiegelbild des adakemisch-linksliberalen Milieus, dessen Liberalität immer dann in den Hintergrund tritt, wenn es um die vermeintlich gute Sache im Dienste der Volkserziehung geht: Dann sind pädagogische Stupser in die gewünschte Richtung, administrativ flankiert durch „Empfehlungen“ und „Leitfäden“, denen man besser folgt, wenn man in ihrem Geltungsbereich reüssieren will, durchaus willkommen.

Mehr hier: www.faz.net.

Kleider machen Leute

Bei Birgit Kelle ist im neuesten Newsletter zu lesen, dass gut erzogene und anständig gekleidete Kinder heute im Verdacht stehen, eine braune Gesinnung zu haben. Sie hat eine Broschüre der Amadeu Antonio Stiftung studiert und dabei herausgefunden:

Denunzieren ist ab sofort leicht gemacht! Am besten man legt die Nummer vom örtlichen Jugendamt gleich schon mal raus. Ob die Kleinen verdächtige Nazi-Kinder sind, lässt sich nämlich ganz leicht feststellen: Diese Kinder sind nämlich in der Regel laut Broschüre gut erzogen, anständig gekleidet und halten Sie sich fest: Ganz oft sind das blonde Mädchen mit Zöpfen! Ich hab vor lauter Schreck heute morgen sofort meiner blauäugigen, blonden Tochter die gekämmten Haare nochmal verwuschelt und die Zöpfe wieder aufgemacht, nicht dass wir unter Verdacht geraten. In perfider Weise werden zudem Rechtsextremismus mit der Ablehnung von „Sexualpädagogik der Vielfalt“ in einem braunen Topf in der Spielecke zusammengerührt, damit am Ende argumentativ behauptet werden kann, Eltern, die Diversity Programme und Sexualkundeprojekte für Kinder zwischen 3 und 6 Jahren ablehnen, seien eben rechtsextrem, rassistisch und nicht etwa vernünftig.

Da haben wir sie wieder, die besorgten Eltern, die nicht etwa ihr Erziehungsrecht wahrnehmen wollen, sondern sich, man lese und staune, scheinheilig auch noch gerne freiwillig in die Elternarbeit einbringen. Also ganz verdächtig sind nicht nur anständig erzogene Kinder mit blonden Zöpfen, sondern auch noch Eltern mit Engagement und auch jene, die die Unterweisung in Geschlechtergerechtigkeit für das falsche Thema im Kindergarten halten.

Ich habe mir die von der Bundesministerin für Familie herzlichst empfohlene Broschüre angeschaut und bin wirklich erschrocken. Zu lesen ist da etwa:

Das Erlernen einer demokratischen Haltung, z.B. vermittelt durch Methoden der Vielfaltspädagogik, ist zentral, um Diskriminierung aufgrund des Geschlechts oder sexuellen Orientierung zu verhindern und um inter- und transgeschlechtliche Kinder zu empowern. Zudem ist für viele Kinder das Aufwachsen in Regenbogenfamilien gelebte Realität und sollte damit auch gelebte Normalität in der Kita sein. Rechtspopulistische, neurechte oder religiös-fundamentalistische Gruppierungen hetzen gegen die Vermittlung von Vielfalt mit diffamierenden Wörtern wie »Genderismus«, »Genderwahn« oder eben »Frühsexualisierung«. Gemeint ist eine angebliche »Umerziehung unserer Kinder«, die dann nicht mehr »richtige« Mädchen oder Jungen sein dürften. Verbunden sind damit antifeministische, aber auch homo-, inter- und trans*feindliche Positionen. Und die sind hochgradig anschlussfähig an die gesellschaftliche Mitte: Gender-Themen sind eine wichtige Klammer im rechtspopulistischen Spektrum und eignen sich für emotionale Debatten – gerade mit Bezug auf Kinder. Diese Themen sind aktuell sehr relevant. Für die Praxis bedeutet das, eine geschlechterreflektierende Perspektive zu stärken, sich eine gemeinsame Haltung zu erarbeiten und auf entsprechende Vorwürfe, die nicht selten durch Elterninitiativen vorgebracht werden, fachlich professionell zu reagieren.

Das muss man sich mal vorstellen. Da wird jemandem, der die „Vielfaltspädagogik“ kritisiert, einfach eine undemokratische Haltung zugeschrieben. Das ist schon historisch völliger Unsinn, da es demokratische Haltungen schon gab, als noch niemand an den „Genderismus“ dachte. War Dietrich Bonhoeffer mit seiner Wertschätzung der traditionellen Familie und Abtreibungskritik ein Antidemokrat? Wird nicht vielmehr umgekehrt ein Schuh draus? Die Vielfaltspädagogen wollen sich gegen Kritik immunisieren, indem sie ihre Rezensenten in die braune Ecke stellen! Gehen der „Sexualpädagogik der Vielfalt“ die sachlichen Argumente aus?

Verräterisch übrigens auch der Rekurs auf die sogenannten Kinderrechte:

Ein sinnvolles pädagogisches Angebot für Kinder generell, insbesondere aber für Kinder, die in autoritären, disziplinierenden Kontexten aufwachsen, können Angebote der Primärprävention sein – z.B. Ansätze der Vielfalt- und Demokratiepädagogik sowie Projekte zu Kinderrechten. Grundsätzlich hilfreich ist es, das pädagogische Konzept der Einrichtung zu überdenken und ggf. dahingehend zu ergänzen. So ist es wichtig, auf eine Vielfalt der Zugehörigkeiten zu achten – sowohl aufseiten der pädagogischen Fachkräfte als auch aufseiten der Kinder (siehe Interview mit Petra Wagner oder den Beitrag von Melike Çınar). Stereotype jeglicher Art können unterlaufen werden, wenn zum Beispiel Toberäume nicht nur für Jungen und Kuschelecken nicht nur für Mädchen gedacht werden, das Speiseangebot in der Einrichtung unterschiedlichen religiösen und kulturellen Ansprüchen gerecht wird und unterschiedliche ethnische Herkünfte sich auch im pädagogischen Material spiegeln.

Richtig gendern: Von (un)gerechter Sprache

Heike Schmoll hat kürzlich für die FAZ erklärt, dass der Duden als dritte orthographische Instanz während der insgesamt gescheiterten Rechtschreibreform alles unternommen habe, um seine Autorität zu verspielen. Der Verlag kompensiere seinen Autoritätsverlust, indem er krampfhaft nach anderen Alleinstellungsmerkmalen suche.

Was dabei herauskommt ist, sind Broschüren wie Richtig gendern. Daniel Vullriede hat das Büchlein für GLAUBEN UND DENKEN HEUTE gelesen. Ich darf die Rezension mit freundlicher Genehmigung hier wiedergeben:

  • Diewald, Gabriele/ Steinhauer, Anja, Richtig gendern: Wie Sie angemessen und verständlich schreiben, Berlin: Verlag Bibliographisches Institut GmbH (Duden), 2017. ISBN: 978-3-411-74357-5, Paperback, 128 Seiten, 12,00 Euro.

Von (un)gerechter Sprache

Buch genderViele Menschen im Saarland werden den Namen Marlies Krämer nicht mehr so schnell vergessen. Die 80-jährige Seniorin geriet Anfang 2018 in die Schlagzeilen, weil sie eine juristische Auseinandersetzung mit der Sparkasse Saarbrücken führte. Frau Krämer hatte Klage eingereicht, weil in den Vordrucken ihrer Bank die weibliche Anrede fehlte und sie als selbstständige Frau somit praktisch totgeschwiegen wurde. Das Argument bankenrechtlicher Vorgaben oder der Hinweis auf den normalen Sprachgebrauch überzeugte die Rentnerin nicht. Sie ging durch alle Instanzen, bis hin zum Bundesgerichtshof.

Sprache ist für das menschliche Leben unverzichtbar und meist gebrauchen wir sie wie selbstverständlich. Schwierig wird es natürlich, wenn Menschen durch Worte abgewertet und ausgegrenzt werden, oder gar Schaden erleiden. Wer will schon eine ‚ungerechte‘ Sprache?

Der Wunsch nach Gerechtigkeit

Die Autorinnen Gabriele Diewald (Professorin für Germanistische Linguistik an der Leibniz Universität Hannover) und Anja Steinhauer (Lektorin und promovierte Germanistin) bieten mit dem vorliegenden Duden-Büchlein den ersten umfassenden Ratgeber zum Gendern. Einerseits gehen sie damit auf zahlreiche Anfragen an die Dudenredaktion ein, andererseits spiegelt sich hier eine gewichtige, gesellschaftliche Entwicklung wider. Menschen in Institutionen, Verwaltungen und Firmen sollen nun eine praktische Hilfestellung zum gendergerechten Schreiben erhalten.

In der Einleitung werden zunächst konzeptionelle Grundlagen erläutert: Die Bedeutung des Wortes Gendern als die Anwendung geschlechtergerechter Sprache; die gesetzlichen Grundlagen zur Gleichberechtigung; die Funktion menschlicher Sprache und ihr Einsatz als ein Mittel für mehr Gendergerechtigkeit in der Gesellschaft.

Die Autorinnen beleuchten v.a. die schriftliche Kommunikation und folgen in ihrem Buch einer pragmatischen Grundhaltung: Weil die Menschen im deutschen Sprachraum aktuell in Männer und Frauen unterteilt werden, gehen sie vom „Prototyp der Zweigeschlechtlichkeit“ (S. 8) aus. Dennoch möchten sie die Möglichkeit oder die Legitimität anderer Geschlechteridentitäten nicht in Abrede stellen. Ihr Anliegen ist zunächst deskriptiv: ‚Richtig gendern‘ bedeutet für sie, situations- und sachangemessen, verständlich und gemäß der eigenen Absichten geschlechtergerecht zu kommunizieren.

Im Kapitel ‚Sprachliche Grundlagen‘ werden vier Ebenen von Worten und Personenbezeichnungen unterschieden: Das grammatische Geschlecht (Genus), das semantische Geschlecht (auf der Bedeutungsebene), das soziale Geschlecht (als kulturelle Kategorie) und das biologische Geschlecht. In einem Unterabschnitt erklären die Autorinnen das generische Maskulinum, das sie schließlich als sexistisch, sachlich unzutreffend und irreführend ablehnen. In einem Exkurs beleuchten sie anhand von Gegensatzpaaren eine sprachliche Alternative und sprechen sich u.a. für die Verwendung von neutralen Oberbegriffen aus (Person: Frau – Mann; Studierende: Studentin – Student).

Das Kapitel ‚Richtig gendern auf der Wortebene‘ präsentiert weitere Möglichkeiten gendergerechter Formulierungen: ausführliche Doppelnennungen von weiblichen und männlichen Personen (Kolleginnen und Kollegen), Sparschreibungen wie Schrägstrich mit Bindestrich, das große Binnen-I, Klammern, der Genderstern oder der Gendergap. Insgesamt sprechen sich die Germanistinnen dafür aus, Texte gut lesbar zu halten und Ersatzformen bzw. Neutralisierungen zu nutzen, wie z.B. Substantivierungen, Kurzwörter, direkte Anrede, das Passiv und Adjektiv-Formulierungen (Rat des Arztes – ärztlicher Rat).

Im Abschnitt ‚Richtig gendern in Satz und Text‘ beleuchten die Autorinnen sprachtheoretische Grundlagen von Sätzen und Texten. Sie definieren dazu vier Ebenen, die einzeln eine mäßige, eine hohe oder die höchste Genderrelevanz haben können. Dazu gehören Referenztypen (Klassen, Gruppen und Personen, auf die man Bezug nimmt), syntaktische Funktionen im Satz (Verhältnis von Subjekt und Prädikat), textuelle Funktionen (Ersterwähnung und Wiederaufnahme von Personen und Gruppen im Text) und der Wortstatus (je direkter der Personenbezug eines Wortes, desto höher seine Genderrelevanz). Zahlreiche Beispiele unterstreichen dabei den Gedankengang der Autorinnen.

Ein eigenes Kapitel machen die ‚Beispielanalysen‘ aus. Hier besprechen und revidieren die Germanistinnen unterschiedliche Texte, die sie als gut oder ungünstig gegendert ansehen. Im letzten Kapitel liefern sie noch einen knappen, historischen Abriss über moderne feministische Strömungen und deren Sprachkritik. Maßgebliche Personen, Buchtitel und Hauptargumente werden kurz genannt, ebenso die Ansätze und Absichten der heutigen Gender Studies. Ein weiterführendes Literaturverzeichnis und ein Register runden das Duden-Büchlein ab.

Kompetente Antworten, aber noch mehr Fragen

Zunächst einmal ist den Autorinnen eine kompetente Einführung gelungen – sowohl in die Möglichkeiten und Nuancen der deutschen Sprache, als auch in das grundsätzliche Anliegen einer nichtdiskriminierenden Sprache. Dabei ging es ihnen nicht um einen kanonischen Leitfaden, sondern um einen Ratgeber und um Impulse zur reflektierten Anwendung des Gelesenen. Ihre Argumente stellen sie nachvollziehbar dar, und trotz des heiklen Themas wird ein polemischer Tonfall fast durchweg vermieden. Beim Lesen kann man den Autorinnen ein persönliches Anliegen für die Gleichberechtigung aller Menschen abspüren.

Trotz der Fachkenntnis und einer gewissen Ausgewogenheit wirft das Duden-Büchlein Fragen auf. Bei der Lektüre wird ersichtlich, dass auch die Autorinnen nicht ‚neutral‘ sind. Stattdessen vertreten sie ein klares Weltbild und haben konkrete gesellschaftspolitische Absichten, die sich im Sprachgebrauch niederschlagen sollten. Viele ihrer Schlagwörter (z.B. geschlechtergerechte Gesellschaft, systematische Ungleichbehandlung aufgrund des biologischen Geschlechts) sind bereits ideologisch gefüllt, was eine offene Debatte zum Thema nicht unbedingt erleichtert. Auch der historische Abriss am Ende des Buches hat einen klar apologetischen Charakter und verschweigt die markanten Unterschiede bzw. Reibungspunkte zwischen den LGBT-, Queer- und feministischen Communitys.

Ein Schlüsselargument betrifft den Unterschied zwischen dem grammatischen und dem semantischen Geschlecht eines Wortes, der sich höchst unterschiedlich interpretieren lässt. Während manche im generischen Maskulinum eine grobe Diskriminierung sehen, sprechen sich andere mit derselben Argumentation für sein Inklusionspotenzial aus – gerade weil das semantische Geschlecht nicht automatisch das grammatische, soziale oder biologische Geschlecht bezeichnen muss.

So hat auch der Bundesgerichtshof die Klage von Frau Krämer (siehe oben) am Ende abgewiesen, weil die grammatikalisch ‚männliche‘ Formularsprache weder gegen das Gleichbehandlungsgesetz noch gegen Artikel 3 des Grundgesetzes verstoße, d.h. auf der Bedeutungsebene keine Geringschätzung des anderen Geschlechtes ausdrücke. Was ist nun Diskriminierung und wo beginnt sie? Reicht bereits eine ungeschickte Formulierung oder muss eine konkrete Absicht bestehen? Wie weit darf man anderen ihre Sprache vorschreiben?

Symptome für ein größeres Problem

So wichtig diese und ähnliche Fragen für das gesellschaftliche Miteinander auch sein mögen, sie wirken letztlich symptomatisch. Bereits vor über 50 Jahren wiesen christliche Denker wie Carl F. H. Henry oder Francis Schaeffer auf ein größeres Problem hin, nämlich dass unserer westlichen Welt die Verstehens- und Lebensgrundlage abhandengekommen sei.

Trotz alter und neuer Ideologien umgibt uns heute eine immense Ratlosigkeit: Was genau ist die Realität? Worauf gründet sie sich und wie kann man sie erkennen? Was macht den Menschen aus und wie sollte man letztlich leben? So ist es verständlich, wenn Gesellschaften die Frage nach der Realität, nach der eigenen Identität und nach der Ethik psychologisieren und individualisieren. Man komponiert sich selbst und muss alle störenden Hürden auf dem Weg dahin überwinden.

Christen werden gut daran tun, diese Anfragen ernst zu nehmen und sie auf der Grundlage der Bibel zu beantworten. Sie sollten erklären, was Mann und Frau wertvoll macht und zugleich voneinander unterscheidet. Sie sollten Diskriminierung und Missbrauch aufdecken und angehen, ohne jedoch unüberlegt die Methoden oder Denkkategorien einer nichtchristlichen Gesellschaft zu kopieren. Zugleich sollten Christen keine Angst vor Gegenwind haben und geduldig aufzeigen: Unsere Sehnsucht nach einer gerechten Gesellschaft werden auch eine gendergerechte Sprache und ähnliche Ansätze nicht stillen können. Umso mehr dürfen Christen Gott mit ihren Worten ehren, bescheiden die Wahrheit sagen und andere Menschen mutig auf Jesus Christus hinweisen. Denn ihn ihm, dem inkarnierten und verherrlichten Gottessohn höchstpersönlich, hat sich uns die wahre, umfassende Gerechtigkeit offenbart.

Grundgesetzänderung beantragt: Gefühltes Geschlecht soll geschützt werden

Der in Berlin regierende Bürgermeister Michael Müller (SPD) und der Berliner Justizsenator Dirk Behrendt (Grüne) haben für den Senat der Hauptstadt einen Antrag auf den Weg gebracht, demgemäß das Grundgesetz geändert werden soll. In Zukunft soll sich die Verfassung in postmoderner Manier am gerade gefühlten Geschlecht orientieren.

Die BERLINER ZEITUNG meldet:

Zur Begründung schreiben sie, dass sowohl die sexuelle Identität geschützt werden müsse, „als auch das eigene geschlechtliche Selbstverständnis unabhängig davon, ob das empfundene Geschlecht mit dem bei der Geburt zugewiesenen Geschlecht übereinstimmt.“

Der erste Punkt ist sonnenklar: Niemand soll wegen seiner sexuellen Orientierung benachteiligt sein. Das versteht jeder. Der zweiter Punkt ist schwerer zu verstehen. Gemeint ist, dass jeder Menschen selbst entscheiden kann, welches Geschlecht er hat oder zu haben glaubt und dass diese Entscheidung dann für alle andern verbindlich ist.

Konkret sieht das so aus: Ein Mann kann angeben eine Frau zu sein, und eine Frau kann geltend machen, dass sie eigentlich ein Mann ist. Beide können aber auch entscheiden, weder Mann noch Frau zu sein sondern irgendetwas anderes. Sie können entscheiden, keinem der beiden Geschlechter anzugehören, sondern einem dritten, das noch nicht definiert ist.

Mehr: www.bz-berlin.de.

Großbritannien: Traditionelles Geschlechterverständnis als Kündigungsgrund

Der britische Arzt David Mackereth weigert sich, Transsexuelle mit dem von ihnen bevorzugten Pronomen anzusprechen. Daraufhin wird sein Arbeitsvertrag beendet.

DIE TAGESPOST berichtet unter Berufung auf THE DAILY TELEGRAPH:

In England ist einem christlichen Arzt aufgrund seines traditionellen Geschlechterverständnisses eine Arbeitsstelle verweigert worden. Der reformierte Baptist David Mackereth, der 26 Jahre lang für die staatliche Gesundheitsbehörde NHS (National Health Service) arbeitete, hatte sich geweigert, Transsexuelle mit dem von ihnen gewünschten Pronomen anzusprechen. Daraufhin wurde er vom Ministerium für Arbeit und Rente nicht eingestellt. „Ich greife die Transgender-Bewegung nicht an, sondern ich verteidige mein Recht auf Rede- und Glaubensfreiheit“, äußerte sich Mackereth gegenüber der britischen Zeitung „The Daily Telegraph“.

Mehr: www.die-tagespost.de.

„Murat spielt Prinzessin“

Eine vom Berliner Senat finanzierte Broschüre schult Erzieher im Umgang mit Homo- oder Transsexualität. Das Heft „Murat spielt Prinzessin, Alex hat zwei Mütter und Sophie heißt jetzt Ben“ setzt voll auf Vielfalt und erwartet von Bezugspersonen und Pädagogen, dass diese sich durch punktuelle Empfindungen von Kindern leiten lassen.

Vorausgesetzt wird dabei:

„Männlich und weiblich sind nur die Endpunkte auf einer Geschlechterskala, zwischen denen es unendlich viele Varianten gibt. Intersexualität zu verstehen, erfordert die Bereitschaft, sich vom überkommenen polaren Denken zugunsten pluraler Geschlechterdifferenzen zu lösen.“ Katrin Ann Kunze (FREITAG, Ausgabe vom 25.10.2002)

Hier eine Handlungsanweisung für Erzieher im Kindergarten:

Wenn also ein Kind sich einen anderen Namen gibt und wiederholt äußert, dass es eigentlich kein Junge bzw. Mädchen sei, wie im Fallbeispiel von Lisa gezeigt, dann sollten Fachkräfte im Gespräch mit dem Kind eine unterstützende und wertschätzende Haltung einnehmen. Im Kita-Alter sind Kinder meist bereit, offen über Gefühle und alles, was sie erleben, zu berichten. Es ist gut möglich, mit ihnen gemeinsam zu erkunden, wie sie ihre Geschlechtszugehörigkeit erleben und sich ihr Leben vorstellen. Wer aufmerksam zuhört, kann überraschend konkrete und vielfältge Zukunftsvorstellungen kennenlernen, wie sie etwa in den Fallbeispielen der Berliner Elterninitatve Trans-Kinder-Netz nachzulesen sind. Diese Vorstellungen müssen nicht unbedingt biologischen Gegebenheiten oder gängigen binären Geschlechterkonzepten entsprechen, sie zeigen aber viel von der Gewissheit, die manche Kinder in Bezug auf ihre Geschlechtsidenttät schon in jungen Jahren besitzen. Von Erwachsenen unterstützt und wertgeschätzt zu werden, kann eine entscheidende Weichenstellung für ihren weiteren Lebensweg sein.

Die Bröschüre ist ein Inlkusionshammer: QF-Kita-Handreichung-2018.pdf.

Toxische Männlichkeitsbilder: Ist das Spielzeug schuld?

Der DLF hat einen Beitrag über Gender-Marketing veröffentlicht, der Mut macht. Mit „Getrennte Spielwelten“ haben die Macher meine Erwartungen weit übertroffen. Endlich ein Diskussionsbeitrag, der zum Selberdenken anregt.

Die Journalisten stellen für den DLF einerseits die Perspektive der GenderforscherInnen (ja, es sind nur Frauen) fair dar. Sie und die FeministInnen beklagen das aggressive Gender-Marketing. Es ginge um Konsum. Stevie Schmiedel, Chefin von Pinkstinks, einer Protestorganisation, die gegen Sexismus und Geschlechterklischees in Werbung, Medien und Gesellschaft kämpft, behauptet beispielsweise, dass Gender-Marketing führe dazu, dass Eltern gleich alles doppelt kauften.

Das blaue Fahrrad für den Jungen, mit dem Piraten drauf. Das rosafarbene für das Mädchen. Dann kann auch nicht untereinander vererbt werden, alles wird doppelt konsumiert, das passt hervorragend zusammen.

(Mein erster Gedanke war: „Was bloß, wenn männliche Zwillinge nur ein Fahrrad bekämen?“)

Aber es gehe eben nicht nur um Konsum. Die Sache sei viel schlimmer. Die Unterscheidung zwischen Mädchen- und Jungenspielzeug erzeuge eine gefährliche Zurichtung auf Rollen. Die Genderforscherin Uta Brandes beklagt etwa:

Weil es Rollen festlegt, die mit Hierarchie und mit Wertigkeit zu tun haben. Wir können schon feststellen, dass die Rollen, die mit typischer Weiblichkeit zu tun haben, das hat immer zu tun mit Dienen, Helfen, Pflegen, Heilen. Und die anderen, das sind die Tatkräftigen, die etwas in Schwung bringen.

Stevie Schmiedel findet sogar:

Wenn ein Junge heute mit rosa spielt und einen kleinen rosa Pudel mit in den Kindergarten bringt, dann wird er schnell vom halben Kindergarten gemobbt. Weil die Vorstellung da ist, dann bist Du kein richtiger Junge. Es ist ganz wichtig, diese toxischen Männlichkeitsbilder aufzubrechen, damit Jungs eben auch wild und stark sein können, aber eben auch zart und niedlich.

Die Geschlechtsrolle sei zu 90 Prozent ein Ergebnis von Kultur und Erziehung, sagt Uta Brandes. Und für die Frage, wie viel Geschlecht neugeborene Kinder denn mit auf die Welt bringen, hat sie eine klare Antwort parat: „Ich denke, potentiell kommen sie als weiße Fläche auf die Welt. Ein schreiendes Bündel von Bedürfnissen.“ Den Rest, so müssen wir wohl glauben, leisten Erziehung und Spielzeuge.

Aber inwieweit prägt unterschiedliches Spielzeug die Entwicklung der Kinder tatsächlich? Ist die Geschlechtszuweisung und die Sehnsucht nach Eindeutigkeit vielleicht tief in die menschliche Seele und den Leib eingeschrieben? Woher stammt die Zweiggeschlechtlichkeit bei Säugetieren? Kann sie durch „Doing Gender“, also durch kulturelle Aktivitäten wie etwa Sprechakte, „hergestellt“ werden?

Manche Soziologen sprechen bereits vom „Re-Gendering“: Weil klassische Rollenmuster hinterfragt werden und sich die Gesellschaft so rasant verändert, macht sich Unsicherheit breit. Es kommt langsam eine Gegenbewegung auf, eine Sehnsucht nach „eindeutigen Geschlechterverhältnissen“.

Und hier wird die andere Sicht ins Spiel gebracht, die m.E. die weitaus überzeugenderen Argumente aufzuweisen hat. Für die These, dass Rollen nicht von biologischen Vorgaben abgekoppelt werden können, werden Begründungen von Harald Euler, Simon Baron-Cohen und Doris Bischof-Köhler, Gerianne Alexander und Melissa Hines vorgetragen.

Harald Euler sagt etwa:

Es ist völlig absurd zu glauben, dass durch Spielzeugangebote diese Verhaltensunterschiede hervorgerufen werden können … Nicht alle Jungen haben eine Präferenz für technisches Spielzeug und nicht alle Mädchen wollen gerne Puppen haben. Aber: Bei dem einen Geschlecht ist eben das eine häufiger und bei dem anderen Geschlecht das andere.

Und diese statistische Verteilung sei nicht nur eine Folge von Erziehung, Kultur und Gesellschaft. Euler:

Erstaunlicherweise gibt es einige Verhaltensmerkmale, die treten schon in den ersten Lebenstagen und –wochen auf. Das ist beispielsweise, dass kleine Mädchen mehr Interesse an Gesichtern zeigen, an Menschen zeigen, kleine Jungen eher an mechanischen Sachen, beispielsweise für ein Mobile, das über ihrem Bettchen hängt.

Hier der lange aber hörenswerte Audiobeitrag (eine Mitschrift gibt es hier):

VD: MS

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